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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

unerfüllt sind. 207 Auch wenn sie infolge der Menge der verschlungenen Speisen für eine kurze Zeit übersatt geworden sind und sich wie die Ringkämpfer, die ihren Körper angestrengt haben, eine Atempause gönnen, rüsten sie sich doch wieder zu denselben Kämpfen.[1] 208 Daher versöhnt sich der König des Ägypterlandes, d. h. des Körpers,[2] trotz seinem Entschlusse, seinen Mundschenk, den Diener der Trunkenheit, in Ungnade fallen zu lassen,[3] nicht lange darauf wieder mit ihm und erinnert sich nach der Darstellung der heiligen Schrift der Leidenschaft, welche die Begierden zum Ausbruch bringt, am Tage der vergänglichen Schöpfung, nicht in dem unvergänglichen Lichte des Ungewordenen.[4] Denn es heißt: „Es war der Tag der Geburt des Pharao“ (1 Mos. 40, 20), als er den Erzmundschenk aus dem Gefängnisse zur Versöhnung[5] holen ließ. 209 Denn es ist eine Eigentümlichkeit des Freundes der Sinnlichkeit,[6] das [389 M.] Gewordene und


  1. Befriedigung und Zufriedenheit sind für Philo psychische Zustände; es ist daher ein grobes Mißverständnis ungebildeter Menschen, sie physiologisch und körperlich erzielen zu wollen.
  2. Da Philo in Ägypten, dem Lande der Knechtschaft Israels, das der Sinnlichkeit unterworfene Gebiet des Körpers sieht, ist für ihn der König Ägyptens der Beherrscher des Körpers, der Geist (νοῦς); aber im Sinne des philonischen Dualismus ein solcher νοῦς, wie er nicht sein soll, ein φιλοσώματος (Ü. Abrah. § 103) und ὑπέραυχος (Ü. d. Trunkenh. § 111); ihn haben nicht die ethischen Persönlichkeiten (ἀστεῖοι), sondern die minderwertigen Toren (φαῦλοι) und deshalb ist er bald ἄθεος (All. Erkl. III § 212), bald sogar ἀντίθεος (Ü. d. Sprachenverw. § 88).
  3. 1 Mos. 40, 2; auf diesen Vers geht Philo § 210 näher ein.
  4. Der Text bietet Schwierigkeiten, die weder durch Wendlands noch durch Cohns Besserungsvorschlag behoben sind; ich möchte unter Wahrung der Überlieferung bloß φωτός in φωτί ändern. – Philo faßt hier das Wort γένεσις, das, wie im MT, in der LXX nur die Geburt bezeichnet, in der ihm geläufigen kollektiven Bedeutung alles Geschaffene, Geborene, Gewordene und stellt dazu in Gegensatz ὁ ἀγένητος, d. i. Gott. Daraus ergibt sich auch die Antithese der Begriffe: ἡμέρα, als Abschnitt des menschlichen Lebens, und φῶς ἄφθαρτον. Die Selbstüberhebung des Pharao (νοῦς) besteht dann darin, daß er einem Momente der Vergänglichkeit soviel Wichtigkeit beimißt, daß er seine Geburt feiert; und sein Fehler ist der, nicht zu wissen, nur Gott könne dem Menschen, ihn durch sein Licht begnadend, Erkenntnis verleihen (§ 209).
  5. Damit ist wohl der Sinn der Worte ἐπὶ σπονδαῖς, die sich auf 1 Mos. 40, 21 beziehen, mit Rücksicht auf καταλλαττόμενος (§ 208) getroffen (vgl. § 220).
  6. Der König Ägyptens ist der φιλήδονος τρόπος (Alleg. Erkl. III § 212), der ἔξαρχος τοῦ φιλοπαθοῦς θιάσου (Ü. d. Träume II § 277).
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/071&oldid=- (Version vom 21.5.2018)