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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

freiwilligen mühevollen Aneignung der Tugend mancher Belohnungen und Geschenke gewürdigt wurden, wie Issachar;[1] solche, die sich von chaldäischer Spekulation über Himmelserscheinungen zur Betrachtung des Ungewordenen bekehrt haben, wie Abraham;[2] solche, die auf Grund eigenen Hörens und Lernens die Tugend erwerben, wie Isaak;[3] solche, die von Entschlossenheit und Kraft (des Willens) erfüllt und Gott lieb sind, wie den Vollkommenen, Moses. [24] 95 Mit Fug und Recht verurteilt darum (die heilige Schrift) zum Tode durch die Steinigung den Unfolgsamen, Widerspenstigen und sich an Sammlungen Beteiligenden,[4] das heißt denjenigen, der Fehler zu Fehlern sammelt und aneinander knüpft, große an kleine, neue an alte, freiwillige an unfreiwillige,[5] und der vor Weingenuß gleichsam brennt[6] und in einem unaufhörlichen und unaufhaltsamen Rausche sein ganzes Leben versäuft und in der Trunkenheit deshalb Fehler begeht, weil er den starken und reichlichen Trunk der Unvernunft in langen Zügen geschlürft hat; denn er hat die Gebote der rechten Vernunft, des Vaters, und die herkömmlichen Anweisungen der Zucht, der Mutter, aufgehoben und obwohl er an seinen von den Eltern belobten Geschwistern ein Vorbild edler und guter Gesinnung hatte, nahm er sich deren Tugend nicht zum Muster, nein, im Gegenteil, er glaubte, er müsse sie wie zum Hohne noch mit Füßen treten; und so machte er denn aus seinem Leib einen Gott, machte einen Gott aus dem hauptsächlich bei den Ägyptern verehrten Dünkel, dessen Sinnbild die Errichtung des goldenen Stieres [372 M.] ist‚[7] um welchen die Wahnwitzigen Reigentänze


  1. Über Issachar, dessen Namen öfter mit dem Judas zusammen erklärt wird, vgl. Ü. d. Pflanzung 134 und Anm., und Alleg. Erkl. I 80 und Anm.
  2. Über Abrahams Bekehrung und Namensänderung s. Ü. d. Riesen 62 (Ü. Abraham 82).
  3. Über Isaak vgl. Leisegangs Index nominum (Philonis opera VII p. 13a).
  4. Philo versteht hier den Ausdruck συμβολοκοπῶν (= die auf Beiträgen beruhenden Symposien liebend) wohl mit Absicht falsch und deutet den ersten Teil (συμβολαί Beiträge) symbolisch.
  5. Im § 15 hat Philo unter den vier Beschuldigungen einen Gradunterschied der Art angenommen, daß jede folgende eine Steigerung der vorhergehenden ist.
  6. Vgl. Philos Etymologie οἰνοφλυγεῖν = οἴνῳ φλέγεσθαι § 27 Anm. S. 16.
  7. Gemeint ist die göttliche Verehrung des Stieres Apis, während doch die Bibel von einem Kalbe spricht, s. § 96; aber der Stier gilt dem Schriftsteller als typischer Vertreter aller ἄλογα ζῷα, deren Vergötterung den ägyptischen τῦφος erweist. Ü. d. Einzelges. I 79. Ganz ähnlich wie hier schildert Philo den Vorgang im Leben Mosis II 162ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/040&oldid=- (Version vom 21.5.2018)