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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

und ausrotten muß. 29 Es war demnach ganz gerecht, daß der Ungehorsame, Zanksüchtige, der unbewiesene Reden wie eine Art von Picknickbeitrag zur Herabsetzung des Schönen hergibt, der vor Wein glüht, in seiner Trunkenheit gegen die Tugend losgeht und in seinem Rausche absonderliche Vergehen gegen sie begeht, diejenigen als Ankläger erhält, die sonst für andere die Bundesgenossen sind, Vater und Mutter, und daß er dafür völligen Untergang erlangt zur Warnung und Besserung aller noch nicht rettungslos Verlorenen.[1] 30 Die Nennung des Vaters und der Mutter ist zwar gemeinsam,[2] verschieden aber ihre Bedeutung. So werden wir zum Beispiel den Meister,[3] welcher unser Weltall geschaffen hat, mit Recht zugleich auch als Vater[4] des Erschaffenen


  1. Die Überlieferung des Textes ist gegen die von Wendland vorgeschlagene Änderung in den Wiener Studien XLIII S. 93f. verteidigt und von mir ebda. 94, 1 interpretiert worden. – Strafen zu dem gleichen Zwecke finden wir bei Philo öfter; z. B. Über Belohnungen und Strafen § 133: πρὸς νουθεσίαν τῶν δυναμένων σωφρονίζεσθαι.. Darin berührt er sich mit der von der Stoa gelehrten Ansicht über den Zweck der Bestrafung Schlechter durch die Gottheit: ταῦτά φησι τοὺς θεοὺς ποιεῖν, ὅπως τῶν πονηρῶν κολαζομένων οἱ λοιποὶ παραδείγμασι τούτοις χρώμενοι ἧττον ἐπιχειρῶσι τοιοῦτόν τι ποιεῖν (StVF II 1175). Über Gottes Güte als das Motiv dieses Zweckes äußert sich Philo De providentia I 54: monitionis enim causa ita disponit providentia, nolens penitus delere genus humanum, ac terrorem praebet...
  2. Wie Philo Über die Einzelges. II § 232 ausführt, erfordert die Schwere der Strafe, daß sie nicht von Vater oder Mutter allein, sondern von beiden gemeinsam verhängt werde; vgl. die Anm.
  3. Die Bezeichnung δημιουργός für den Weltschöpfer hat Philo aus dem platonischen Timaeus entlehnt; bei ihm bedeutet freilich der Begriff etwas anderes als bei Plato.
  4. Schon von Homer an ist den Griechen die Auffassung des obersten Gottes als des Vaters der Götter und Menschen geläufig. Der Vergleich der Gottheit mit einem Vater ist nach Aristoteles auch bei Philosophen gebräuchlich, die „wohl dank der weiteren Ausbildung der teleologischen Naturbetrachtung und der Anlehnung an Plato ... und Aristoteles die ethische Fassung des Gottesbegriffes und die Idee eines persönlichen Gottes mehr hervortreten lassen“. Wendland, Philos Schrift ü. d. Vorsehung S. 51, 2. – Warum Philo Gott den Vater des Alls nennt, gibt er selbst Über d. Cherub. § 49 an: τῶν συμπάντων πατὴρ ἅτε γεγεννηκὼς αὐτά; dem entspricht Über d. Trunkenh. § 30 πατέρα εἶναι τοῦ γεγονότος, De mut. nom. § 29 und Über d. Unveränderl. § 30. Die gleiche Anschauung wie Philo vertritt Plutarch in den Quaest. Platon. (1001 B) im 2. ζήτημα: ὁ θεὸς … εἰκότως ἅμα πατήρ τε τοῦ κόσμου … καὶ ποιητὴς ἐπονομάζεται; vgl. Philo, Leben Mosis II 48 und die bei Bréhier² S. 74, 3 angemerkten Stellen. Philos Vorstellungen über den Weltschöpfer laufen denen des Neupythagoreismus parallel, der hier auf Platos Timaeus zurückgreift.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/017&oldid=- (Version vom 8.6.2018)