Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein | |
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Oft erkennen wir, Leute, die wir vorher nicht kannten, an Verwandten und an Leuten, die irgendeine Ähnlichkeit mit ihnen haben. Können uns nicht in derselben Weise Dinge, die an sich selbst nicht leicht faßbar sind, auf Grund der Ähnlichkeit mit verwandten (Gegenständen) klar werden? Welche (Begriffe) sind also der Synchysis ähnlich? 184 Die Mengung (μῖξις), wie das alte Wort heißt, und die Mischung (κρᾶσις); „Mengung“ wird für trockene Dinge, „Mischung“ für flüssige gewählt. 185 Die Mengung ist demnach ein Nebeneinandersetzen verschiedener Körper ohne Ordnung, wenn jemand z. B. einen Haufen macht, indem er Gerste, Weizen, Kichererbsen und andere Gattungen von Getreide zusammenträgt, die Mischung aber ist kein Nebeneinandersetzen, sondern ein Ineinanderwirkenlassen[1] ungleicher Teile, die einander vollständig durchdringen, jedoch so, daß die Qualitäten noch durch künstliches Verfahren gesondert werden können, wie es mit (der Mischung von) Wein und Wasser der Fall sein soll. 186 Wenn diese Stoffe nämlich zusammenkommen, vollziehen sie eine Mischung, aber der Inhalt der Mischung erlangt um nichts weniger die einfachen Qualitäten wieder, aus denen sie entstanden sind. Denn mittels eines eingeölten Schwammes wird das Wasser angezogen und der Wein bleibt zurück; da der Schwamm vom Wasser herrührt, zieht er vielleicht deshalb aus der Mischung das Verwandte, das Wasser an sich, das Fremde aber, der Wein, bleibt zurück. 187 Die Synchysis (Zusammengießung) dagegen ist eine Auflösung der ursprünglichen Qualitäten durch Ineinanderwirken aller Teile zur Entstehung einer (von jenen) verschiedenen (Qualität), so wie es mit der Tetrapharmakos-Mixtur[2] in der Heilkunst der Fall ist. Wachs, Talg, Pech,und Harz, wie es scheint, machen zusammen diese aus. Ist sie einmal zusammengesetzt, so können die Qualitäten, aus denen sie zusammengesetzt wurde, unmöglich gesondert werden; vielmehr ist eine jede einzelne verschwunden, und die
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/050&oldid=- (Version vom 1.8.2018)