Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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97 An der Bestrafung nahm auch sein ganzes Haus teil, da keiner sich dem ungesetzlichen Tun widersetzte, vielmehr alle durch ihre Zustimmung das Unrecht beinahe mitvollbrachten. 98 So wurde die Keuschheit des Weibes bewahrt, den Edelsinn und die Frömmigkeit des Mannes aber hielt Gott für wert der Welt zu zeigen, dadurch dass er ihm eine hohe Belohnung gewährte, die unverletzte und unangetastete Ehe, die beinahe in Gefahr gewesen war zerstört zu werden, aus der dann nicht eine Anzahl weniger Söhne und Töchter, sondern ein ganzes Volk und zwar das gottgeliebteste hervorgehen sollte, dem, wie mir scheint, zum Heile des ganzen Menschengeschlechts das Priester- und Prophetenamt zuerteilt wurde.
[20] 99 Ich habe jedoch auch naturkundige Männer gehört, die nicht ohne Grund unsere Stelle allegorisch erklären; sie sagen, dass der Mann (Abraham) sinnbildlich den weisen Geist bezeichne, indem sie aus der durch die Uebersetzung gewonnenen Bedeutung des Namens auf die gute Sinnesart in der Seele schliessen, während seine Frau, deren Name chaldäisch Sara lautet, auf griechisch aber „Herrscherin“, die Tugend bedeute, da nichts zum Herrschen und Regieren geeigneter sei als die Tugend. 100 Eine Ehe aber, die die Wollust zusammenfügt, erzielt nur die Vereinigung der Körper, während die von der Weisheit gegründete die Verbindung von Geistern zustande bringt, die nach Reinheit und vollkommenen Tugenden streben. Die genannten Ehen sind durchaus einander entgegengesetzt. 101 Denn in der körperlichen Ehe zeugt das [16 M.] Männliche und empfängt das Weibliche, in der Vereinigung der Seelen dagegen erzeugt die Tugend, die scheinbar die Stelle des Weibes einnimmt, gute Entschlüsse, weise Reden und Vorschläge von heilsamen Grundsätzen, während der Geist, der angeblich an die Stelle des Mannes gesetzt ist, den heiligen und göttlichen Samen aufnimmt. Oder vielleicht ist das Gesagte falsch, weil die Namen irre führen, da ja in der Sprache der Geist männlichen und die Tugend weiblichen Charakter hat. 102 Wenn man jedoch die verhüllenden Benennungen abstreift und die Dinge nackt und rein sehen will, so wird man erkennen, dass die Tugend ihrer Natur nach männlich ist, insofern sie bewegt, anordnet und schöne Begriffe von
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/27&oldid=- (Version vom 11.5.2019)