Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
|
bekannt wurden, sehr gerühmt. 210 Wenn aber einmal, wie es zu geschehen pflegt, ein Streit und Zwist zwischen seinen Dienern und Begleitern mit andern ausbrach, versuchte er ihn in Ruhe zu schlichten, da er bei seinem ernsten Charakter alle Streitsucht, Unruhe und Zwietracht verabscheute und aus seiner Seele verbannt hatte. 211 Und es ist kein Wunder, dass er so gegen die Fremden war, die sich vereinigt und mit stärkerer und mächtigerer Hand gegen ihn gewehrt hätten, wenn er Streit angefangen hätte; denn auch in seinem Benehmen gegen die, die durch Abstammung mit ihm verwandt, an Gesinnung aber ihm entfremdet waren, die vereinsamt und allein standen und weit geringeren Besitz hatten, zeigte er ja das richtige Mass und zog freiwillig den kürzeren, wo er sich Vorteile verschaffen konnte. 212 Er hatte nämlich einen Bruderssohn, der mit ihm gezogen war, als er die Heimat verliess; es war ein unzuverlässiger, unentschiedener Mensch, der hin und her schwankte, bald sich einzuschmeicheln [31 M.] suchte mit freundlichen Liebkosungen, bald störrisch und widerspenstig war infolge seines ungleichmässigen Wesens. 213 Daher war auch seine Dienerschaft streitsüchtig und unruhig, da sie keinen Herrn hatte, der sie zur Besonnenheit mahnte, und am meisten seine Hirten, die von ihrem Herrn weiter entfernt waren; sich frei fühlend entzweiten sie sich aus Rechthaberei mit den Hirten der Herden des Weisen, die wegen der Sanftmut ihres Herrn in den meisten Dingen nachgaben; daher gingen jene in ihrem Unverstand und in ihrer unverschämten Frechheit weiter, indem sie ihrem Groll sich hingaben und die Unversöhnlichkeit in ihrem Herzen nährten, bis sie die von ihnen Angegriffenen zwangen, sich zur Wehr zu setzen (1 Mos. 13,7ff.). 214 Der Streit war schon sehr heftig geworden, da hörte der Weise von dem Zusammenstoss, und in der Erkenntnis, dass seine Schar an Zahl und Kraft überlegen sei, liess er den Streit nicht bis zu entscheidendem Kampfe kommen, damit sein Bruderssohn über die Niederlage seiner Leute sich nicht betrübe; er trat dazwischen und versöhnte die Streitenden mit friedlichen Worten, und zwar nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zukunft. 215 Denn da er wusste, dass Leute, die
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/49&oldid=- (Version vom 11.5.2019)