Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang | |
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Kriege dir entgegenziehen.“ 167 Aber ohne uns um eine seiner Entgegnungen zu kümmern, wollen wir antworten, daß „wir über das Gebirge ziehen werden“, das heißt, daß wir, gewohnt unter hohen und erhabenen Kräften zu weilen und alles begrifflich[1] zu analysieren, indem wir den jeweiligen Sinn eines jeden erforschen, wodurch sein Wesen erkannt wird, alles Äußerliche und Körperliche verachten; denn das ist niedrig und gar sehr am Boden klebend, dir wohl lieb, uns selbst aber verhaßt, weshalb wir nichts davon berühren wollen. 168 Denn wenn wir das, wie man so sagt, auch nur mit der äußersten Fingerspitze anrühren, werden wir dir Geschenk und „Ehre geben“; denn du wirst dich brüsten und verkünden, daß auch wir, die Tugendsamen, von den Verlockungen der Lust verführt wurden. [36] 169 „Denn wenn wir und unser Vieh“, heißt es, „von deinem Wasser trinken, werden wir dir eine Ehre geben“, nicht den bei den Dichtern sogenannten Sold,[2] Silber, Gold oder anderes, was Käufer und Verkäufer gegeneinander einzutauschen pflegen, sondern Ehre empfängst du jetzt als Geschenk. 170 Tatsächlich nämlich freut sich jeder Zuchtlose, Ungerechte und Feige, lacht und glaubt [298 M.] Ehre zu genießen, wenn er einen der sittenstrengeren Menschen die Anstrengung fliehen, von Gewinnsucht beherrscht oder sich einer Verlockung der Lust geneigt sieht; und er beginnt vor der großen Menge übermütig gestikulierend über seine eigenen Laster philosophische Reden zu halten, als ob es gar notwendige und nützliche Dinge wären, indem er sich darauf beruft, daß, wenn es nicht so wäre, ein Ehrenmann wie Ν. N. nicht nach solchen (Grundsätzen) gehandelt hätte. 171 Wir wollen nun jedem Bösewicht sagen: Wenn wir von deinem Wasser trinken, (d. h.) wenn wir mit irgendeiner von deinen unüberlegten Neigungen in Berührung kommen würden, so würden wir dir statt Schande und Unehre – denn deren bist du wert – Ehre und Beifall einbringen; denn gewiß ist auch „die Sache“, um die du dich bemüht hast, „keiner Beachtung wert“, überhaupt ein Nichts.[3] 172 Oder glaubst du, daß eins der irdischen Dinge in Wahrheit sei und existiere, nicht aber vielmehr, daß sie wie auf einer Schaukel trügerischer und
- ↑ Philo verwertet (was Mangey übersieht) in einer nicht wiederzugebenden Weise den Anklang von ὄρος Berg an ὅρος Begriff.
- ↑ ὦνος, von Dichtern gebraucht, z.B. Il. 21, 41. Od. 14, 297. Theocr. 1, 58 u.ö.
- ↑ Philo greift auf das Bibelwort (s. zu § 145) zurück und faßt πράγμα, das wir mit Sache wiedergeben, im Sinne von Einrichtung, Staatswesen, was sprachlich möglich ist.
Philon: Über die Unveränderlichkeit Gottes (Quod Deus sit immutabilis) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloDeusGermanLeisegang.djvu/37&oldid=- (Version vom 26.2.2022)