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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn

19,24)[1]. Aus welchen Gründen sie so bezeichnet wurde, ist in dem vorhergehenden Buche gesagt[2]. 14 Heilig aber und lobenswert ist auch der Hoffnungsfrohe, wie im Gegenteil der Hoffnungslose unheilig und tadelnswert ist, da in allen Dingen die Furcht seine böse Ratgeberin ist; denn nicht, sagt man, sind zwei Dinge einander so feind, wie Furcht und Hoffnung, und mit Recht; beides nämlich ist Erwartung, aber Hoffnung ist die Erwartung des Guten, Furcht dagegen die des Bösen, ihre Naturen aber sind unversöhnlich und unvereinbar.

[3] 15 Soviel genügt es über die Hoffnung zu sagen, die die Natur wie einen Torwächter an die Pforte der im Innern thronenden Tugenden gestellt hat, zu denen man nicht gelangen kann, wenn man nicht vorher jene günstig gestimmt hat. 16 Vielfach sind die Gesetzgeber, vielfach sind die überall geltenden Gesetze bestrebt, die Seelen der Freien mit guten Hoffnungen zu erfüllen. Wer aber ohne Aufmunterung und ungeheissen froher Hoffnung wird, der hat diese Tugend erlernt nach einem ungeschriebenen, aber von selbst erkennbaren Gesetze, das die Natur gegeben hat.

17 Den zweiten Rang nach der Hoffnung erhielt die Reue und Besserung nach Verfehlungen. Daher schildert er nächstdem den Mann, der von einem schlechten Leben zu einem besseren überging, und der bei den Hebräern Enoch heisst, wie die Griechen aber sagen würden, „der Wohlgefällige“[3]; von [4 M.] ihm wird gesagt: „Enoch gefiel Gott wohl und wurde nicht gefunden, weil Gott ihn versetzte“ (1 Mos. 5,24). 18 Die „Versetzung“ bedeutet nämlich eine Wendung und Veränderung; es ist aber eine Veränderung zum Besseren[4], da sie durch

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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/9&oldid=- (Version vom 9.3.2019)
  1. Die Septuaginta übersetzt קדש הלולים‎ durch ἅγιος αἰνετός Philo bezieht die von der Frucht des vierten Jahres gebrauchten Worte mit auf die Zahl vier.
  2. Vgl. Ueber die Weltschöpfung § 47ff.
  3. Diese Etymologie beweist Philos Unkenntnis des Hebräischen; er leitet nämlich חנוך‎ von חֵן‎ ab.
  4. Philo deutet Enoch wegen des Ausdrucks μετετέθη (wie die Septuaginta das hebräische Wort לקח‎ übersetzt) als Symbol der Reue über früheres unfrommes Leben. Ebenso heisst es im griechischen Text des Jesus Sirach XLIV 16: Ἐνὼχ εὐηρέστησε κυρίῳ καὶ μετετέθη ὑπόδειγμα μετανοίας ταῖς γενεαῖς WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt (Enoch gefiel Gott und wurde versetzt, ein Beispiel der Reue für die Geschlechter). Aber eine Handschrift hat διανοίας für μετανοίας und der jüngst aufgefundene hebräische Text hatאות דעת‎ (ein Beispiel der Erkenntnis). Also ist μετανοίας im Sirachtext, wie schon Z. Frankel (Einfluss d. paläst. Exegese S. 44) vermutete, spätere Korrektur (aus Philo?). Vgl. R. Smend, Die Weisheit des Jesus Sirach (Berlin 1906) S. 421. Die palästinische Haggada erklärte den Bibelvers umgekehrt dahin, dass Enoch von Gott hinweggenommen wurde, weil er in seiner Frömmigkeit schwankend war; vgl. Beresch. R. c. 25. Dieselbe Auffassung zeigt der Verfasser der Weish. Sal. IV 11: „er wurde entrückt, damit nicht Schlechtigkeit seinen Sinn änderte oder Arglist seine Seele betörte“.