Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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von Gesetzlosigkeit und Ungerechtigkeit, die so lange geherrscht hatten. 243 Das Erzählte ist aber keineswegs eine Fabeldichtung, sondern eine ganz untrügliche Tatsache, die wir in uns selbst wahrnehmen; denn oft bewahren die Sinne den Empfindungen gegenüber den Frieden und übermitteln ihnen die sinnlichen Gegenstände, oft aber sind sie aufrührerisch und wollen nicht mehr das Gleiche leisten oder können es nicht wegen der Anwesenheit der warnenden Vernunft; sobald diese ihre volle Waffenrüstung angelegt hat, nämlich die Tugenden und ihre Lehren und Grundsätze, also eine unwiderstehliche Macht, trägt sie einen starken Sieg davon; denn Vergängliches darf mit dem Unvergänglichen nicht zusammenwohnen. 244 Die neun Mächte nämlich, die vier Affekte und die fünf Sinne, sind vergänglich und Ursachen der Vergänglichkeit; die Vernunft aber, die sich auf die Tugenden stützt und wahrhaft heilig und göttlich ist, die auch in der Zehn, der vollkommensten Zahl, ihre Stellung hat[1], begibt sich in den Kampf und besiegt alsbald die genannten Mächte kraft ihrer stärkeren göttlichen Machtfülle.
[42] 245 Einige Zeit später stirbt ihm die teure und ganz [36 M.] vortreffliche Gattin, die viele Beweise ihrer Gattenliebe gegeben hat: bei der Trennung von den Verwandten, bei der ohne Bedenken vollzogenen Auswanderung aus der Heimat, bei den fortwährenden und rasch aufeinander folgenden Wanderungen im fremden Lande, in den Entbehrungen während der Hungersnot, in der Teilnahme an seinen Kämpfen. 246 Denn immer und überall war sie dabei, an keinem Orte und zu keiner Zeit blieb sie zurück; sie nahm wirklich teil an seinem Leben und an allen Angelegenheiten seines Lebens, denn sie hielt es für ihre Pflicht, in gleicher Weise das Gute wie das Böse mit ihm zu teilen; nicht ging sie, wie es manche Frauen tun, dem Missgeschick aus dem Wege und lauerte immer nur auf die Glückszustände, sie nahm vielmehr
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/56&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
- ↑ Die Vernunft steht als zehnte Macht der Neunzahl der (fünf) Sinne und der (vier) Affekte gegenüber. Ueber die 10 als vollkommenste Zahl vgl. Ueber die Weltschöpfung § 47.