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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

15. 19). Dadurch will er uns doch wohl beides lehren, daß die Menschen sowohl das Gute, wie auch sein Gegenteil kennen und daß sie an Stelle des Schlechteren das Bessere erwählen sollen, da sie in sich selbst den Geist wie einen unbestechlichen Richter besitzen,[1] der den Vorschriften der rechten Vernunft gehorchen, denen ihres Gegensatzes aber widerstehen soll.

[11] 51 Nachdem wir hierüber zur Genüge gehandelt haben, wollen wir das Nächste betrachten. Es ist aber folgendes: „Ich werde den Menschen, den ich schuf, vertilgen vom Angesichte der Erde, vom Menschen bis zum Vieh, vom Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels, weil ich ergrimmte,[2] da[3] ich ihn schuf“ (1 Mos. 6, 7). 52 Wieder glauben einige,[4] wenn sie diese Worte hören, daß das Sein wütend und zornig werde. Es kann aber überhaupt von keinem Affekt ergriffen werden. Menschlicher Schwachheit ist es eigen, zu zürnen, Gott aber besitzt weder die unvernünftigen Leidenschaften der Seele, noch überhaupt die Teile und Glieder des Körpers. Nichtsdestoweniger werden von dem Gesetzgeber dergleichen Dinge ausgesprochen, soweit sie einführender Belehrung dienen, um nämlich denen eine Lehre zu geben, die auf andere Weise nicht zur Vernunft kommen können. 53 Unter den in den Geboten und Verboten enthaltenen Gesetzen[5] nämlich, die ja in eigentlichem Sinne Gesetze sind, werden zwei oberste Leitsätze über den Urgrund vorangestellt, der eine „daß Gott nicht wie ein Mensch“ (4 Mos. 23, 19), der andere, daß er wie ein Mensch ist. 54 Aber der erstere wird durch die sicherste Wahrheit beglaubigt, der letztere aber nur zur Belehrung der großen Menge angeführt. Deshalb heißt es auch [281 M.] mit


  1. Über den Geist als Richter in uns vgl. Über die Nachkommen Kains § 59 u. die dort in der Anm. gesammelten Stellen.
  2. Das folgende ergibt, daß Philo hier das ἐθυμώθην im Sinne von „zürnen, ergrimmen“ faßt, während er das vorausgehende ἐνεθυμήθη mit der ἔννοια zusammenstellte und als „Nachdenken“ deutete. Zu Text und Übersetzung der Schlußworte vgl. § 70ff.
  3. ὅτι kann hier daß oder sofern, da, weil bedeuten.
  4. Vgl. § 21. Gemeint sind nicht, wie Geffcken (Die altchristliche Apologetik, N. J. VIII 1905. 633) annimmt, heidnische Angreifer der jüdischen Schriften, sondern Leute aus dem jüdischen Volke selbst; vgl. auch M. Pohlenz, Vom Zorne Gottes 8.
  5. Νόμος hat eine viel weitere Bedeutung als unser Gesetz; es heißt auch Sitte, Regel usw.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/13&oldid=- (Version vom 5.2.2022)