Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
|
(1 Mos. 12,10ff.). Da geraume Zeit Unfruchtbarkeit herrschte, teils infolge vieler und starker Regengüsse, teils infolge von Trockenheit und Stürmen, wurden die syrischen Städte von anhaltender Hungersnot bedrängt und von den Bewohnern verlassen, die sich nach verschiedenen Richtungen zerstreuten, um Nahrung zu suchen und die notwendigen Lebensmittel herbeizuschaffen. 92 Als nun Abraham erfuhr, dass hinlänglicher Ueberfluss und Erntesegen in Aegypten vorhanden sei, da hier der Fluss zu rechter Zeit die Felder mit seinen Fluten überschwemmt hatte und die Saaten auf den Feldern infolge der guten Mischung der Winde zur Blüte und zur Reife gebracht [15 M.] waren, brach er auf und führte sein ganzes Haus mit sich. 93 Er hatte aber eine Frau, die sowohl in seelischer Hinsicht ausgezeichnet als auch in körperlicher die schönste ihres Geschlechts war. Als nun die vornehmen Aegypter sie erblickten, bewunderten sie ihre Schönheit – denn den Hochgestellten entgeht nichts – und berichteten davon dem Könige. 94 Als dieser die Frau holen liess und ihr schönes Antlitz sah, nahm er wenig Rücksicht auf Sittsamkeit und auf die für Ehrung von Fremden erlassenen Gesetze; er gab seiner Zügellosigkeit nach und gedachte sie zum Schein zu ehelichen, in Wahrheit sie zu entehren. 95 Sie aber, die in dem fremden Lande bei einem zügellosen und gemütsrohen Herrscher niemand hatte, der ihr zu Hilfe kommen konnte – denn auch ihr Mann konnte ihr nicht helfen, da er die von den Mächtigeren drohende Gefahr fürchtete –, nahm zugleich mit ihm schliesslich ihre Zuflucht zur Hilfe Gottes[1]. 96 Und der Allbarmherzige und Gnädige, der Beschützer der Unterdrückten, hatte Mitleid mit den Fremdlingen und brachte unerträgliche Schmerzen und schwere Strafen über den König; er verhängte über seinen Körper und seine Seele mannigfache schwer zu heilende Leiden, so dass ihm alle wollüstigen Begierden vergingen und im Gegenteil nur Sorgen ihn beschlichen wegen der Rettung von den unendlichen Leiden, von denen er Tag und Nacht gequält wurde.
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/26&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
- ↑ Auch der Midrasch erzählt, dass Sara, als sie bei Pharao war, die ganze Nacht zu Gott betete, und dass Gott ihr Gebet erhörte. Beresch. R. c. 41 zu 1 Mos. 12,17.