Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/17

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

verwandte (Eigenschaften) zu verbinden: Furcht und Liebe; denn, wie ich sehe, beziehen sich sämtliche durch die Gesetze für die Frömmigkeit gegebenen Gebote entweder auf das Lieben oder auf das Fürchten des Seienden. Denen nun, die bei dem Sein weder an einen Körperteil, noch an einen Affekt eines Menschen denken, sondern es dem Gottesbegriff entsprechend nur an sich selbst verehren, ist das Lieben am angemessensten, den andern aber das Fürchten.

[15] 70 Das ist es also, was der Untersuchung in geeigneter Weise voranzustellen war. Wir müssen aber an die ursprüngliche Aufgabe herangehen, nämlich die Frage, nach dem Sinn der Worte: „ich ergrimmte, da ich sie[1] schuf“. Er will wohl etwa das sagen, daß die einen durch den Zorn Gottes schlecht geworden sind, die andern aber gut durch die Gnade. Denn auch weiter unten sagt er: „Noah aber fand Gnade“ (1 Mos. 6, 8). 71 Denn Zorn, ein in eigentlichem Sinne (nur) Menschen zuzuschreibender Affekt, wird aber ganz richtig[2] in übertragenem Sinne von dem Seienden ausgesagt zur Erklärung einer sehr notwendigen Sache, (nämlich der,) daß alles, was wir aus Zorn oder Furcht oder Trauer oder Freude[3] oder in einem andern Affekte tun, offensichtlich des Vorwurfs und Tadels wert ist, was aber in rechter Einsicht der Vernunft und Erkenntnis (geschieht), lobenswürdig ist. 72 Man sieht, welche große Vorsicht er auch auf den Ausdruck verwendet, wenn er sagt, „daß er, weil er ergrimmte, sie schuf“, aber nicht umgekehrt: weil er sie schuf, ergrimmte er.[4] Denn letzteres wäre ein Akt der Reue, welchen die alles voraussehende Natur Gottes nicht zuläßt, jenes aber die (Redeweise) des


  1. Philo zitiert den Bibelvers hier und Quaest. in Gen. I § 95 richtig; § 51 ist αὐτόν statt αὐτούς vielleicht nur Textfehler.
  2. Εὐθυβόλως ist wohl nicht mit Wendland (Rh. Mus. 1897, 481) als pleonastischer Zusatz zu κυριολογούμενον zu fassen, übrigens bemerkt Philo nicht oder läßt doch nicht merken, daß mit § 71 eine neue der vorigen widersprechende Deutung beginnt; wesentlich klarer ist seine Darstellung Quaest. in Gen. I 95, auch bezüglich der (von Mangey nicht richtig verstandenen) Auffassung des doppelten ὅτι.
  3. Die vier stoischen Affekte (vgl. Arnim, Stoic. vet. frg. I 211), nur daß an erster Stelle statt der ἐπιθυμία die ὀργή eingesetzt ist.
  4. Philo benutzt den Doppelsinn des griechischen ὅτι, das sowohl daß wie auch weil bedeuten kann, und will in den Sätzen: ὅτι ἐθυμώθην, ὅτι ἐποίησα αὐτούς das erste ὅτι als „weil“ und das zweite als „daß“ verstanden wissen. Genau so verfährt er All. Erkl. II § 78 mit dem doppelten ὅτι 4 Mos. 21, 7.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/17&oldid=- (Version vom 6.2.2022)