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Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang

Güter – zu sprechen: „gleich werde ich durch deine Erde ziehen“. Was für ein außerordentliches und großartiges Unterfangen! 149 Ihr könntet, sagt es mir, über alle scheinbaren und als solche geltenden Güter der Erde hinwegschreiten, daran vorüberziehen und vorbeilaufen? Und keinerlei Widerstand wird euer Vorwärtsstreben aufhalten und zum Stehen bringen? 150 Werdet ihr vielmehr von den Schatzkammern des Reichtums, die ihr alle miteinander gefüllt erblickt, euch abwenden und den Blick ablenken, über die Ehrungen der Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits aber und die von der Menge gepriesenen Adelstitel euch hinwegsetzen? Und den Ruhm, für den die Menschen alles hingeben, werdet ihr hinter euch lassen wie etwas, das gar keiner Beachtung wert ist? Wie ferner? Werdet ihr vorübergehen an Gesundheit des Körpers, Schärfe der Sinne, erstrebenswerter Schönheit, unbezwingbarer Kraft und allem anderen, wodurch das Haus oder die Totenkammer der Seele, oder wie man es sonst nennen mag, geschmückt wird, so daß ihr nichts davon unter die Gattung der Güter zählt? 151 Das sind die großen Wagnisse einer olympischen und himmlischen Seele, die den irdischen Raum verlassen hat, sich aufschwang und unter den göttlichen Wesen weilt; denn da sie erfüllt ist von der Scham der echten und unvergänglichen Güter, hat sie sich natürlich von den zeitlichen und unechten losgelöst. [33] 152 Was hat es nun aber für Zweck, an allen irdischen Gütern der Sterblichen vorüberzugehen, aber nicht mit rechter Vernunft vorüberzugehen, sondern, wie es einige tun, aus Saumseligkeit oder Leichtsinn oder aus Unkenntnis derselben? Denn nicht alle stehen überall in Ehre, sondern die einen schätzen dies, die andern jenes. 153 Deshalb fügt er, um zu lehren, daß sie in richtigem Gebrauche der Vernunft zu Verächtern der genannten (Güter) geworden seien, dem „ich werde vorüberziehen“ die Worte hinzu: „durch deine Erde“. Denn das war das Wichtigste, daß sie, die sich inmitten aller unendlichen Vorräte der scheinbaren Güter befanden, sich von keinem der ausgestellten Netze fangen ließen, vielmehr imstande waren, dem Feuer gleich in einem einzigen Ansturm die mannigfachen und andauernden Einflüsse zu durchbrechen.[1] 154 Durch diese, sagen sie, „würden sie vorüberziehen“, nicht aber auch durch „die Äcker und Weinberge“; denn das wäre


  1. Philo urgiert die Härte des Ausdrucks: sie zogen durch die Erde vorbei, nicht durch sie hindurch oder an ihr vorbei.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/34&oldid=- (Version vom 23.2.2022)