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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

Farbe“, im Gegensatz zum Wahrscheinlichen und Gewöhnlichen; denn alle Menschen halten das Kranke für das Verderben des Gesunden und das Tote für das des Lebendigen, nicht umgekehrt das Gesunde und Lebendige für das (Verderben) des Gegenteils, sondern für das Genesung Bringende. 125 Wie aber der Gesetzgeber in seiner Weisheit durchaus originell ist, so brachte er auch dies als eigene Lehre vor, daß das Gesunde und Lebendige schuld daran sei, daß man sich von Befleckungen nicht rein erhalte; denn die an der Seele tatsächlich erscheinende gesunde und lebensvolle Farbe wird der Überführer. 126 Wenn dieser erscheint, stellt er eine Liste aller ihrer Sünden auf und hört kaum auf, sie zu schmähen, zu beschämen und zu schelten. Sie aber wird überführt und erkennt jedes Einzelne, was sie gegen die rechte Vernunft tat, und dann empfindet sie sich selbst als töricht, zuchtlos, ungerecht und voller Befleckungen. [27] 127 Deshalb schreibt er auch ein ganz sonderbares Gesetz, in dem er sagt, daß der teilweise Aussätzige unrein, der ganz und gar von den Fußspitzen bis zum Scheitel vom Aussatz Befallene aber rein sei (3 Mos. 13, 11–13),[1] obgleich man doch leicht auf das Gegenteil, das anzunehmen wohlverständlich wäre, geschlossen hätte, daß (nämlich) der über irgendeinen kleinen Teil des Körpers ausgedehnte Aussatz weniger, der aber so weit, daß er ihn gänzlich bedeckt, ausgebreitete mehr unrein sei. 128 Er aber bekundet, wie mir scheint, durch diese symbolischen Ausdrücke jene durchaus richtige Tatsache, daß die unfreiwilligen Vergehen, mögen sie auch noch so ausgedehnt sein, keinen Vorwurf verdienen und rein sind, da sie im Gewissen keinen gestrengen Ankläger haben, daß aber die mit Absicht begangenen, selbst wenn sie nicht sehr weit ausgebreitet sind, geprüft von dem Richter in der Seele,[2] für unheilig, befleckt und unrein [292 M.] erachtet


  1. Nach dem hebräischen Text heißt die Stelle: Wenn sich eine aussätzige Stelle an einem Menschen zeigt, so soll man ihn zum Priester bringen. Und wenn der Priester wahrnimmt, daß sich ein weißer Grind auf der Haut befindet, an welchem die Haare weiß geworden sind, und daß wildes Fleisch in dem Grinde wuchert, so erweist sich [das Übel] an seiner Haut als ein veralteter Aussatz, und der Priester erkläre ihn für unrein, ohne ihn [erst] abzusperren, denn er ist unrein. Wenn aber der Aussatz durchweg auf der Haut ausbricht, so daß der Aussatz die ganze Haut des Betroffenen vom Kopf bis zu den Füßen bedeckt, wohin auch nur der Priester blicken mag, und der Priester wahrnimmt, daß der Aussatz den ganzen Leib bedeckt, so erkläre er den Betroffenen für rein: er ist ganz und gar weiß geworden und ist somit rein. – Zur allegorischen Auslegung Philos vgl. Über Noahs Pflanzung § 110f.
  2. Siehe oben Anm. zu § 50.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/29&oldid=- (Version vom 22.2.2022)