Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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denn weder kann Belehrung ohne Naturanlage oder Uebung zur Vollkommenheit gelangen, noch ist die Naturanlage ausreichend, um ohne Belehrung und Uebung zum Ziele zu kommen, noch auch vermag es die Uebung, wenn nicht vorher durch Naturanlage und Belehrung der Grund gelegt ist. 54 Richtig also verknüpfte er die drei aufs engste miteinander, die dem Wortlaute nach Männer, in Wahrheit aber, wie gesagt, Tugenden waren, die Naturanlage, das Lernen und die Uebung; die Menschen nennen sie mit anderem Namen die drei Grazien, entweder weil Gott unserem Geschlecht diese drei Fähigkeiten zur Vervollkommnung des Lebens verliehen hat oder insofern sie sich selbst der vernünftigen Seele als vollkommenes und schönstes Geschenk darbieten[1], damit der ewige in den Gottesworten geoffenbarte Name in Verbindung mit den drei genannt werde, die nicht sowohl Menschen als vielmehr die drei erwähnten Fähigkeiten sind. 55 Denn die Natur der Menschen ist vergänglich, unvergänglich die der Tugenden; vernünftiger ist es aber, das ewige Wesen nach unvergänglichen Dingen statt nach sterblichen zu benennen, denn der Ewigkeit verwandt ist die Unvergänglichkeit, feindlich gegenüber steht ihr der Tod. [12] 56 Man muss ferner auch das beachten, dass er (Moses) den ersten Menschen, den Erdgeborenen, als den Vater der Menschen vorführt, die bis zur Sintflut gelebt haben, und den, der allein mit seiner ganzen Familie wegen seiner Gerechtigkeit und der übrigen Tugendhaftigkeit aus jenem Verderben gerettet wurde, als den Vater des wiederum sich verjüngenden neuen Menschengeschlechts, diese verehrungswürdige und bedeutsame Dreiheit aber als die Ahnen eines Geschlechts, das „Königreich und Priestertum und ein heilig Volk“ (2 Mos. 19,6) in der hl. Schrift genannt wird. 57 Schon der Name kündet dessen Bedeutung; denn in der Sprache der Hebräer wird das Volk „Israel“ genannt, was „Gott sehend“ bedeutet[2]. Das Sehen vermittelst der Augen ist der schönste
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/18&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
- ↑ Die griechische Benennung der Grazien (Χάριτες) und der Ausdruck, der „verleihen, schenken, anbieten“ bedeutet (χαρίζεσθαι), gehören zu demselben Stamm.
- ↑ Philo deutet in seinen allegorischen Erklärungen Israel als ὁρῶν θεόν „Gott schauend“; er erklärt nämlich nach einer sonderbaren Etymologie ישראל durch איש ראה אל.