Über die Verwirrung der Sprachen/Text

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Über die Verwirrung der Sprachen
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[101] [404 M.] [1] 1 Hierüber genügt das Gesagte.[1] Es soll nunmehr sorgfältig erörtert werden, was (der Gesetzgeber) durch die Erzählung von der Sprachenverwirrung philosophisch zum Ausdruck bringen will.[102] Denn er sagt: „Und es war die ganze Erde eine Sprache, und einerlei Rede hatten alle. Und es geschah, als sie vom Aufgang der Sonne herzogen, da fanden sie eine Ebene im Lande Senear und ließen sich daselbst nieder. Und sie sprachen einer zum anderen: Wohlan, wir wollen Ziegel machen und im Feuer sie brennen. Und es war ihnen der Ziegel zum Stein und das Erdharz zum Lehm. Und sie sprachen: Wohlan, wir wollen uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, und wollen uns einen Namen machen, bevor wir über die Fläche der ganzen Erde zerstreut werden. Da stieg der Herr herab, um zu sehen die Stadt und den Turm, den die Menschenkinder bauten. Und der Herr sprach: Siehe, ein Volk ist es und eine Sprache haben sie alle, und dies begannen sie zu tun, und nun werden sie nichts verfehlen, was zu tun sie sich aufmachen. Wohlan, wir wollen herabsteigen und daselbst ihre Sprache verwirren, damit sie nicht verstehen einer die Sprache des anderen. Und der Herr zerstreute sie von dort über die Fläche der ganzen Erde, und sie hörten auf, die Stadt und den Turm zu bauen. Darum nannte man ihren Namen Verwirrung (Babel), denn daselbst verwirrte der Herr die Sprachen der ganzen Erde, und von dort zerstreute sie der Herr über die Fläche der ganzen Erde“ (1 Mos. 11, 1–9). 2 [405 M.] [2] Diejenigen, die Unwillen gegen die väterliche Verfassung[2] bekunden und unablässig Tadel und Klage gegen die Gesetze im Munde führen, finden – die Verworfenen – in dieser Stelle, wie in anderen ähnlichen, einen Anlaß zu ihrem gottlosen Treiben, indem sie sagen: Wollt ihr noch jetzt mit Ehrfurcht von den Satzungen sprechen, als hätten sie zur Richtschuur die Wahrheit selbst? 3 Seht, die von euch als heilig bezeichneten Bücher enthalten Fabeln, über dergleichen ihr euch lustig zu machen pflegt, wenn ihr sie von anderen hört.[3] Jedoch wozu – wie im müßigen Suchen nach verleumderischen Einwänden – Fabeln sammeln, die an verschiedenen Stellen der Gesetzgebung zerstreut sind, und nicht vielmehr nur das erwähnen, was man gleich zur Hand hat?[4] 4 Eine[5] Fabel, die der (hier)[103] erzählten gleicht, ist die von den Aloaden. Von diesen erzählt der größte und gefeiertste Dichter Homer, daß sie es unternahmen, drei sehr hohe Berge zusammenzubringen und aufzuschütten, indem sie hofften, durch das Aufeinandertürmen der Berge bis in die ätherische Höhe denjenigen den Weg in den Himmel leicht zu machen, deren Absicht es war, hinaufzusteigen. Die darauf bezügliche Stelle lautet:

„Ossa zu höhn auf Olympos gedachten sie, aber auf Ossa
Pelion, rege von Wald, um hinauf in den Himmel zu steigen“.[6]

5 Olympos, Ossa und Pelion sind Namen von Bergen; der Gesetzgeber dagegen spricht statt dessen von einem Turm, der von den damaligen Menschen erbaut werden sollte, die, von Wahnsinn und zugleich von Hochmut besessen, an den Himmel rühren wollten. Welch furchtbare Verblendung! Ja, vorausgesetzt sogar, man könnte sämtliche Teile der Welt auf einer schmal angelegten Grundlage aufbauen und aufeinanderreihen in der Form einer Säule, sie würde doch noch durch unendliche Zwischenräume von der ätherischen Sphäre getrennt bleiben,[7] besonders nach der Anschauung der tiefer forschenden unter den Philosophen, die darüber einig sind, daß die Erde die Mitte des Weltalls bildet.[8] 6 [3] Es wird außerdem noch eine andere ähnliche Fabel von der Gleichsprachigkeit der Tiere von den Mythendichtern verzeichnet. Es wird nämlich erzählt, daß in der Urzeit sämtliche Land- und Wassertiere sowie die Vögel eine und dieselbe Sprache hatten, und ebenso wie die Menschen, Hellenen mit Hellenen und Barbaren mit gleichsprechenden Barbaren sich unterhalten, so verständigten sich auch sämtliche Geschöpfe bezüglich der gemeinsamen Handlungen und Erfahrungen, sodaß sie[104] zusammen im Leiden trauerten und, wenn etwas Nützliches zustieß, gemeinsam sich freuten.[9] 7 Indem sie Freude und Trauer teilten, gaben sie in der gemeinsamen Sprache ihre Lust und Unlust kund, [406 M.] woraus die Gleichmäßigkeit der Sitten und der Gefühle entstand. Endlich aber erzeugte die Fülle der zur Verfügung stehenden Güter Übersättigung, was oft der Fall ist;[10] daher ließen sie sich vom Verlangen nach dem Unerreichbaren verleiten, schickten Gesandte (an Zeus) wegen der Unsterblichkeit, forderten die Beseitigung des Alters und die ewige Blüte der Jugendzeit, indem sie darauf hinwiesen, daß unter ihnen bereits dem kriechenden Tiere, der Schlange, diese Gabe zuteil wurde, da sie das Alter ablegen und sich verjüngen kann; es wäre doch unrichtig, daß die starken Tiere hinter dem schwachen und Alle hinter Einem zurückbleiben sollten. Sie mußten aber ihre Verwegenheit gehörig büßen. 8 Denn sie wurden daraufhin sogleich verschiedensprachig, sodaß sie sich seit jener Zeit nicht mehr verständigen können infolge der Verschiedenheit der Sprachen, in die die eine gemeinsame sich auflöste. 9 [4] Er aber (der Gesetzgeber) kam der Wahrheit näher dadurch, daß er zwischen den vernunftbegabten und den vernunftlosen[11] Wesen unterschied und nur den Menschen die Gleichsprachigkeit zuschrieb.[12] Aber auch das ist ihrer Ansicht nach märchenhaft. Die Auflösung der Sprachen in viele Mundarten, welche (die Schrift) Sprachverwirrung nennt, sollte ja zur Abschaffung der Missetaten beitragen, auf daß sich die Menschen nicht mehr zum Freveln verständigen, sondern gleichsam taub gegeneinander (ein jeder für sich schaffe, nicht aber) *** in gegenseitiger Hilfeleistung dasselbe unternehmen.[13] 10 (Die Verwirrung) scheint aber nicht zu ihrem Vorteil erfolgt zu sein. Denn auch jetzt, trotzdem die Menschen nach Volksstämmen angesiedelt sind und[105] sich verschiedener Sprachen bedienen, wurde alle Welt oft von unsäglichen Lastern erfüllt. Denn nicht die Gleichheit der Sprachen, sondern die gleichartigen seelischen Neigungen zum Bösen sind die Urheber des gemeinsamen Frevels. 11 Auch diejenigen, denen man die Zunge ausgeschnitten hat, können ja durch Winke und Blicke, wie durch andere Haltungen und Bewegungen des Körpers ebenso ihren Willen bekunden, wie (andere) durch den sprachlichen Ausdruck. Dazu kommt, daß oft schon ein einzelnes Volk, das nicht nur eine gemeinsame Sprache hat, sondern auch gleiche Rechte und die gleiche Lebensweise, eine so ungeheuere Boshaftigkeit an den Tag legt, daß seine Verbrechen die der gesamten Menschheit aufwiegen könnten. 12 Viele wurden hinwiederum infolge der Unkenntnis der Sprachen von Angreifern überrascht und vernichtet, dagegen waren die Sprachkundigen imstande, die drohenden Schrecken und Gefahren abzuwenden. Daraus ergibt sich, daß die Sprachgemeinschaft eher nützlich als schädlich ist, wie ja auch bis auf den heutigen Tag die Einwohner der einzelnen Länder, besonders die Eingeborenen, durch nichts so sehr als durch die gemeinsame Sprache vor Angriffen geschützt bleiben. 13 Wenn aber jemand sich mehrere Sprachen angeeignet hat, so wird er von den dieser Sprachen Kundigen mit aller Achtung als bereits zu ihnen gehörig behandelt, da er mit dem Sprachgebrauch ein wichtiges Merkmal der Zusammengehörigkeit bietet, [407 M.] wodurch anscheinend das Sicherheitsgefühl geschaffen wird, daß man nichts Schlimmes erfahren wird. Wie kommt es also, daß (Gott) die Sprachengemeinschaft der Menschen als Ursache des Übels schwinden ließ, da sie doch vielmehr als eine sehr ersprießliche Einrichtung gefestigt werden sollte?[14] [5] 14 Die solche Vorwürfe mit Scheinkunst erheben, werden eigens[15] von denjenigen widerlegt werden, die die obenaufliegenden Erklärungen der jeweilig aufgeworfenen Fragen auf Grund des Wortlautes in schlichter Weise (zu geben pflegen); ohne hierbei Sophisterei mit Sophisterei zu erwidern, folgen sie dem geschlossenen Zusammenhang (der Erzählung), die nicht[106] straucheln läßt und, was etwa im Wege ist, leicht aufrichtet, sodaß die Erzählung keinen Anstoß erregt. 15 Wir[16] behaupten somit, daß unter den Worten „die ganze Erde war eine Sprache und einerlei Stimme“ das Zusammenstimmen sowohl der unsäglich vielen großen Verbrechen gemeint ist, die Staaten gegen Staaten, Völker gegen Völker und Länder gegen Länder begehen, als auch die Sünden der Menschen nicht nur gegen sich selbst, sondern auch gegen Gott; das sind ja die Vergehen der Massen. Ja, wir erkennen sogar bei einem Einzelnen die Unmenge der Übel, insbesondere, wenn er von jener unharmonischen, mißtönenden, musenfeindlichen „Übereinstimmung“ (der Übel) befallen ist. [6] 16 Wer kennt denn nicht die vom Zufall abhängenden Dinge:[17] wenn Armut und Ruhmlosigkeit zu körperlichen Krankheiten und Gebrechen hinzutreten, und diese hinwiederum sich gesellen zu Schwächen einer Seele, welche infolge von Melancholie, vorgerücktem Alter oder eines anderen schweren Mißgeschicks den Verstand verloren hat? 17 Denn schon der heftige Anfall eines einzigen der genannten (Übel) ist imstande, selbst einen ungemein ansehnlichen Menschen zu stürzen und zu Boden zu strecken. Wenn aber alle insgesamt, die körperlichen, die geistigen und die äußeren Übel, wie auf Befehl gleichzeitig in einem Haufen einen bestürmen, welches Elend wird hier nicht überboten? Denn sind die Trabanten gefallen, so müssen auch ihre Herren fallen. 18 Die Trabauten des Körpers sind aber Reichtum, Ruhm und Ehren, welche den Körper aufrichten, emporheben und ihm Glanz verleihen, wie im Gegenteil Verachtung, Ruhmlosigkeit und Armut Feinden gleich[107] vernichtend wirken. 19 Anderseits sind die Trabanten des Geistes das Gehör, das Gesicht, der Geruch, der Geschmack und die ganze Schar der sinnlichen Wahrnehmung, überdies Gesundheit und Ausdauer, Kraft und Stärke. Wenn der Geist in ihrer Mitte leben und weben kann, wie in aufgerichteten, stark gefestigten und wohlummauerten Gemächern, frohlockt er, da ihn nichts daran hindert, seinen freien Trieben nachzugehen; vielmehr hat er überallhin den Weg weit und breit offen. [408 M.] 20 Diesen Trabanten aber stehen, wie gesagt, jene anderen (Zustände) feindlich gegenüber: Verstümmelung der Sinnesorgane und Krankheit, wobei oft der Verstand beinahe in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese zufälligen Dinge sind zwar an und für sich äußerst schmerzlich und peinlich, im Vergleiche aber mit (den Übeln, welche von) der freien Willensbewegung (herrühren), sind sie viel leichter. [7] 21 Was man aber unter dem Chor der freiwilligen zu verstehen hat, das wollen wir der Reihe nach erwägen. Da unsere Seele aus drei Teilen besteht,[18] so sagt man, daß den einen Teil der Geist und die Vernunft, den zweiten der Mut und den dritten die Begierde zum Wohnsitz haben. Ein jeder Teil (kann) aber für sich allein leiden und alle gemeinsam untereinander. Denn der Geist erntet die Aussaat des Unverstandes, der Feigheit, der Zügellosigkeit und der Ungerechtigkeit; der Mut zeugt wütende, wahnsinnige Tollheiten und andere (Übel), die er im Schoße trägt; die Begierde aber sendet überallhin Liebestriebe aus, die immer leichtfertig sind in folge der Unbesonnenheit, und beliebigen Körpern und Dingen sich zuwenden. 22 Denn in diesem Falle (geschieht es), wie wenn auf einem Schiffe Matrosen, Schiffsreeder und Steuermänner im Wahnsinn dessen Untergang gemeinsam beschlossen haben; dann gehen nicht zuletzt auch die Verschwörer mit dem Schiffe selbst zugrunde. Denn das schwerste der Übel und beinahe das einzig unheilbare ist die Übereinstimmung[19] sämtlicher Teile der Seele zum Freveln, wenn sich wie bei einer Seuche kein einziger (Teil) gesund erhalten kann, um die Kranken zu heilen, vielmehr die Ärzte zusammen mit den Privatleuten leiden, welche die Seuche als ein gemeinsames Unheil bedrückt. 23 Dieser Krankheit (Sinnbild) ist die vom Gesetzgeber geschilderte große Sintflut. Da kommen von den Schleusen [108] des Himmels Ströme der Schlechtigkeit selbst unter gewaltigem Anprall hernieder, und aus den Quellen der „Erde“, ich meine des Leibes,[20] ergießen sich viele große Bäche[21] jeglichen Lasters, welche mit den ersten zusammenkommen, vereinigen sich, brausen durcheinander und umtosen den ganzen überfluteten Kreis der Seele mit anhaltendem Wirbel[22]. 24 Denn es heißt: „Es sah Gott, der Herr, daß sich mehrten die Laster der Menschen auf der Erde, und ein jeder in seinem Herzen[23] geflissentlich Böses sinnt alle Tage“ (1 Mos. 6, 5), da beschloß er, den Menschen, ich meine den Geist,[24] zusammen mit den Schlangen, Vögeln und der übrigen Menge der vernunftlosen, ungezähmten Tiere,[25] welche ihn umgeben, ob des Unheils, das er angestiftet hat, zu bestrafen.[26] Die Strafe aber ist die Sintflut. 25  Diese bestand nämlich in der Loslassung der Laster und dem heftigen Drang zum Freveln, wobei es keinen Widerstand gab, im Gegenteil: alle ließen sich unbekümmert hinreißen zur ergiebigen Dienstleistung für diejenigen, welche dem Genuß nur zu willig sind. Und sehr natürlich; denn nicht nur ein Teil der Seele war verdorben, also daß er durch die anderen gesunden die Genesung hätte erlangen können, sondern nichts blieb in ihr unkrankhaft und unversehrt. [409 M.] Denn es heißt ja: „Als er sah, daß ein jeder sinnt nach“, nämlich eine jede Geisteskraft[27] nicht nur eine, da verhängte der unbestechliche[109] Richter die gebührende Strafe. [8] 26 Das sind die, welche „an der Salzschlucht ein Kriegsbündnis eingegangen sind“. Denn hohl, rauh und schluchtartig ist der Ort der Laster (und) der Leidenschaften, (also) tatsächlich „salzig“ und bittere Schmerzen bringend. Indem der weise Abraham das beeidigte Bündnis dieser Menschen als keines Eides und keiner Opferspende würdig erachtet,[28] löst er es auf; denn es heißt: „diese alle verabredeten sich nach der Salzschlucht, das ist das Salzmeer„“ (1 Mos. 14, 3). 27 Oder siehst du nicht, wie die der Vernunft Beraubten und am Geiste, der (doch) scharfblickend sein sollte, Geblendeten, Sodomiten genannt,[29] von Jung bis Alt, das ganze Volk insgesamt das Haus der Seele im Kreise bestürmen, damit sie die darin zu Gast weilenden heiligen und frommen Ideen, die Behüter und Wächter (der Seele), schmähen und schänden, ohne daß sich ein einziger gefunden hätte, der sich entschlossen hätte, den Missetätern Widerstand zu leisten oder dem Frevel fern zu bleiben? 28 Denn nicht die einen ja, die anderen nicht, sondern das „ganze Volk“, heißt es, „umringte zusammen das Haus, Jung und Alt“ (1 Mos. 19, 4),[30] indem sie sich gegen die göttlichen, heiligen Ideen verschworen, die man Engel zu nennen pflegt.[31] [9] 29 Wohl aber tritt ihnen (den Missetätern) der Prophet Moses entgegen, als sie mit großer Heftigkeit heranfluten, und hält sie auf, wiewohl sie unter Anführung des kühnsten und redegewandtesten Königs, des ihnen innewohnenden Sprachvermögens, in einem Anprall herabstürmen, indem sie die eigene Kraft vermehren und wie ein Strom[110] heranbrausen. Denn es heißt: „siehe, der König von Ägypten kommt an das Wasser. Du aber stehe ihm entgegentretend am Strande des Flusses“ (2 Mos. 7, 15.)[32] 30 Der Böse begibt sich somit zum Quell der Laster und sämtlicher Leidenschaften,[33] die dem Wasser ähnlich sind; der Weise aber erwirbt sich vorerst den Preis von dem ewig stehenden Gott,[34] der seinem unbeweglichen und ewig unwandelbaren Wesen entspricht. Denn es heißt: „Du aber stelle dich neben mich selbst“ (5 Mos. 5, 31);[35] damit er den Zweifel und das Schwanken, die Beschaffenheiten einer haltlosen Seele, ablege und die feste und stete seelische Verfassung, den Glauben, annehme.[36] Daraufhin „kommt er stehend entgegen“, was ganz sonderbar ist. Denn (es heißt) „stehe entgegentretend“.[37] Das Entgegentreten erscheint ja in der Bewegung, das Stehen aber in der Ruhe. 32 In diesen Worten liegt aber kein Widerspruch, sondern es entspricht durchaus der Natur der Sache. Denn sofern die Vernunft einen Halt besitzt und unumstößlich gefestigt ist, stellt sie sich jenen allen entgegen, die am Wanken und Schwanken Freude haben und durch künstlich hervorgerufenen Sturm denjenigen zu erregen suchen, der die Ruhe zu bewahren vermag. [10] 33 Jedoch sehr richtig heißt es, daß [410 M.] das Entgegentreten am Rande des Flusses stattfindet. Denn der Rand[38] ist die Außengrenze des Mundes und sozusagen ein Zaun der[111] Zunge,[39] durch den der Fluß der Rede strömt, wenn sie hervorzukommen beginnt. 34 Die Rede aber gebrauchen einerseits solche, die die Tugend hassen und die Affekte lieben, um schändliche Ansichten vorzutragen, sowie andererseits die Guten, um diese zu bekämpfen und die besseren und wahrhaft guten (Ansichten) unanfechtbar zu bekräftigen. 35 Als sie aber, nachdem sie sämtliche Segel der Streitlehren aufgesetzt haben, von der Redeflut der Gegner gestürzt zugrunde gegangen sind, stellt der Weise den allerheiligsten Chor auf und stimmt nach Recht und Gebühr das Siegeslied wohltönend an. 36 „Es sah“ – heißt es nämlich – „Israel die Ägypter“ nicht anderswo „tot“ als „am Strande des Flusses“ (2 Mos. 14, 30),[40] Als den Tod bezeichnet (der Gesetzgeber) nicht die Trennung des Körpers von der Seele, sondern den Untergang der gottlosen Lehrmeinungen und Worte, die sie (die Ägypter) gebrauchten mittels des Mundes, der Zunge wie der anderen Sprachorgane. 37 Der Untergang des Wortes aber ist das Schweigen, nicht jenes, das die Anständigen als Zeichen der sittlichen Scheu bewahren – denn auch das ist eine der Beredsamkeit verwandte Fähigkeit, das, was gesagt werden soll für den geeigneten Augenblick aufzuheben –, sondern das (Schweigen), welches die schlaff und matt gewordenen infolge der Wucht der Gegner unwillig bewahren, da sie keinen Stützpunkt mehr finden. 38 Denn was sie anfassen, zerfließt, und an was sie herantreten, das bleibt nicht auf derselben Stelle, sodaß sie fallen müssen, bevor sie Boden gefaßt haben, so wie es sich mit der Helix, der Wassermaschine, verhält.[41] Denn ganz in der Mitte sind Stufen vorhanden; wenn sie der Feldarbeiter besteigt, wenn er den Boden bewässern will, muß er herumgleiten. Damit er aber nicht zu oft falle, umfaßt er mit den Händen einen nahe angebrachten festen Gegenstand; indem er den festhält, läßt er den ganzen Körper herabhängen, (sodaß er) die Hände statt der Füße und die Füße statt der Hände gebraucht. Denn er hält sich auf den Händen, durch welche (sonst) die Arbeit zustande kommt, und arbeitet mit den Füßen, auf denen man naturgemäß steht. [11] 39 Viele dagegen, die es nicht vermochten, durch[112] Gewalt (der Rede) die scheinbar glaublichen Spitzfindigkeiten der Sophisten zu widerlegen, da sie infolge der ständigen praktischen Beschäftigung im Sprechen nicht sehr geschult sind, suchten Zuflucht im Bunde mit dem einzig Weisen und flehten ihn um Beistand an. So wie es einer der Freunde des Moses[42] in den Hymnen betend aussprach: „Es mögen verstummen die trügerischen Lippen“ (Psalm 30, 19). 40 Wie sollen sie aber innehalten, wenn sie nicht von dem, dem allein selbst das Wort unterliegt, gezügelt werden? Die Zusammenkünfte, die die Sünde zum Zweck haben, muß man demnach fliehen, ohne sich umzusehen, dagegen das Bündnis mit den Freunden der Einsicht und [411 M.] der Erkenntnis befestigen. 41 Aus diesem Grunde bewundere ich auch die, welche sagen „alle sind wir die Söhne eines Menschen, wir sind friedliebend“ (1 Mos. 42, 11) wegen ihrer vollkommenen Übereinstimmung.[43] Denn wie solltet ihr nicht – möchte ich sagen –, ihr Vortrefflichen, den Krieg verabscheuen und den Frieden lieben, die ihr einen und denselben Vater anerkennt, nicht den sterblichen, sondern den unsterblichen, den Menschen Gottes,[44] der als die Vernunft des Ewigen notwendig auch selbst unvergänglich ist? 42 Denn diejenigen, welche viele Prinzipien für die Erschaffung des Geistes aufstellen und sich dem sog. polytheistischen Laster ausliefern, indem sie sich zur Ehrung verschiedener Götter hergeben, pflegen Wirren und Fehden unter Bürgern wie unter Fremden zu stiften und füllen so das ganze Leben von der Geburt bis an das Ende mit unversöhnlichen Kriegen aus. 43 Die aber einheitlicher Abstammung sich erfreuen, einen Vater, die rechte Vernunft[45], ehren und den harmonischen, wohlgestimmten Chor der Tugenden bewundern,[46] führen ein heiteres und ruhiges Leben, freilich kein müßiges und unedles, wie manche meinen,[47] sondern ein durchaus manneswürdiges[113] und sehr strenges gegen die, welche die Auflösung der Bündnisse anstreben und unabläßlich die beeidigten Verträge zu verletzen pflegen. Es ist nämlich so, daß die Friedfertigen von Natur in feindlicher Stellung verharren[48] zu denen, die das Gleichgewicht der Seele erschüttern. [12] 44 Für meine Ansicht zeugt erstens die so beschaffene Gesinnung eines jeden Tugendfreundes, zweitens auch der Führer des prophetischen Chors,[49] der in göttlicher Begeisterung ausrief „O Mutter, wie stark hast du mich geboren,[50] einen Menschen des Kampfes und einen Menschen des Grolles wider die ganze Erde! Weder war ich (ihnen) etwas schuldig, noch waren sie mir schuldig, und nicht versagte meine Kraft ob ihrer Flüche“ (Jer. 15, 10).[51] 45 Oder ist nicht jeder Weise ein unversöhnlicher Feind aller Schlechten, der freilich zum Verteidigungskampf weder Dreiruderer noch Kriegsmaschinen noch Waffen noch ein aufgebotenes Heer gebraucht, sondern Vernunftgründe? 46 Denn wer inmitten des Burgfriedens[52] den dauernden ununterbrochenen Kampf aller Menschen gegeneinander sieht, den persönlichen wie den politischen, der nicht nur zwischen Völkern, Ländern, Städten und Dörfern, sondern auch zwischen einzelnen Häusern und einzelnen Menschen geführt wird, würde er denn hier nicht Tag und Nacht mahnen, schelten, zurechtweisen, zur Besinnung rufen,[53] da seine Seele infolge des natürlichen Hasses wider das Böse keine Ruhe finden kann? 47 Denn alle Kriegstaten geschehen im Frieden: man plündert, raubt, entführt in die Gefangenschaft, macht Beute, [412 M.] zerstört, mißhandelt, verstümmelt, schändet, schneidet die Ehre ab,[114] mordet meuchlerisch, tötet öffentlich, wenn man stärker ist. 48 Da nämlich jeder von ihnen sich Reichtum oder Ruhm zum Ziele gesetzt hat und sämtliche Handlungen im Leben wie Geschosse auf dies Ziel richtet, mißachtet er die Gleichheit,[54] strebt nach Ungleichheit, lehnt die Gemeinschaft[55] ab, sucht allein das ganze Gut aller zu besitzen, ist ein Menschenhasser und menschenverhaßt, heuchelt Wohlwollen, ist Freund der falschen Schmeichelei, Gegner der aufrichtigen Freundschaft, Feind der Wahrheit, Verfechter der Lüge, saumselig zu helfen, rasch zu schaden, geneigt zu verleumden, zaudernd Beistand zu leisten, tüchtig zu betrügen, meineidig, treulos, Sklave des Zornes, der Lust erliegend, Beschützer der Laster, Verderber der Tugend. [13] 49 Das und ähnlicher Art sind des gepriesenen und bewunderten Friedens vielersehnte Güter, deren Bild die Seele eines jeden Vernunftlosen in sich trägt, verehrt und anbetet. Über sie gerät auch billigerweise ein jeder Weise in Aufregung, und er pflegt seiner Mutter und Pflegerin,[56] der Wahrheit, zuzurufen: „O Mutter, wie stark hast du mich geboren“, nicht bezüglich der körperlichen Stärke, sondern der Zähigkeit im Hasse wider das Böse. „Einen Menschen des Grolles und des Streites“, der zwar von Natur friedfertig ist, aber eben infolgedessen solchen feindlich gesinnt ist, die die vielbegehrte Schönheit des Friedens beschmutzen. 50  „Weder war ich (ihnen) etwas schuldig, noch waren sie mir schuldig“, denn weder machten sie irgendwann Gebrauch von meinen Gütern, noch ich von ihren Lastern, sondern (es geschah) nach der Schrift Moses „ich nahm nichts von jemand unter ihnen Begehrtes“ (4 Mos. 16, 15):[57] die[58] sämtliche Gegenstände der Begierde[59] – das denkbar Schädlichste – als höchst nützliche Dinge bei sich aufspeicherten. 51 „Und nicht versagte meine Kraft ob der Flüche, die sie gegen mich schleuderten“: mit aller Kraft an[115] den göttlichen Lehren festhaltend, wurde ich nicht müde, wenn ich auch beleidigt wurde,[60] sondern schalt gewaltig diejenigen unter ihnen, die mir fluchten.[61] 52 „Denn es setzte uns Gott in den Streit mit unseren Nachbarn“, wie es auch irgendwo in den Lobgesängen gesagt ist (Psalm 80, 7), uns alle, die nach rechter Einsicht Verlangen tragen. Oder sind sie nicht von Natur Streiter, die unabläßlich nach Wissen und Tugend eifrig streben, da sie sich doch den Nachbarn der Seele entschieden widersetzen, indem sie die Lüste rügen, mit denen sie unter einem Dache wohnen, rügen die Begierden, die Feigheit und die Furchtsamkeit, mit denen sie zusammen leben, beschämen die Schar der Leidenschaften und Laster, ja, sogar die ganze Sinnlichkeit rügen, die Augen wegen des Gesehenen, das Gehör wegen des Gehörten, den Geruch der Düfte wegen und den Geschmack wegen der Säfte, sowie den Tastsinn infolge jener körperlichen Kräfte, die die Akzidenzen hervorrufen,[62] und allerdings den ausgesprochenen Gedanken (das Wort) um dessentwillen, was er gründlich dargetan zu haben [413 M.] schien? 53 Denn recht ist es, sorgfältig zu forschen, was, wie und wodurch die Wahrnehmung wahrnahm, das Wort erklärte und der Affekt einwirkte, und alles Unrichtige aufzudecken. 54 Wer aber keinem von ihnen widersprechen will und allen insgesamt beipflichtet, der merkt es nicht, daß er sich selbst betrügt, und daß er mächtige Nachbarn gegen seine Seele sich verschanzen läßt, die zu Untergebenen zu haben besser ist als zu Vorgesetzten. Denn als Führer werden sie viele große Übel verursachen wegen der bei ihnen herrschenden Unvernunft, dagegen als Untergeordnete gehorsam das Notwendige leisten und nicht mehr das Joch abzuschütteln suchen. 55 Wenn so die einen gelernt haben zu gehorchen, und die anderen die Herrschaft führen nicht nur mit Einsicht, sondern auch mit Kraft, werden sämtliche Trabanten und Vorkämpfer der Seele, die Gedanken, übereinstimmen[63] und vor den Ältesten unter ihnen[64] tretend sagen: „Deine[116] Knechte haben die Gesamtzahl der Kriegsleute, die mit uns zusammen sind, aufgenommen; keiner von ihnen war anders gestimmt“ (4 Mos. 31, 49),[65] sondern wie die musikalischen Instrumente, deren sämtliche Töne höchlich übereinstimmen, so stimmten wir in allen Lehren überein, sprachen weder ein mißtönendes, verletzendes Wort, noch verübten wir ein solches Werk, sodaß wir den anderen Chor, den der Musenfeinde, als ganz mißklingend und leblos bloßstellten,[66] verhöhnten[67] sowohl die Pflegerin der körperlichen Dinge Madiam[68] und ihren Sprößling, die hautartige Bürde, Belphegor genannt, [69]der in Schlaf versenkt ist.[70] 56 Denn wir sind das Geschlecht „der Auserwählten“, des gottschauenden[71] „Israel“, von denen keiner anders gestimmt war (2 Mos. 24, 11),[72] damit die Lyra[73] des Alls, die ganze Welt, in Harmonie wohlklingend gestimmt sei. 57 Deshalb sagt auch Moses, daß der sehr kriegerischen Rede, Phineas genannt,[74] zum Preis der Friede gegeben wird, weil er in dem Eifer für die Tugend den Kampf gegen das Böse aufnahm und ihre ganze Brut ausrottete[75] ***,[76] sodann[117] solchen, die geneigt sind denjenigen Glauben zu schenken, die auslugend und betrachtend, da sie sich auf das zuverlässigere Zeugnis des Auges lieber verlassen als auf das Ohr, den Glauben zu vertreten gesonnen sind, daß alles Sterbliche voller Unsicherheit und nur vom Scheine abhängig ist.[77] 58 Bewundernswert ist somit die genannte Übereinstimmung, aber die größte Bewunderung verdient und jede Harmonie übertrifft jene Alle umfassende, in welcher nach dem Bericht (der Schrift) „das ganze Volk einmütig“ spricht: „alles was Gott gesagt hat werden wir tun und hören“.[78] 59 Diese gehorchen nämlich nicht mehr dem leitenden Logos[79] sondern Gott, dem Lenker des Alls, und kommen daher[80] eher zu den [414 M.] Taten als zu den Worten. Denn während andere tun, nachdem sie gehört haben, sagen diese, was ganz sonderbar ist, in göttlicher Eingebung, daß sie zuerst tun werden und danach hören; damit es ersichtlich werde, daß sie nicht durch Unterricht und Anleitung, sondern von selbst und aus eigenem Antrieb an die schönen Werke herantreten.[81] Aber sie sagen, daß sie[118] nach der Tat hören werden, damit sie das Getane beurteilen, ob es mit den göttlichen Gedanken und den heiligen Lehren übereinstimmt.

[14] 60 Von denen, die sich zu Freveltaten verschworen haben, heißt es: „sie zogen vom Aufgange (der Sonne) her und fanden eine Ebene im Lande Senaar und ließen sich daselbst nieder“ (1 Mos. 11, 2), ganz der physischen Methode entsprechend.[82] Es gibt nämlich eine doppelte Art von seelischem Aufgehen,[83] eine bessere und eine schlechtere; eine bessere, wenn das Licht der Tugenden wie die Strahlen der Sonne hervorbricht, – eine schlechtere, wenn diese verdunkelt werden, die Untugenden aber zum Vorschein kommen. 61 Ein Beispiel für das erstere ist folgendes: „Und es pflanzte Gott einen Garten in Eden nach dem Aufgang (der Sonne) zu“ (1 Mos. 2, 8),[84] nicht (einen Garten) irdischer Pflanzen, sondern himmlischer Tugenden, die der Pflanzer[85] aus dem bei ihm befindlichen unkörperlichen Lichte, für ewig unauslöschlich, hervorkommen ließ.[86] 62 Jedoch vernahm ich auch folgenden Offenbarungsspruch, der von einem der Genossen des Moses[87] ausgesprochen wurde: „Siehe, ein Mann, Aufgang[88] ist sein Name“ (Zach. 6, 12), eine ganz sonderbare Benennung, wenn du eben annehmen würdest, es sei von einem Menschen die Rede, der aus Körper und Seele besteht; wenn aber von jenem körperlosen Menschen (die Rede ist),[89] der nichts anderes ist als das göttliche Ebenbild, so wirst[119] du zugeben, daß ihm mit „Aufgang“ ein höchst zutreffender Name beigelegt wurde. 63 Denn als ältesten Sohn ließ der Vater des Alls diesen ins Dasein treten, den er anderswo den Erstgeborenen nennt und der, soeben geboren, den Wegen des Vaters nachgehend, auf die Urbilder schaute und die Arten formte. [15] 64 Ein Beispiel für die schlechtere Art des Aufgehens ist, was von jenem erzählt wird, der den von Gott Gelobten fluchen wollte. Denn auch von jenem wird erzählt, daß er gegen Aufgang wohnte. Dieser (Aufgang) gleicht dem ersteren dem Namen nach, steht zu ihm aber in schroffem Gegensatz. 65 „Aus Mesopotamiea“ – heißt es nämlich – „ließ mich Balak rufen, von den Bergen, vom Aufgange her und sagte: wohlan fluche mir dem, welchem Gott nicht flucht“ (4 Mos. 23, 7. 8). Balak bedeutet „unsinnig“,[90] sehr zutreffend. [415 M.] Denn ist es nicht ein furchtbarer Unsinn zu hoffen, den Seienden irrezuführen und seinen feststehenden Ratschluß durch menschliche Klügelei umzustoßen? 66 Deshalb wohnt er auch in Mesopotamien, da sein Geist gleichsam ganz in der Mitte des tiefen Flusses versunken ist und sich nicht emporarbeiten und auftauchen kann. Diese seelische Empfindung ist der Aufgang des Unverstandes und Untergang der gesunden Vernunft. 67 Von denen, die den mißklingenden Einklang bilden,[91] heißt es somit, daß sie vom Aufgange herzogen, Also von dem <der Tugend oder> der Schlechtigkeit? Allein, ist es (der Aufgang) der Tugend, so ist eine vollständige Trennung gemeint,[92] wenn aber der Schlechtigkeit, war es sozusagen eine geeinte Bewegung,[93] so wie es sich mit den Händen verhält, die nicht gesondert und in Trennung, sondern gewissermaßen in Übereinstimmung mit dem ganzen Körper gemeinsam sich bewegen. 68 Denn den ersten Antrieb zu naturwidrigen Handlungen gibt dem Schlechten der Ort des Lasters. Die aber von der Tugend weggezogen sind und sich von der Unbesonnenheit leiten ließen, finden einen sehr entsprechenden Ort und lassen sich dort nieder. Der heißt in der[120] Sprache der Hebräer Senaar, der Hellenen aber Erschütterung.[94] 69 Denn erregt, getrübt und erschüttert ist das ganze Leben der Schlechten, ist immer in Aufruhr und Verwirrung und enthält keine Spur des wahrhaft Guten in sich. Denn ebenso wie es bei den Dingen, die eine Erschütterung erfahren haben, der Fall ist, daß alles was nicht durch Vereinigung zusammengehalten wird,[95] auseinanderfällt, scheint mir die Seele dessen, der dem Unrechttun beipflichtet, erschüttert zu sein. Denn er legt jede Form der Tugend ab, sodaß weder ihr Schatten noch ihr Abbild in irgendwelcher Weise in Erscheinung tritt.“ [16] 70 Das den Leib liebende Volk der Ägypter[96] ist es eben; von dem gesagt wird, daß es nicht vom Wasser, sondern „unter das Wasser“,[97] d. h.: unter den Strom der Leidenschaften flieht; und als es unter die (Macht der) Leidenschaften sich geflüchtet hat, gerät es in Erschütterung und Aufruhr, indem es das Gleichgewicht und die Ruhe der Tugend verwirft und das Wirrnis der Schlechtigkeit an sich zieht. Denn es heißt: „er erschütterte[98] die Ägypter in der Mitte des Meeres, die unter das Wasser flohen“ (2 Mos. 14, 27). 71 Das sind jene, die nicht einmal den Joseph, den bunten Dünkel des Lebens kennen,[99] sondern verüben die Laster öffentlich und bewahren keine Spur, keinen Schatten, keinen Anschein der Rechtschaffenheit. 72 „Es kam auf“ – heißt es nämlich –, „ein anderer König über Ägypten“, der nicht einmal das letzte und jüngste[100] sinnliche Gut „den Joseph kannte“ (2 Mos. 1, 8);[101] dieser wollte nicht nur die Vollkommenheit, sondern auch den Fortschritt, und nicht nur die Klarheit (der unmittelbaren Erkenntnis), welche durch das Schauen, sondern auch das Lernen, das durch das[121] Gehör zustande kommt, beseitigen, indem er sprach: „wohlan, fluche mir Jakob, und wohlan, verwünsche mir Israel“ (4 Mos. 23, 7), was soviel heißt als: komme, löse beides auf, das Schauen und das Hören der Seele, damit sie nichts Wahres und wirklich Schönes sehe noch höre. Denn Israel ist Sinnbild des Schauens und Jakob des Hörens.[102] 73 Der Geist dieser Menschen legt, wie in Erschütterung,[103] das Wesen des Guten ganz [416 M.] ab, während andererseits der (Geist) der Edlen, der sich die ungetrübte und reine Idee des Guten zueigen macht, das Schlechte abschüttelt und verwirft. 74 Beachte nämlich, wie der Asket spricht: „Schafft weg die fremden Götter, die unter euch sind, aus eurer Mitte, und reinigt euch, und wechselt eure Kleider, und laßt uns aufstehen und nach Bethel hinaufziehen“ (1 Mos. 35, 2. 3), damit, auch wenn Laban[104] zu suchen aufgefordert wird,[105] im ganzen Hause keine Trugbilder[106] gefunden werden (1 Mos. 31, 35), <sondern> was Grund und Boden hat und wirklich existiert, eingeritzt in der Seele des Weisen, woran auch das selbstbelehrte Geschlecht, Isaak,[107] als Erbe Anteil hat. Denn „das Existierende“ übernimmt er allein von seinem Vater (1 Mos. 25, 5).[108]

[17] 75 Beachte, daß es nicht heißt, daß sie gekommen sind nach der Ebene, wo sie verblieben, sondern, daß sie nach eifrigem Suchen und Spähen einen der Unvernunft ganz entsprechenden Ort „fanden“. Denn in der Tat nimmt der Unvernünftige die Laster nicht zueigen von einem anderen, sondern sucht sie sich selbst auf und macht sie ausfindig, da er sich mit jenen allein nicht begnügt, denen sich seine elende Natur von selbst zuwendet, sondern noch die durch die Anwendung[122] schlechter Künste zur Vollkommenheit gebrachten Kniffe hinzufügt. 76 Und möchte er doch nach einem kurzen Verweilen in ihnen fortziehen! Nun begehrt er aber auch zu verbleiben. Denn es heißt: als sie die Ebene gefunden hatten, ließen sie sich nieder wie in einem Vaterlande, nicht aber, daß sie ansässig wurden wie in der Fremde.[109] Es wäre nämlich ein kleineres Unglück gewesen, da sie auf Freveltaten gestoßen, sie als fremd und sozusagen unheimisch zu betrachten, nicht aber als vertraut[110] und verwandt anzusehen. Denn wären sie nur Beisassen gewesen, so wären sie wiederum weggezogen; da sie sich aber fest niedergelassen haben, so mußten sie für immer dort verbleiben. Deshalb treten sämtliche Weisen bei Moses als Beisassen auf.[111] 77 Denn ihre Seelen nehmen nie eine Auswanderung[112] aus dem Himmel vor, vielmehr sind sie infolge der Lust am Schauen und Lernen gewohnt, eine Reise in die irdische Natur zu unternehmen. 78 Nachdem sie aber im Zusammenleben mit den Körpern alles Sinnliche und Sterbliche mittels jener genau betrachtet haben, kehren sie wiederum dorthin zurück, von wo sie früher gekommen sind, da sie den himmlischen Kreis, in dem sie als Bürger leben, als das Vaterland ansehen, den irdischen aber, in dem sie als Beisassen wohnten, als die Fremde. Denn für Auswanderer wird an Stelle der Mutterstadt die (Stadt) zum Vaterlande, welche sie aufnahm, für Reisende dagegen bleibt es die Stadt, die sie aussandte, zu der sie auch zurückzukehren sich sehnen. [417 M.] 79 Deshalb sagt Abraham billigerweise zu den Leichenhütern und Haushältern des Sterblichen,[113] indem er vom toten Leben[114] und der Gruft aufstand: „Ein Beisasse[123] und ein Zugewanderter bin ich unter euch“ (1 Mos. 23, 4); Eingeborene aber seid ihr, die Staub und Schutt mehr als die Seele geehrt und des Vorsitzes den Mann mit Namen Ephron, der Erdscholle bedeutet,[115] würdig befunden. 80 Mit Recht klagt auch der Asket Jakob darüber, daß er Beisasse im Körper sei, und sagt: „die Tage meiner Lebensjahre, die ich als Beisasse zubringe, sind wenig und leidvoll, sie reichten nicht heran an die Tage meiner Väter, die sie als Beisassen zubrachten“ (1 Mos. 47, 9). 81 Dem Selbstbelehrten aber ward folgender Gottesspruch: „Ziehe nicht hinab nach“ – der Leidenschaft – „Ägypten, lasse dich nieder in der Erde, die ich dir anzeigen werde“ (1 Mos. 26, 2),[116] der unsichtbaren und körperlosen Vernunft, und bleibe als Beisasse in dieser Erde, dem sichtbaren und wahrnehmbaren Sein; damit gezeigt wird, daß der Weise in dem wahrnehmbaren Körper wie in der Fremde als Beisasse wohnt, dagegen ist er ansässig wie in einem Vaterlande in den geistigen Tugenden, die Gott ausspricht, und die den göttlichen Gedanken gleichkommen.[117] 82 Moses aber sagt: „ich bin Beisasse in einem fremden Lande“ (2 Mos. 2, 22), indem er vortrefflicherweise das Verbleiben in dem Körper nicht nur als ein Zugastsein ansieht,[118] wie es die Beisassen (tun), sondern es sogar als etwas betrachtet, das der Entfremdung nicht aber des Heimischwerdens würdig ist.

[18] 83 Da aber der Schlechte will, daß die Gleichsprachigkeit und Gleichzüngigkeit nicht sowohl in den Namen und Worten als in der Gemeinsamkeit der rechtswidrigen Handlungen zutage trete, fängt er an, eine Stadt und einen Turm, wie eine Zwingburg einem Tyrannen, der Schlechtigkeit zu errichten und ruft zur Beteiligung am Werke sämtliche Genossen herbei, die das entsprechende Material wohl vorbereiten sollen. 84 „Wohlan“, – heißt es nämlich – „wir wollen Ziegel machen und sie im Feuer brennen“ (1 Mos. 11, 3); das besagt soviel als: jetzt sind sämtliche Teile unserer Seele durcheinander gewürfelt und geschüttet, sodaß kein einziger Zug irgendwelcher Form klar hervortritt; 85 es ist aber angebracht, nachdem wir die Leidenschaft und die Schlechtigkeit gleichsam als eine gestalt- und eigenschaftslose Substanz übernommen, sie in die entsprechenden Eigenschaften[124] und die nächsten Arten bis zu den entferntesten (Unterarten) immerfort zu scheiden, zum Zwecke einer klaren Erkenntnis dieser Dinge und ihrer erfahrungsgemäßen Anwendung, die mehr lustreiche Genüsse zu gewähren scheint.[119] 86 So kommt herbei, sämtliche Gedanken wie Ratsleute in das Versammlungshaus der Seele, die ihr euch in Reih’ und Glied (zum) Verderben der Gerechtigkeit und aller Tugend aufgestellt habt, und laßt uns sorgsam erwägen, wie wir den Angriff leiten sollen, daß er uns gelinge! 87 Des Erfolges feste Grundlage ist eben folgendes: die Gestaltung des Gestaltlosen durch Prägung und die Sonderung eines jeden Dinges durch Form und Umriß, sodaß es nicht mehr wanket noch wackelt, sondern [418 M.] fest aufgestellt sei, der Natur der viereckigen Figur ähnlich, – denn diese eben ist unumstößlich – damit es wie ein Sockel[120] unbeweglich wohlbefestigt auch das ertrage, was darüber gebaut werden soll. [19] 88 Als Bildner solcher Dinge wird ein jeder gottesfeindliche Geist, den wir König Ägyptens, des Körpers, nennen, befunden. Denn auch dieser wird von Moses als einer, der an Ziegelbauten Freude hat, vorgeführt.[121] 89 Denn wenn jemand, indem er die feuchte Wassermasse und die trockene (Masse) der Erde bis zur Auflösung und zum völligen Aufgehen einmischt, ein drittes den beiden Ähnliches herstellt, das Lehm genannt wird, so wird er nicht aufhören, diesen in Teile zu zerlegen und einem jeden Stück die richtige Form zu verleihen, damit es umso wohlgefügter und tragfähiger werde; auf diese Weise nämlich wird das Unternehmen leicht verwirklicht. 90 Das nachahmend, zerlegen die von Natur Elenden, nachdem sie die vernunftlosen, überwuchernden Triebe der Affekte mit den schwersten Untugenden vermengt haben, die Mischung in Arten, bilden und formen sie, die Unglückseligen, wodurch eine hochragende Verschanzung gegen die Seele errichtet wird: die Sinnlichkeit (zerlegen sie) in Gesicht und Gehör, ferner Geschmack, Geruch und Tastsinn; die Affekte in Lust, Gier, Furcht und Schmerz[122] das Geschlecht der Untugenden in Unbesonnenheit, Zügellosigkeit, Feigheit, Ungerechtigkeit[123] und andere diesen ähnliche und verwandte Eigenschaften. [20] 91 Jedoch gibt es auch solche, die[125] noch weiter gehen, die nicht nur ihre eigenen Seelen in solchen (Bestrebungen) üben, sondern auch die Besseren vom schauenden Geschlechte[124] unter Anwendung von Gewalt dazu zwangen, Ziegel zu machen und befestigte Städte zu bauen (2 Mos. 1, 11)[125] für den sich als Herrscher dünkenden Geist, wodurch sie deutlich zeigen wollten, daß das Gute dem Bösen untertan sei, die Leidenschaft mehr vermöge als die Seelenfreude,[126] die Vernunft und alle Tugend dem Unverstande und jeglicher Schlechtigkeit untergeordnet sei, sodaß sie notgedrungen die Befehle des Gebieters ausführen. 92 Siehe, – heißt es nämlich – auch das klarste, reinste und überaus scharfblickende Seelenauge, dem allein es gegeben ist, Gott zu schauen, mit Namen Israel, einmal verstrickt in das ägyptische Netz der Körperlichkeit,[127] übernimmt es die schwersten Befehle, Ziegel und alles Erdhafte in mühseliger, ununterbrochener Arbeit herzustellen. Dabei ächzet es natürlicherweise und stöhnt, weil ihm nur das eine als Schatz in der Not geblieben ist, über die gegenwärtige Lage zu klagen. 93 Denn richtig heißt es: „es seufzten auf die Söhne Israels von der Arbeit“ (2 Mos. 2, 23).[128] Welcher Vernünftige würde nicht beim Anblick der Arbeit der meisten Menschen und der übermäßigen Anstrengungen, die sie um des Geldes, des Ruhmes oder des sinnlichen Genusses willen aufzubringen pflegen, niedergeschlagen sein und zu Gott, dem einzigen Erlöser aufschreien, er möge diese [419 M.] (Arbeit) erleichtern, Lösegeld und Kaufpreis für die Errettung der Seele entrichten, und sie in Freiheit setzen? 94 Welche Freiheit ist also die sicherste, (ja) welche? Es ist der Dienst des einzig Weisen, wie die Gottessprüche zeugen, in denen gesagt wird „Schicke mein Volk heraus, damit es mir diene“ (2 Mos. 7, 26). 95 Den Dienern des Seienden ist es aber eigen, keine Werke der Mundschenken, Bäcker und Köche, noch andere derartige irdische Dinge zu schaffen, noch Körper nach Art der Ziegel zusammenzusetzen, wohl aber, sich in Gedanken zur ätherischen Höhe zu erheben, nachdem sie Moses, das gottgeliebte Geschlecht, als Wegführer an ihre Spitze gestellt haben. 96 Denn dann werden sie den sichtbaren[126] Ort erblicken,[129] an dem der unbewegte und unwandelbare Gott steht, „und was sich unter seinen Füßen befindet, wie ein Werk aus Saphirziegel und wie eine Feste des Himmels“ (2 Mos. 24, 10),[130] die wahrnehmbare Welt, auf die mit diesen Worten hingedeutet wird. 97 Es ziemt sich nämlich, daß die, welche einen Freundschaftsbund mit dem Wissen eingegangen sind, das Verlangen haben, das Seiende zu schauen, wenn sie aber dies nicht vermögen, dann wenigstens sein Abbild, den allerheiligsten Logos, und danach das unter den sinnlichen Dingen vollkommenste Werk, diese Welt.[131] Denn philosophieren heißt nichts anderes als danach streben, diese Dinge klar zu schauen.[132] [21] 98 Die wahrnehmbare Welt nennt (die Schrift) einen Fußschemel Gottes aus folgenden Gründen: erstens um zu zeigen, daß nicht im Gewordenen die wirkende Ursache sei; zweitens, um zu veranschaulichen, daß auch die ganze Welt nicht losgelassen und frei sich bewege, sondern daß Gott, der Lenker des Alls, sie besteige, alles heilsam leitend und lenkend;[133] dabei gebraucht er weder Füße noch Hände noch überhaupt irgendwelchen anderen Teil der Erschaffenen, nach der richtigen Ausdrucksweise – „denn nicht wie ein Mensch ist Gott“ (4 Mos. 23, 19) –,[134] nicht derjenigen, die ausschließlich zu unserer Belehrung dient,[135] die wir nicht imstande sind aus uns selbst hinauszukommen, vielmehr die Vorstellung vom Ungewordenen unseren eigenen Eigenschaften entnehmen.[136] 99 Vortrefflich ist aber im Gleichnis die Welt als einem Ziegel ähnlich geschildert. Denn wie dieser scheint auch die Welt, mit dem sinnlichen Auge betrachtet, ganz fest zu stehen; in Wirklichkeit bewegt sie sich sehr schnell [420 M.] und übertrifft darin sämtliche Einzelgebilde. 100 Am Tage nämlich stellen sich die körperlichen Augen die Sonne und bei Nacht den Mond als stehend vor.[127] Und dennoch, wer weiß es nicht, daß die Schnelligkeit ihres Laufes unübertrefflich sei, da sie doch in einem Tage den ganzen Himmelskreis umkreisen? Ja, in derselben Weise bewegt sich auch der Himmelskreis selbst[137] im Kreise, während er scheinbar stille steht; dagegen wird diese Bewegung von dem gestaltlosen, göttlichen,[138] geistigen Auge erfaßt. [22] 101 Sie werden aber sinnbildlich als solche vorgeführt, die Ziegel brennen: die die Affekte und Untugenden durch warme, geschickte,[139] Vernunfttätigkeit bekräftigen, damit sie niemals aufgelöst werden von den Trabanten der Freiheit, die unabläßlich zu ihrem Niedergang Mittel ersinnen. 102 Deshalb wird auch hinzugefügt „Der Ziegel wurde ihnen zum Stein“ (1 Mos. 11, 3). Denn was in dem nicht von der Vernunft (geförderten)[140] Triebe locker und flüssig war, verwandelte sich in eine widerstandsfühige und zähe Natur, durch kräftige Worte und feste Beweise erhärtert und gestärkt; dadurch wurde das Erfassen von Lehrsätzen gleichsam vermännlicht, das im Knabenalter zerrinnt infolge der Frische der Seele, die noch nicht die aufgenommenen Eindrücke festzuhalten und zu wahren vermag –, „und das Erdharz war ihnen zu Lehm“ (ebd.),[141] nicht aber der Lehm zum Erdharz. 103 Es scheinen nämlich die Schlechten das Schwache gegen die Besseren zu befestigen und das Aufgelöste und dessen Ausflüsse zusammenzuhalten, um aus fester Stellung auf die Tugend abzuzielen und schleudern zu können. Der huldreiche Vater des Alls[142] läßt das Gebilde nicht eine unauflösbare Festigkeit erlangen,[143] indem er das bestandlose Werk des[128] haltlosen Fleißes als schlammigen Lehm bloßstellt. 104 Denn wäre der Lehm zum Harz geworden, dann könnte vollends das im ewigen Fluß befindliche,[144] erdhafte Sinnliche eine feste, unabänderliche Kraft erlangen; da aber das Gegenteil (eintritt), das Harz in Lehm sich verwandelt, darf man nicht den Mut verlieren: denn Hoffnung, (ja) Hoffnung (ist alsdann vorhanden), daß die starken Festungen der Schlechtigkeit durch Gottes Macht zerstört werden. 105 Und darum wird auch der Gerechte,[145] da er im großen, gewaltigen Untergang der Lebewesen es noch nicht vermag, mit der bloßen Seele ohne Hilfe der Wahrnehmung das wahrhafte Sein zu schauen,[146] „die Arche“, ich meine den Körper,[147] „inwendig und auswendig mit Erdharz“ streichen (1 Mos. 6, 14), indem er den durch ihn (zustandekommenden) Vorstellungen und Handlungen einen Halt verleiht.[148] Als aber die Schlechtigkeit nachläßt und der Sturm sich legt, geht er hinaus, um mit Hilfe der körperlosen Vernunft die Wahrheit zu erfassen.[149] 106 Denn als die von Anfang an edel geborene und genannte Sinnesart, mit Namen Moses, der als Weltbürger in der Welt wie in seiner Vaterstadt wohnt, in dem wie mit „Harzpech“ (2 Mos. 2, 3) bestrichenen Körper gebunden lag, der die Vorstellungen sämtlicher [421 M.] sinnlicher Dinge untrüglich[150] aufgenommen und erfaßt zu haben glaubt, da beweint er (2 Mos. 2, 6) unter dem Drange der Liebe zur körperlosen Natur[151] das Gebundensein, und ebenso beweint er den irrigen, verblendeten, elenden Sinn der Menge, der unter dem Einfluß der falschen Meinung der Ansicht ist, daß er etwas Festes und Untrügliches, oder daß überhaupt ein Geschaffener etwas Unwandelbares besitzt; während doch das Feststehende und sich immer Gleichbleibende nur bei Gott ist.

[129] [23] 107 Den Worten „wohlan, wir wollen uns eine Stadt bauen und einen Turm, dessen Spitze bis an den Himmel reicht“ (1 Mos. 11, 4)[152] liegt folgender Sinn zugrunde: unter Städten versteht der Gesetzgeber nicht nur die auf der Erde gegründeten, deren Baumaterial Stein und Holz bilden, sondern auch solche, die die Menschen in ihren Seelen errichten und herumtragen.[153] 108 Diese sind natürlich die Urbilder, da sie göttlicher gestaltet sind, jene aber sind die Nachahmungen, da sie aus vergänglichem Stoff bestehen. Zweierlei Städte aber gibt es, eine bessere und eine schlechtere Art; die bessere ist diejenige, die sich auf eine die Gleichheit achtende Volksherrschaft stützt, in der Recht und Gerechtigkeit die Herrschaft führen –,[154] denn diese (die Gerechtigkeit) ist die Begleiterin Gottes –;[155] die schlechtere aber, welche wie eine unecht geprägte Münze jene verfälscht,[156] ist die Pöbelherrschaft, in welcher die Ungleichheit bewundert wird, und Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit die herrschende Gewalt haben. 109 In die Liste des ersteren Staates[157] tragen sich die Edlen ein, dagegen steht jene schlechtere (Verfassung) der Menge der Gemeinen gut,[158] die die Unordnung mehr als die Ordnung, das Wirrsal mehr als die feststehende Staatseinrichtung liebt. 110 Da der Unvernünftige mit seiner eigenen Person sich nicht begnügt, hält er es für angemessen, Helfer zum Freveln heranzuziehen. Er ermahnt das Gesicht und das Gehör, er ruft die ganze Sinnlichkeit herbei, sich ihm unweigerlich anzuschließen und all das zu leisten, was zum Dienste eines jeden gehört. Ja, er treibt auch und eifert den anderen,[130] von Natur wilden Schwarm der Leidenschaften an, sich durch dauernde Übung unüberwindbar zu machen. 111 Der Geist ruft also diese Genossen und sagt: „wir wollen eine Stadt bauen“ (1 Mos. 11, 4), was soviel bedeutet als: wir wollen unsere Eigenart befestigen und stark verschanzen, damit wir nicht leicht von den Anstürmenden überwunden werden; wir wollen sämtliche Seelenkräfte gleichsam in Gemeinden und Gaue scheiden und einteilen, die einen dem vernünftigen, die anderen dem vernunftlosen Teile zuweisen. 112 Wir wollen Beamte wählen, die es verstehen, Reichtum, Ruhm, Ehre, Genuß von überall zu schaffen;[159] wir wollen Gesetze schreiben, die die Gerechtigkeit, die Ursache der Armut und Ruhmlosigkeit, beseitigen, und die die dem Besseren zukommende Begünstigung denjenigen sichern, die es immer vermögen, mehr als die anderen an sich zu reißen.[160] 113 „Ein Turm“ sei wie eine Zwingburg dem [422 M.] Tyrannen, der Untugend, als feste königliche Residenz errichtet, deren Grundlage die Erde berühre, die Spitze aber den Himmel erreiche, indem sie solche Höhe durch Großprahlerei erreicht.[161] 114 Denn in der Tat bleibt sie (die Untugend) nicht bei den Sünden gegen die Menschen allein stehen, vielmehr wagt sie sich auch an das Olympische,[162] Worte der Unfrömmigkeit und der Gottlosigkeit schleudernd, indem sie behauptet, daß die Gottheit nicht existiere, oder daß sie zwar existiere, jedoch sich nicht (um die Welt) kümmere, oder daß die Welt keinen Anfang ihres Entstehens habe,[163] oder daß sie zwar entstanden sei, aber nicht nach bestimmten Gesetzen, sondern wie es der Zufall mit sich bringt sich bewege, manchmal verkehrt, manchmal regelrecht, wie es sich mit Schiffen und Viergespannen verhält: 115 denn es kommt oft vor, daß auch ohne Wagenlenker und ohne Steuermann die Fahrt (des Schiffes) und der Lauf[131] (des Viergespannes) richtig vor sich geht. Jedoch was mit Absicht gemacht wird, gelingt nicht nur selten, sondern, was mit menschlicher (Absicht), oft, was mit göttlicher aber, immer und ewig; denn das Fehlen ist anerkanntermaßen der göttlichen Macht fremd. Und dennoch lassen sie, die Verblendeten, der sinnbildlichen Deutung gemäß, wie einen Turm, das Wort der Schlechtigkeit sich erheben; in welcher anderen Absicht wohl, als daß sie einen ruhmlos berühmten Namen zurücklassen? [24] 116 Sie sagen nämlich: „wir wollen uns einen Namen machen“ (1 Mos. 11, 4). O der übermäßigen, schrankenlosen Schamlosigkeit! Was sagt ihr? Während ihr eure Missetaten in das tiefe Dunkel der Nacht hüllen und von der Scham, wenn nicht von der echten, dann mindestens von der geheuchelten bemänteln lassen solltet, um bei den Anstandsvolleren Beifall zu finden oder um der Strafe für die festgestellten Laster zu entgehen, geht ihr in euerer Verwegenheit so weit, daß ihr euch nicht nur vom hellen Tageslicht bescheinen lasset, ohne die Drohungen der Besseren und die unabwendbaren göttlichen Strafen, die solche Frevler treffen, zu fürchten, sondern ihr haltet es sogar für angemessen, überallhin Nachrichten als Boten euerer Freveltaten auszusenden, damit es keinen Menschen gebe, der in euer freches Treiben, ihr Elenden und Schändlichen, nicht eingeweiht wäre oder nicht davon Kunde hätte. 117 Welchen Namen begehrt ihr also? etwa den, der eueren Taten entspricht? gibt es denn einen? Dem Begriffe nach ist es vielleicht nur einer,[164] aber unzählig sind die Arten. Diese werdet ihr von anderen hören, wenn ihr auch still bleibt: Ungestüm und Unverschämtheit, Übermut und Gewalt, Gewalt und Mord, Schändung und Ehebruch, schrankenlose Begierde und maßlose Lüste, Wahnsinn und Tollkühnheit, Verbrechen und Verschlagenheit, Diebstahl und Raub, Meineid und Lüge, Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit. Das oder ähnlich sind die Namen solcher (Verbrechen). 118 Schön ist es also, sich damit prahlerisch zu brüsten und in solchen Sachen Ruhm zu suchen, derentwegen man sich das Gesicht aus Scham verhüllen sollte! Jedoch sind manche darauf sogar stolz, weil sie erwarten, eine unanfechtbare Macht bei allen zu erlangen, wenn sie für solche Menschen [423 M.] gelten. Diese wird die Gerechtigkeit, die Begleiterin Gottes, wegen der großen Verwegenheit züchtigen, sie, die den eigenen Untergang[132] anscheinend nicht nur ahnen, sondern sogar (klar) voraussehen. Denn es heißt: „Bevor wir zerstreut werden“ (ebd.),[165] wollen wir sorgen für einen berühmten Namen. 119 Also wißt ihr, möchte ich ihnen zurufen, daß ihr zerstreut werdet? Warum sündigt ihr denn?[166] Vielleicht schildert (der Gesetzgeber) die Gesinnungsart der Unverständigen, die auch angesichts der ihnen oft nicht nur versteckt, sondern ganz offen drohenden Strafen, ohne Bedenken freveln. Wohlbekannt sind aber die göttlichen Strafen, die (die Frevler) gewöhnlich treffen, wenn sie auch scheinbar unsichtbar bleiben. 120 Denn alle ganz Bösen sind sich bewußt, daß ihre Missetaten der Gottheit nicht verborgen bleiben und daß sie nicht für die Dauer imstande sein werden, die Abbüßung der Strafe von sich fernzuhalten. Woher sollten sie denn es anders wissen, daß sie zerstreut werden? und dennoch sagen sie „bevor wir zerstreut werden“. 121 Allein das (dem Menschen) innewohnende Gewissen züchtigt und quält[167] auch diejenigen, die dem gottlosen Treiben ganz obliegen, sodaß sie gegen ihren eigenen Willen dahin gebracht werden, zuzugeben, daß eine höhere Wesensart um alles menschliche (Geschick) Sorge trage und daß eine unbestechliche, strafende Gerechtigkeit wache, welche die ungerechten Taten und deren Helfer, die Worte haßt. [25] 122 Diese alle sind aber die Nachkommen der immer sterbenden und nie gestorbenen Schlechtigkeit, deren Namen Kain ist.[168] Oder tritt nicht Kain als solcher auf, der einen Sohn erzeugt, den er Enoch nannte, und eine diesem gleichnamige Stadt gründete (1 Mos. 4, 17), also gewissermaßen das Gewordene und Sterbliche zum Verderben derer, die an der göttlichen Ordnung teil haben.[133] aufbaute? Denn „Enoch“ heißt: „dein Geschenk“.[169] 123 Ein jeder Gottlose glaubt nämlich, daß sein eigener Geist ihm die Vorstellungen und Gedanken gewähre; die Augen aber das Sehen, die Ohren das Hören, die Nasenlöcher das Riechen, sowie die anderen Sinneswerkzeuge, was ihnen zukommt, sodann das Sprachorgan das Sprechen; dagegen Gott entweder überhaupt nicht, oder nicht als der Urgrund (dies gewähre). 124 Und darum speichert er die Erstlinge seiner Landwirtschaft selbst auf, wie es auch heißt, daß er nur nach einer gewissen Zeit Gott Früchte opferte,[170] wiewohl er ein gutes Beispiel vor sich hatte. Denn sein Bruder opfert das Erstgeborene, nicht aber die zweite Frucht der Herde,[171] da er einsieht, daß die ersten Ursachen im allerersten Urheber enthalten seien. 125 Der Gottlose aber ist der entgegengesetzten Ansicht: der Geist sei selbständig in seinen Erwägungen und die Sinnlichkeit selbständig in ihrer Wahrnehmung; denn ihr Urteil – sowohl dieser über die Körper, als auch jenes über alles – sei untrüglich und einwandfrei. 126 Gibt es aber etwas, [424 M.] was größeren Tadel verdient oder von der Wahrheit stärker widerlegt wird? Oder wird nicht der Geist oft in vielen Dingen als wahnwitzig überführt, und werden nicht sämtliche Wahrnehmungen des falschen Zeugnisses schuldig befunden, nicht vor unvernünftigen Richtern, die sich freilich irren können, sondern vor dem Richterstuhl der Natur selbst, der die Bestechlichkeit fremd ist? 127 Und da eben die Erkenntnismittel des Geistes wie der Sinnlichkeit, soweit es auf uns selbst ankommt, versagen, muß man folgerichtig zugeben, daß Gott jenem die Gedanken und dieser die Vorstellungen zuströmen läßt,[172] und daß das Gewordene kein Geschenk unserer Organe, sondern, daß alles eine Gabe dessen sei, durch den auch wir erschaffen sind. [26] 128 Da die Söhne vom Vater die Selbstgefälligkeit geerbt haben, streben sie danach, diese bis in den Himmel emporwachsen zu lassen; endlich erscheint die Gerechtigkeit, die Freundin der Tugend und[134] Feindin der Schlechtigkeit, und zerstört die Städte, die sie als Bollwerk gegen die arme Seele errichtet haben, und den Turm, dessen Name im Buche der Richter[173] deutlich genannt wird. 129 Dieser aber lautet, wie die Hebräer ihn nennen „Phanuel“, und wir „Gottesentfremdung“.[174] Denn die mittels der scheinbaren Glaublichkeit der Reden errichtete Festung hat keinen anderen Zweck, als die Abwendung und Ablenkung des Gedankens von der Ehrung Gottes. 130 Gibt es etwas Lasterhafteres als das? Allein zur Zerstörung dieser Festung ist der „Heimsucher“ der Ungerechtigkeit, der gegen sie unabläßlich etwas aussinnt,[175] gerüstet. Diesen nennen die Hebräer Gideon, was bedeutet „Heimsuchung“.[176] Denn es heißt: „Gideon schwur[177] den Mannen von Phanuel also: nach meiner Rückkehr im Frieden werde ich diesen Turm niederreißen“ (Richt. 8, 9). 131 Eine durchaus schöne und der das Schlechte hassenden und gegen die Gottlosen aufgebrachten Seele höchst geziemende Ruhmrede ist die Versicherung, ein jedes Wort, das den Gedanken zur Abwendung von der Frömmigkeit verleitet, niederzuhalten. Und so verhält es sich in der Tat. Denn kehrt der Geist zu sich zurück, so wird das, was in ihm (von Gott) abweicht und sich abwendet, wiederum[178] aufgelöst. 132 Der entsprechende Augenblick für dessen Vernichtung ist, wie es sonderbar lautet, nicht der Krieg, sondern der Friede. Wenn das Denken nämlich das Gleichgewicht besitzt sowie die Ruhe, die die Frömmigkeit zu schaffen pflegt, wird jede von der Gottlosigkeit erbaute Rede erschüttert. 133 Viele lassen auch die sinnliche Wahrnehmung, einem Turm gleich, so hoch heranwachsen, daß sie bis an die Himmelsgrenze reicht. Der Himmel ist sinnbildlich unser Geist, in dem die vorzüglichsten, göttlichsten Eigenschaften[135] kreisen.[179] Diejenigen aber, die solches wagen, geben der sinnlichen Wahrnehmung den Vorzug vor dem Denken und finden es recht, alles Geistige durch das Sinnliche zu überwinden und so das Herrschende in den Stand des Sklaven, in den des Führers aber das von Natur Untergeordnete gewaltsam zu versetzen. [27] [425 M.] 134 Die Worte aber „Gott stieg herab, um zu sehen die Stadt und den Turm“ (1 Mos. 11, 5) muß man ganz figürlich auffassen; denn die Annahme, daß die Gottheit hinzu-, hinweg-, herabkomme oder umgekehrt, daß sie emporsteige, wie überhaupt, daß die Gottheit dieselben Haltungen annehme wie die einzelnen Geschöpfe und dieselben Bewegungen ausführe, ist, um sich richtig auszudrücken, eine ungeheure Gottlosigkeit.[180] 135 Der Gesetzgeber schildert aber Gott nach menschlicher Art, wiewohl er keine menschliche Gestalt hat, mit Rücksicht auf den Nutzen, (der sich) für unsere Erziehung (daraus ergibt), wie oft an anderen Stellen gesagt wurde.[181] Denn wer weiß es nicht, daß der Herabsteigende den einen Ort verlassen und den anderen einnehmen muß? 136 Gott aber erfüllt die ganze Welt, umfassend, nicht umfaßt, und ihm allein kommt es zu, zugleich überall und nirgends zu sein: nirgends, weil er selbst den Ort und den Raum gleichzeitig mit den Körpern erschaffen hat, und es sich nicht ziemt, zu sagen, daß der Schöpfer im Geschaffenen umschlossen sei, und überall, sofern als er seine Kräfte durch Erde, Wasser, Luft und Himmel ausdehnend, keinen Teil der Welt frei ließ, sondern, nachdem er alles zusammengebracht, [182] es mit unsichtbaren Banden zusammenschnürte, damit es, durch[136] die Gnade Gottes entstanden,[183] sich nicht auflöse ***.[184] 137 Denn das, was höher ist als die Kräfte,[185] wird als etwas Unfaßbares erkannt ****, (von dem man nichts mehr erfassen kann, als),[186] daß es ist. Dessen Kraft, durch die alles gegründet und geordnet wurde, wird richtig „Gott“ genannt.[187] Sie umfaßt das Weltall und durchdringt sämtliche Teile der ganzen Welt.[188] 138 Das Göttliche ist unsichtbar und unwahrnehmbar, allgegenwärtig und dennoch in Wahrheit nicht sichtbar und nicht wahrnehmbar ***.[189] „So stehe ich vor dir“ (2 Mos. 17, 6): während es scheinbar etwas ist, worauf man hinweisen und was man wahrnehmen kann, übertraf es das Geschaffene vor allem Hinweisen und Vorstellen.[190] 139 Kein einziger Ausdruck für die Bewegung durch Ortsveränderung paßt somit zum göttlichen Sein, wie das Nachoben, Nachunten, Nachrechts, Nachlinks, Nachvorn, Nachrückwärts. 140 In keinem dieser Worte wird (das Göttliche) erfaßt, da es als unbewegt den Ort nicht wechseln kann. Nichtsdestoweniger heißt es, daß Gott herabstieg, um zu sehen, obwohl er alles, nicht nur nachdem, sondern auch bevor es geschehen, klar erschaut, um der Ermahnung und Belehrung willen, daß kein Mensch auf Grund haltloser Vermutung voreilig dem Glauben schenke, wobei er nicht zugegen, (sondern) weit entfernt war; vielmehr soll er an die Angelegenheit näher herantreten, in die Einzelheiten Einsicht nehmen und sie sorgfältig beleuchten.[191] Denn[137] recht ist es, das unfehlbare Auge vor dem täuschenden Ohre als Zeugen zuzulassen. 141 Deswegen ist auch in den bestgeordneten Staaten ein Gesetz verfaßt, [426 M.] daß man keine Zeugenschaft auf Grund des Gehöres ablege,[192] weil sein Urteil von Natur zur Bestechlichkeit neigt.[193] Auch Moses sagt es in den Verboten: „Du sollst kein leichtfertiges Gerücht aufnehmen“ (2 Mos. 23, 1),[194] wodurch nicht nur gesagt wird, daß man (keine) falsche oder törichte Rede mittels des Gehörs aufnehme, sondern auch, daß das Gehör überführt ist, in bezug auf die klare Erfassung der Wahrheit hinter dem Gesichtssinn weit zurückzubleiben, da es voller Leichtfertigkeit ist. [28] 142 Das ist unserer Meinung nach der Sinn der Erzählung: Gott sei herabgestiegen, um die Stadt und den Turm zu sehen. Nicht unwichtig ist auch der Zusatz „den die Söhne der Menschen gebaut hatten“ (1 Mos. 11, 5). Es wird vielleicht einer der Unfrommen spottend sagen: der Gesetzgeber lehrt uns etwas ganz Neues,[195] daß Türme und Städte keine anderen Wesen als die Söhne der Menschen bauen! Wer weiß denn nicht, auch von den ganz Verblödeten, was so klar und augenscheinlich ist? 143 Du darfst aber nicht (annehmen), daß in den heiligen Gottessprüchen diese oberflächliche und triviale (Lehre) aufgezeichnet sei, vielmehr (ist es) der verborgene Sinn, auf welchen die deutlichen Worte hinweisen. 144 Was ist also damit gemeint? Diejenigen, welche gleichsam viele Väter der Schöpfung anerkennen und eine große Göttermenge einführen, die Dinge von einer Vielheit und Mannigfaltigkeit der Prinzipien überfluten lassen und der Lust das höchste Lebensziel zuweisen, werden, um die Wahrheit zu sagen, Gründer der genannten Stadt und ihrer Burg, indem sie die Mittel zu diesem Ziel einem Bau gleich vergrößern. Sie unterscheiden sich meines Erachtens in nichten von der Brut der Dirne,[196] die das Gesetz von der göttlichen[138] Gemeinde ausschloß. Das lautet: „Von einer Dirne (der Sohn) darf in die Gemeinde des Herrn nicht eintreten (5 Mos. 23, 3),“ weil sie wie die Bogenschützen, die um viele Zielscheiben herumschweifen, ohne sich nach einem bestimmten Ziele zu richten, zahllose Prinzipien und Ursachen – alle fälschlich so bezeichnet – der Weltschöpfung annehmen, von dem einen Schöpfer und Vater des Alls aber nichts wissen. 145 Die sich aber auf die Erkenntnis stützen, werden nach Gebühr Söhne des einzigen Gottes genannt, so wie es Moses in der Form zugesteht, indem er spricht: „Söhne seid ihr des Herrn, eueren Gottes“ (5 Mos. 14, 1) und „den Gott, der dich geboren“ (5 Mos. 32, 18) und „ist nicht er dein Vater?“ (ebd. 6). Es ergibt sich nun für Menschen, die von solcher seelischen Beschaffenheit sind, daß sie nur das (sittlich) Schöne für ein Gut halten,[197] das seitens der kriegserfahrenen Männer als Bollwerk gegen das höchste Ziel der Lust errichtet wird, um es zu erschüttern und zu zerstören. [427 M.] 146 Wenn aber jemand noch nicht würdig ist, Sohn Gottes zu heißen, so bestrebe er sich, sich zuzuordnen dem Logos,[198] seinem Erstgeborenen, dem Ältesten unter den Engeln, da er Erzengel und vielnamig ist.[199] Er heißt nämlich: Anfang, Namen und Wort Gottes, der ebenbildliche Mensch und der Schauende, Israel.[200] 147 Das hat mich kurz zuvor dazu bewogen, die Tugenden derer zu rühmen, die sagen: „Wir sind alle Söhne eines Mannes“ (1 Mos. 42, 11).[201][139] Denn wenn wir auch noch nicht tüchtig (genug) sind, als Söhne Gottes erachtet zu werden, so doch (wenigstens) seines formlosen Abbildes, des hochheiligen Logos; der ehrwürdige Logos ist nämlich das Ebenbild Gottes. 148 An vielen Stellen der Gesetzgebung werden sie eben wiederholt Söhne Israels genannt, die Hörenden als (Söhne) des Schauenden, insofern das Gehör des zweiten Preises nach dem Gesicht gewürdigt wurde und der Lernende den zweiten Platz einnimmt nach dem, der immer ohne Unterweisung klare Eindrücke von den Gegenständen empfängt. 149 Ich bin auch voller Bewunderung für die in den Büchern der Könige (befindlichen) Worte der Offenbarung, wonach solche, die viele Geschlechter später lebten und blühten, sehr richtig als Söhne des Sängers des göttlichen Preises, David, bezeichnet werden (1 Kön. 15, 11; 2 Kön. 18, 3 u. ö.), wiewohl vielleicht zu dessen Lebzeiten noch nicht einmal ihre Urgroßväter geboren geworden waren. Aber die Entstehung der durch die Tugend zur Unsterblichkeit gelangenden Seelen, nicht die der vergänglichen Körper, wird auf die Führer zur Rechtschaffenheit als die Erzeuger und Väter zurückgeführt. [29] 150 Gegen diejenigen aber, die sich des Unrechttuns rühmen, wendet sich das Wort des Herrn: „Siehe, ein Volk ist es, und eine Sprache haben sie alle“ (1 Mos. 11, 5),[202] was soviel heißt als: eine Sippengemeinschaft,[203] sowie eine harmonische Übereinstimmung bilden sie allesamt, da kein Mensch abweichender Meinung ist noch einen Mißton hineinträgt, wie es sich auch[204] mit Leuten verhält, die von Musik nichts verstehen. Es kommt nämlich vor, daß ihr Stimmorgan in allen Lagen äußerst mißtönend und mißklingend ist, weil es zur Ungestimmtheit höchlichst gestimmt, auch nur zu einem mißklingenden Einklang führt. 151 Ähnliches kann man bei dem Fieberanfall[205] wahrnehmen. Denn die von den Adepten der Ärzte als „alltäglich“, „dritttäglich“ und „vierttäglich“ bezeichneten Wechselanfälle setzen bei Tag und Nacht zur selben Stunde ein,[206] immer dieselbe Ordnung einhaltend. 152 Die Worte: „Und dies begannen sie [428 M.] zu tun“ (1 Mos. 11, 6) sind mit starkem Unwillen[140] gesprochen, da es den Leichtfertigen nicht genügte, nur die Rechte der Gleichbürtigen umzustoßen,[207] sondern sie sich sogar an das Olympische wagten, Unrecht säend und Gottlosigkeit erntend. 153 Aber kein Nutzen (erwächst daraus) für die Elenden; denn mit der Gottlosigkeit verhält es sich nicht so wie mit dem gegenseitigen Unrechttun, wobei sie vieles von ihren Vorhaben verwirklichen, indem sie durch die Tat bekräftigen, was sie in unvernünftigem Sinnen ausgedacht haben: das Göttliche bleibt ja unbeschädigt und unversehrt. Da sie gegen es sündigen, finden sie, die der Läuterung nicht mehr fähig sind, nur den Anfang, erreichen aber nie das Ziel. 154 Deshalb heißt es auch „sie begannen zu tun“: (denn) als solche, die nach dem gesetzwidrigen Handeln ein ungestilltes Verlangen haben, wurden sie der Laster gegen das, was auf der Erde, im Meere und in der Luft sich befindet, dem eine vergängliche Natur zuteil wurde, überdrüssig und hatten die Absicht, sich gegen die göttlichen Wesen im Himmel umzustellen; diesen aber ist kein Geschaffenes imstande, außer der Lästerung, auf irgendwelche Weise Schlimmes zuzufügen;[208] ja, selbst das Lästern bringt keinen einzigen Schaden den Gelästerten, die die eigene Natur nie einbüßen, vielmehr (bringt es) unheilbare Leiden denen, die mit Anklagen (gegen jene) auftreten. 155 Obgleich sie nur angefangen haben ohne das Ziel ihres gottlosen Treibens erreichen zu können, sind sie nichtsdestoweniger zu bezichtigen, als ob sie sämtliche Absichten in die Tat umgesetzt hätten.[209] Aus diesem Grunde heißt es auch, daß sie den Turm vollendet haben, obwohl sie diesen (in Wirklichkeit) nicht vollendet haben. So heißt es: „Gott stieg herab, um zu sehen die Stadt und den Turm“, nicht den sie „bauen wollten“, sondern den sie bereits „gebaut hatten“ (1 Mos. 11, 5). [30] 156 Welchen Beweis gibt es also dafür, daß dies Unternehmen nicht vollbracht wurde? Erstens ist es der Augenschein: denn[141] kein einziger Teil der Erde kann wegen der oben angeführten Ursache den Himmel berühren, da auch der Mittelpunkt eines Kreises den Umfang nicht berührt.[210] Zweitens, weil der Äther, das heilige Feuer,[211] eine unauslöschbare Flamme ist, wie schon der Name zeigt, von lodern (αἲθειν), in der Umgangssprache: brennen, so genannt.[212] 157 Dafür zeugt ein einziger Teil der himmlischen Feuermasse, die Sonne, die trotz ihrer großen Entfernung von der Erde die Strahlen bis in ihr Inneres eindringen läßt und sowohl sie selbst als auch die von Natur kalte Luftmasse, die sich von ihr (der Erde) bis zum himmlischen Kreis erstreckt, teils erwärmt, teils erhitzt. Diejenigen (Gegenden) nämlich, welche weit entfernt sind von ihrem Bewegungskreis oder ihr schräg gegenüberliegen, erwärmt sie nur, die aber nahe oder gerade gegenüber gelegen sind, brennt sie sogar mächtig. 158 Wenn es sich aber damit so verhält, hätten dann nicht notwendig die Menschen, die hinaufzusteigen sich erdreisteten, wie durch den Blitz verbrennen müssen, also daß ihre hochfliegenden Absichten schon vereitelt wurden?[213] Darauf[214] scheinen mir die folgenden Worte hinzuweisen; denn es heißt: „Sie hörten auf, die Stadt und den Turm[215] zu bauen“ (1 Mos. 11, 8), sie haben es also nicht vollbracht, [429 M.] vielmehr waren sie in der Ausführung durch die darauf entstandene Verwirrung verhindert. Jedoch entgingen sie nicht der Anklage der Vollbringung, weil sie zur (bloßen) Beschlußfassung noch den Versuch hinzukommen ließen. [31] 159 So sagt eben das Gesetz von dem Vogel- und Zeichenschauer, der unnütz mit unsicheren Vermutungen sich befaßt – denn Bileam heißt: nutzloses (Volk) –[216], daß er dem Schauenden fluchte; obwohl er in Worten fromme Wünsche aussprach, weil nicht die Worte berücksichtigt werden, die durch Gottes Fürsorge, wie eine echte Münze statt einer falschen umgeprägt wurden,[142] sondern die Gesinnung, der das Schadenbringende an Stelle des Nützlichen vorschwebte. Von Natur widerstreitend sind aber: Mutmaßung und Wahrheit, Eitelkeit und Erkenntnis, die Wahrsagung ohne Begeisterung und nüchterne Weisheit.[217] 160 Wenn somit einer versucht, den anderen aus dem Hinterhalt umzubringen, jedoch ihn nicht zu töten vermochte, unterliegt er um nichts weniger der Strafe des Menschenmordes, wie das darauf bezügliche Gesetz klar lautet. Denn es heißt: „Wenn jemand dem Nächsten zusetzt, um ihn tückisch zu töten, und er flieht,[218] von meinem Altare sollst du ihn wegnehmen, daß er sterbe“ (2 Mos. 21, 14);[219] aber er hat ihm doch nur zugesetzt und ihn nicht umgebracht; die Absicht zu morden wird also als Frevel betrachtet, der dem Töten gleichkommt. Deswegen wird ihm nicht einmal als Schutzflehendem Straffreiheit gewährt, vielmehr hieß (das Gesetz) denjenigen, der eine so ruchlose Absicht hegte, aus dem Heiligtum wegführen. 161 Ruchlos (war sie) nicht nur deshalb, weil er gegen die Seele, die durch Erwerb und Übung der Tugenden ewig leben könnte, einen Mord durch schändlichen Angriff plante,[220] sondern auch deswegen, weil er Gott als den Urheber des frevelhaften, frechen Treibens angibt. Denn die Worte „und er flieht“ weisen auf diesen Sinn hin; da viele, die den gegen sie gerichteten Anklagen entgehen wollen und sich vor der Strafe für ihr Verbrechen zu schützen suchen, die eigene Blutschuld Gott zu Last legen,[221] der Urheber ist aller Güter, dagegen keines einzigen Übels.[222] Deshalb wurde es als statthaft erachtet, solche Menschen selbst von dem Altare wegzuführen.
[143] 162 Denen aber,[223] die gottlose Reden aufbauen und zusammenschmieden, bestimmt er eine ungemein große Strafe, die vielleicht manche Unverständige nicht als Schaden, sondern als Vorteil ansehen werden. „Nichts wird verfehlt sein von ihnen“ – heißt es – „was zu tun sie sich aufmachen“ (1 Mos. 11, 6). Welch grenz- und maßloses Unheil ist es, wenn alles, wozu der ganz verblendete Geist sich aufmacht, ganz zur Verfügung steht, und durchaus nichts, (weder) Großes noch Kleines, ausbleibt, vielmehr immer zu [430 M.] jeglichem Bedarf gleichsam von selbst entgegenkommt! [32] 163 Es ist dies ein Beweis dafür, daß die Seele der Vernunft beraubt ist[224] und auf dem Wege der Sünde kein Hindernis kennt. Wer nämlich nicht einer geradezu unheilbaren Krankheit verfallen ist, der möchte sich wünschen, daß ihm sämtliche Mittel (zur Verwirklichung) des Vorhabens seines Sinnes fehlen, damit er keinen Erfolg habe, wenn er sich aufmacht zu stehlen, die Ehe zu brechen, zu morden, Tempelraub oder derartiges zu begehen, vielmehr möchte er unzählige Hemmnisse finden, die ihn von der Vollstreckung abhalten.[225] Denn wird er gehindert, so entgeht er der größten Krankheit, dem Unrechttun; er wird sie aber auf sich laden, wenn er ohne Scheu vorgehen kann. 164 Warum beneidet ihr also und bewundert das Los der Tyrannen – wie wenn das glückliche Menschen wären –, dank welchem sie alles erreichen, was der wahnwitzige und verwilderte Geist entwirft, während man im Gegenteil[226] sie beklagen sollte, wenn anders Mangel und Schwäche den Schlechten zuträglich sind, sowie Überfluß und Kraft dem Guten höchst nützlich ist? 165 Einer der Unvernünftigen,[227] der es aber eingesehen, zu welchem furchtbaren Unheil die Freiheit des Sündigens führt, sprach es offen aus: „Größer ist für mich die Beschuldigung, losgelassen zu sein“ (1 Mos. 4, 13).[228] Sehr schädlich ist es nämlich, die Seele ungezäumt[144] zu lassen, die an sich unbändig ist und die man nur mit knapper Not besänftigen kann, wenn man sie durch Zügel und Peitschenschwingen lenkt. 166 Deshalb erging folgender mildevoller Spruch des gnadenreichen Gottes, in dem den Freunden der Bildung[229] gute Hoffnung in Aussicht gestellt wird: „Ich werde dich nicht freigeben[230] und nicht verlassen“ (Jos. 1, 5). Wenn nämlich die Bande, durch die die Seele festgehalten wird, gelockert sind, erfolgt das größte Unheil, daß sie von Gott verlassen wird, der um das Weltall unzerstörbare Bande, seine Kräfte,[231] legte, mit denen er das All zusammenschnürte und über dessen Unlösbarkeit entschied. 167 Es heißt jedoch auch an anderer Stelle: „was mit einem Band verknüpft ist, ist rein“ (4 Mos. 19, 15).[232] Denn die Loslösung ist die Ursache der unsühnbaren Verderbnis. Bewundere also nie einen Bösen, wenn du siehst, daß er alles, wozu immer er sich aufmacht, leicht erreicht, als ob er dadurch erfolgreich wäre, sondern im Gegenteil bemitleide ihn als Unseligen, da er in Mangel an Tugend und in Fülle an Schlechtigkeit sein Leben zubringt. [33] 168 Es verdient auch ernsthaft untersucht zu werden, welchen Sinn die Worte haben, die Gott in den Mund gelegt werden: „wohlan wir wollen herabsteigen und daselbst ihre Sprache verwirren“ (1 Mos. 11, 7). Er scheint nämlich manche als seine Helfer anzusprechen. Ebenso lautet es vorher bei der Schöpfung der Menschen. 169 Denn es heißt: „Es sprach Gott, der Herr: wir wollen einen Menschen machen nach unserem Ebenbilde und unserer Ähnlichkeit“ (1 Mos. 1, 26),[233] wobei das „wir wollen machen“ auf eine Vielheit hinweist. Und hinwiederum „Es sprach Gott: siehe, Adam wurde wie einer von uns, Gutes und Böses zu erkennen“ (1 Mos. 3, 22). [431 M.]Denn die Wendung „wie einer von uns“ wird nicht von einen sondern von vielen ausgesagt. 170 Es muß nun zunächst gesagt werden, daß nichts von dem, was da ist, Gott gleichwertig ist, sondern es nur einen Herrscher, Führer und König gibt, dem allein es ziemt,[145] alles zu richten und zu lenken. Denn die Worte: Nimmer Gedeihen bringt Vielherrschaft, nur Einer sei Herrscher, Einer nur Fürst[234] ... könnte man kaum mit größerem Rechte von Staaten und Menschen sagen, als von der Welt und Gott; denn die eine (Welt) hat notwendigerweise nur einen Schöpfer und Vater sowie (einen) Herrn. [34] 171 Nachdem dies eingeräumt wurde, ist es wohl folgerichtig, was damit in Zusammenhang steht, anzuschließen. Wir wollen nun sehen, was das sei.[235] Wenn es auch nur einen einzigen Gott gibt, so hat er doch um sich unsäglich viele Kräfte, die sämtlich dem Geschaffenen gegenüber hilfreich und heilbringend sind. Zu ihnen gehören auch die strafenden (Kräfte); denn auch die Strafe ist nichts Schädliches, insofern sie ein Verhindern und ein Wiedergutmachen der Fehler ist. 172 Durch diese Kräfte wurde die körperlose, geistige Welt, das Urbild dieser wahrnehmbaren, hergestellt, zusammengesetzt aus unsichtbaren Ideen, wie diese aus sichtbaren Körpern. 173 So (kam es, daß) manche, in Staunen versetzt über die Natur einer jeden von den beiden Welten, diese nicht nur als Ganzes vergöttern, sondern auch die schönsten ihrer Teile, die Sonne, den Mond und die ganze Welt, die sie Götter zu nennen sich nicht scheuten. Da Moses ihren Wahnsinn genau erkannte, sagt er: „Herr, Herr, König der Götter“ (5 Mos. 10, 17),[236] um den Unterschied zwischen Herrscher und Untertan klar darzutun. 174 Aber auch in der Luft gibt es einen hochheiligen Chor körperloser Seelen,[237] den Begleiter der himmlischen. Diese Seelen pflegt der Gottesspruch Engel zu nennen. So steht eben das ganze Heer der beiden (Welten),[238] das in einer entsprechenden Ordnung aufgestellt ist, zu Diensten des Führers, der sie aufstellte, und folgt ihm nach Recht und Gebühr als seinem Vorgesetzten. Denn unangemessen wäre (der Gedanke), daß das himmlische Heer sich je des Verlassens von Reih’ und Glied schuldig machte. 175 Dem König steht es wohl an, sich mit seinen Kräften zu unterhalten und sie zur Dienstleistung in solchen Dingen zu verwenden, die herzustellen Gott[146] selbst nicht geziemt.[239] Zwar ist der Allvater keiner Sache bedürftig, sodaß er (die Hilfe) anderer nötig hätte, wenn er beabsichtigen möchte, etwas zu schaffen; dennoch gibt es Dinge, deren Gestaltung er den untergebenen Kräften überließ, indem er erwog, was ihm und was den Geschaffenen ansteht. Dabei gab er jenen durchaus nicht das unumschränkte Schaffensvermögen, damit nicht an irgendeinem von den Dingen, die in Erscheinung treten sollen, etwas fehlerhaft gemacht werde. [35] 176 Dies also mußte vorausgeschickt werden. Zu welchem Zwecke[240] – das ist nun zu besprechen. Die Natur der Lebewesen zerfällt zunächst in den vernunftlosen und vernunftbegabten Teil, die einander entgegengesetzt sind; [432 M.] der vernunftbegabte (zerfällt) hinwieder in die vergängliche und die unsterbliche Art: vergänglich ist die der Menschen, unsterblich die der körperlosen Seelen, die sich in Luft und Himmel bewegen. 177 Diese haben an der Schlechtigkeit keinen Anteil, da ihnen ein ungetrübtes und seliges Geschick von Anbeginn an zufiel, und sie nicht an den Ort endloser Leiden, den Körper, gebunden sind. Aber auch (die) der vernunftlosen Wesen haben daran keinen Anteil, da sie des Verstandes bar sind und nicht der freiwilligen Vergehen überführt werden, die aus der Überlegung entstehen. 178 Wohl ausschließlich der Mensch ist es, der, obwohl er das Wissen um Gut und Böse besitzt,[241] oft das Schimpflichste wählt, das Strebenswerte aber flieht, sodaß er hauptsächlich wegen vorsätzlicher Sünden verurteilt wird. 179 In geziemender Weise hat Gott daher zu dessen Erschaffung auch seine Untergebenen herangezogen, indem er sprach: „wir wollen einen Menschen schaffen“, damit die rechten Taten des Menschen auf ihn (Gott) allein zurückgeführt werden, die Sünden aber auf andere. Denn Gott, dem Alllenker, schien es sich nicht zu ziemen, selbst die Neigung zur Schlechtigkeit in der vernunftbegabten Seele zu schaffen. Deswegen hat er den Wesen, die ihn[147] umgeben, die Schöpfung dieses Teiles überlassen.[242] Es war nämlich notwendig, daß das dem Unfreiwilligen Entgegengesetzte, das Freiwillige, zur Ergänzung des Weltalls eingesetzt werde und zum Vorschein komme. [36] 180 Das sei nun somit gesagt. Es muß aber auch das in Erwägung gezogen werden, daß Gott ausschließlich Urheber des Guten ist, keinesfalls aber des Bösen, da er selbst das altehrwürdigste aller Wesen ist und das vollkommenste Gut. Es ist aber Gott höchst geziemend, das zu schaffen, was seiner eigenen Natur entspricht – dem Besten das Beste –, dagegen die Bestrafung der Schlechten durch die ihm Untergeordneten auszuführen. 181 Für meine Ausführungen sprechen auch die Worte dessen, der durch Ausübung (der Tugend) zur Vollkommenheit gelangt ist:[243] „der Gott, der mich nährt von meiner Jugendzeit an, der Engel, der mich erlöst von allem Übel“ (1 Mos. 48, 15. 16);[244] denn auch dieser gibt zu, daß die wahren Güter, die die tugendfreundlichen Seelen nähren, auf Gott als den einzigen Urheber zurückgeführt werden, der Anteil am Bösen dagegen den Engeln zugewiesen wurde[245] – wenn sie auch keine unumschränkte Strafgewalt haben –, damit seine (Gottes) erlösende Natur mit nichts Verderbenbringendem in Berührung gerate. 182 Deshalb heißt es: „Wohlan, wir wollen herabsteigen und verwirren“. Denn die Gottlosen haben es verdient, daß ihnen solche Gerechtigkeit widerfahre: daß seine (Gottes) gnadereichen, wohltuenden, freigebigen Kräfte sich mit den Strafen abfinden.[246] Obwohl er aber sah, daß diese (Strafen) dem Menschengeschlechte förderlich sind, hat er sie doch durch andere (Wesen) bestimmen lassen. Denn einerseits müßten ihm (dem Menschengeschlecht) Besserungsmaßnahmen zuteil werden, andererseits sollten die Quellen seiner (göttlichen), ewig fließenden Gnade [433 M.] durch die wirklichen wie die bloß vermeintlichen Übel ungetrübt bleiben. [37] 183 Was aber die Synchysis[247] bedeute, das soll erforscht werden. Wie werden wir also forschen? Meiner Ansicht nach folgendermaßen.[248][148] Oft erkennen wir, Leute, die wir vorher nicht kannten, an Verwandten und an Leuten, die irgendeine Ähnlichkeit mit ihnen haben. Können uns nicht in derselben Weise Dinge, die an sich selbst nicht leicht faßbar sind, auf Grund der Ähnlichkeit mit verwandten (Gegenständen) klar werden? Welche (Begriffe) sind also der Synchysis ähnlich? 184 Die Mengung (μῖξις), wie das alte Wort heißt, und die Mischung (κρᾶσις); „Mengung“ wird für trockene Dinge, „Mischung“ für flüssige gewählt. 185 Die Mengung ist demnach ein Nebeneinandersetzen verschiedener Körper ohne Ordnung, wenn jemand z. B. einen Haufen macht, indem er Gerste, Weizen, Kichererbsen und andere Gattungen von Getreide zusammenträgt, die Mischung aber ist kein Nebeneinandersetzen, sondern ein Ineinanderwirkenlassen[249] ungleicher Teile, die einander vollständig durchdringen, jedoch so, daß die Qualitäten noch durch künstliches Verfahren gesondert werden können, wie es mit (der Mischung von) Wein und Wasser der Fall sein soll. 186 Wenn diese Stoffe nämlich zusammenkommen, vollziehen sie eine Mischung, aber der Inhalt der Mischung erlangt um nichts weniger die einfachen Qualitäten wieder, aus denen sie entstanden sind. Denn mittels eines eingeölten Schwammes wird das Wasser angezogen und der Wein bleibt zurück; da der Schwamm vom Wasser herrührt, zieht er vielleicht deshalb aus der Mischung das Verwandte, das Wasser an sich, das Fremde aber, der Wein, bleibt zurück. 187 Die Synchysis (Zusammengießung) dagegen ist eine Auflösung der ursprünglichen Qualitäten durch Ineinanderwirken aller Teile zur Entstehung einer (von jenen) verschiedenen (Qualität), so wie es mit der Tetrapharmakos-Mixtur[250] in der Heilkunst der Fall ist. Wachs, Talg, Pech,und Harz, wie es scheint, machen zusammen diese aus. Ist sie einmal zusammengesetzt, so können die Qualitäten, aus denen sie zusammengesetzt wurde, unmöglich gesondert werden; vielmehr ist eine jede einzelne verschwunden, und die[149] Auflösung aller erzeugte eine andere, vorzügliche Kraft. 188 Als Gott aber den unfrommen Gedanken eine Synchysis androht, läßt er nicht nur jegliche Untugend als Einzelart und -kraft schwinden, sondern auch, was aus jenen zusammengetragen wurde, damit weder die einzelnen Teile für sich, noch die ganze übereinstimmende Rotte eine Macht um sich sammle zur Vernichtung des besseren Teiles. 189 Deshalb heißt es: „wir wollen daselbst ihre Sprache verwirren, damit sie nicht verstehen einer die Sprache des anderen“ (1 Mos. 11, 7), was soviel heißt als: wir wollen sämtliche Teile der Schlechtigkeit stumm machen, damit sie weder durch das Hervorbringen der eigenen (Stimme), noch durch das Zusammentönen mit anderen Schaden verursache. [38] 190 Dies ist unsere Auffassung. Die aber nun das Äußere und Obenaufliegende verfolgen, glauben, daß hiermit die Entstehung [434 M.] der griechischen und barbarischen Sprachen beschrieben sei. Ohne ihnen Vorwürfe zu machen, – vielleicht ist auch ihre Meinung richtig – möchte ich sie auffordern, nicht dabei stehen zu bleiben, sondern zu der figürlichen Auslegung überzugehen in der Überzeugung, daß der Wortlaut der Gottessprüche dem Schatten der Körper gleicht, die (durch den Wortlaut) veranschaulichten Bedeutungen aber den tatsächlich vorhandenen Gegenständen. 191 Die Veranlassung zu dieser Art (der Auslegung) gibt wohl den am Geiste nicht Geblendeten der Gesetzgeber selbst, wie offenbar auch bei der hier besprochenen Erzählung. Denn das Ereignis nannte er Synchysis, obwohl er es doch, hätte er nur die Entstehung der Sprachen darstellen wollen, mit einem treffenderen Ausdruck als Sonderung statt als Synchysis (Zusammengießung) bezeichnet hätte. Denn was geschieden wird, wird nicht zusammengegossen; im Gegenteil, es wird gesondert; der Gegensatz liegt nicht nur in den Bezeichnungen, sondern auch in der Sache. 192 Denn Synchysis ist, wie gesagt, die Auflösung der einfachen Kräfte zum Zwecke der Entstehung einer zusammengesetzten, Sonderung aber ist die Scheidung des Einen in ein Vieles, wie es sich mit der Gattung und ihren Arten verhält. Hätte somit der Allweise die Scheidung der einen Sprache in mehrere Mundarten geboten, würde er einen näherkommenden, richtigeren Namen gebraucht haben, von einer Scheidung, Teilung, Sonderung oder derartigem sprechend, nicht von der Synchysis, die jenen entgegengesetzt ist. 193 Vielmehr ist sein Streben darauf gerichtet, die Schar der Untugend(en) aufzulösen, ihre Übereinstimmung aufzuheben, ihre Gemeinschaft zu beseitigen,[150] ihre Kräfte zu vernichten und auszurotten, die durch furchtbare Untaten befestigte herrschende Gewalt zu zerstören. 194 Siehst du nicht, daß auch der Bildner der Seelenteile[251] keinen zu wechselseitiger Gemeinschaft an (den Funktionen) des anderen zusammenführte? Vielmehr können die Augen nicht hören, die Ohren nicht sehen, im Munde der Geschmacksinn nicht riechen, die Nase nicht schmecken, die Sprache von einer Wahrnehmung nicht berührt werden, noch ein Sinnesorgan hinwiederum die Sprache hervorbringen. 195 Denn der Meister sah es als nützlich an, daß keines von ihnen die Sprache des anderen verstehe, vielmehr sollen die (einzelnen) Seelenteile zum Wohle der Lebewesen die eigenen Kräfte unvermischt gebrauchen, die Gemeinschaft aber soll ihnen genommen werden;[252] das Gefolge der Schlechtigkeit dagegen soll zur vollständigen Verwirrung und Auflösung geführt werden, damit es weder in gemeinsamer noch in gesonderter (Tätigkeit) den Besseren schädlich werde. 196 Deshalb heißt es auch: „Es zerstreute sie der Herr von dort“ (1 Mos. 11, 8), was soviel besagt als: er zersprengte, vertrieb, ließ schwinden, denn das Streuen[253] (bewirkt Gutes, das Zerstreuen aber Böses), jenes nämlich hat Zunehmen, Vermehrung und Wachstum des anderen zum Zwecke, dieses dagegen Vernichtung und Auflösung. Gott der Pflanzer[254] will aber die Rechtschaffenheit in das All streuen, [434 M.] dagegen die verdammenswerte Unfrömmigkeit zerstreuen und aus dem Weltstaat verbannen,[255] damit die tugendfeindlichen Sinnesarten endlich einmal aufhören, die Stadt und den Turm der Gottlosigkeit zu bauen. 197 Denn sind diese zerstreut, werden diejenigen, die einst vor der Gewaltherrschaft der Unvernunft geflohen sind, durch einen Erlaß die Rückkehr erlangen, da den Erlaß (Gott) ausgefertigt und bestätigt hat, wie der Gottesspruch beweist, in dem deutlich gesagt wird: „Wenn deine Zerstreuung von Himmelsende bis Himmelsende sein wird, von dort wird er dich sammeln“ (5 Mos. 30, 4).[256] 198 So geziemt[151] es denn Gott, den Chor der Tugenden zusammenzuhalten, den der Laster hingegen aufzulösen und zu vernichten. Der entsprechendste Name für Untugend ist aber Verwirrung.[257] Ein klarer Beweis hierfür ist jeder Unvernünftige, da er sich mit verworrenen und vermengten[258] Reden, Absichten und Taten abgibt.


  1. Auf das Buch „Über die Nüchternheit“, in dem 1 Mos. 9, 24–27, erklärt werden, folgt, nach Übergehung von 1 Mos. 10 (Völkertafel), die exegetische Schrift „Über die Verwirrung der Sprachen“ zu 1 Mos. 11, 1–9. Vgl. die Einl. zum 1. Bande S. 6.
  2. Πολιτεία bedeutet hier, wie oft bei Philo (und Augustin) die gesamte Lebensordnung, daher die Thora, welche diese Ordnung vorschreibt.
  3. Über Philos Stellung zu den heidnischen Mythen vgl. Anm. zu Über die Nachkommen Kains § 2.
  4. Fortführung des gegnerischen Einwands. „Wir könnten viele Beispiele bringen; aber wir haben nicht nötig zu suchen; dies eine genügt.“
  5. Εἵς ist (abweichend von Mangeys Übers.) als Gegensatz zu ἕτερος § 6 zu erklären.
  6. Hom. Odyss. XI, 314. 315 (übers. v. J. H. Voss). Otos und Ephialtes, die riesenhaften Söhne des Aloeus, wollten den Himmel stürmen. Zu diesem Zwecke türmten sie den Ossa auf den Olymp und den Pelion auf den Ossa. Sie wurden wegen ihrer Verwegenheit von Apollo getötet.
  7. Die Griechen unterschieden eine obere und untere Luftschicht. Die erstere ist die ätherische Sphäre (αἰθήρ), der Wohnsitz der Götter. Die andere (ἀήρ) ist die dicke, unreine Luft, die die Menschen atmen. Vgl. Über die Weltschöpfung § 29 u. Anm.
  8. Aristarch von Samos, der das heliozentrische Weltsystem vertrat, fand in der Stoa, insbesondere bei Kleanthes, leidenschaftlichen Widerspruch und konnte nicht durchdringen. – Natürlich unterbrechen die letzten Sätze den Gedankengang der gegnerischen Quelle: den Nachweis der Wesensgleichheit jüdischer und hellenischer Mythen; aber Philo kann eine so unfromme und zugleich unwissenschaftliche Meinung nicht ohne Rüge lassen.
  9. Vgl. Plato Polit. 272Bf.; Jamblichos De vita Pythag. § 178.
  10. Philo spielt gern auf die sprichwörtlich gewordenen Worte Solons an τίκτει κόρος ὕβριν (Sättigung zeugt Übermut).
  11. Die griechischen Worte bedeuten (gemäß dem Doppelsinn von Logos) auch sprachbegabt und sprachlos. Über die Sprache als unterscheidendes Merkmal des Menschen vgl. All. Erkl. II § 14f und Anm. Auf den Unterschied von Mensch und Tier legten die Stoiker besonders Gewicht.
  12. Auch dieser Satz ist wohl Einschub Philos (s. die letzte Anm. zu § 5), der auch sonst nachzuweisen sucht, daß die Bibel, auch wörtlich verstanden, höher steht als die heidnische Mythologie, Vgl. Bréhier, Les idées philosophiques et rel. de Philon d’ Alexandrie S. 64.
  13. 5 <Καθ' ἑαυτὸν ἕκαστος ἐργάζωνται, ἀλλὰ μή> ergänzt Wendland (Rhein. Mus. 53, S. 18) nach De mut. nom. § 4.
  14. Da die Gegner der biblischen Gesetze und Erzählungen bei Philo meines Erachtens durchweg unter dem Einfluß des Kynismus stehen, wird man auch diese Einwände aus der Vorliebe der Kyniker für den Urzustand der Menschen und dem kosmopolitischen (also gegen nationale Unterschiede gerichteten) Zuge ihres Denkens erklären dürfen. Vgl. Über die Einzelges. II 42ff. I. H.
  15. Ἰδίᾳ auf ihre Weise (Gegensatz § 15), nach der wörtlichen Auffassung, die Philo nicht wiedergeben will.
  16. D. h. Wir Allegoriker. Philo faßt (was z. B. Mangey verkennt) γῆ Erde in demselben ungünstigen Sinn wie in Adam und namentlich Edom (vgl. § 25) und schließt aus φωνὴ μία (wörtlich eine Stimme) auf συμφωνία (Übereinstimmung).
  17. Den folgenden Ausführungen liegt die aristotelische Teilung der Güter (und dementsprechend auch der Übel) in drei Klassen: die körperlichen, geistigen und äußeren zugrunde. Vgl. Arist. Eth. I, 8. 1098b, 12. S. Über Abraham § 219. Die körperlichen und äußeren Übel heißen auch „zufällige“ (τυχηρά), da sie vom Zufall abhängen, wogegen die geistigen die freiwilligen (ἑκούσια) sind; vgl. Cic. Tusc. V 21 und Über die Tugenden § 5ff. Von der stoischen Lehre, die nur wissenschaftlich-ethische Werte als „Güter“ anerkennt, entfernt sich Philo sehr weit, aber nicht unter dem Einfluß weltanschaulichen Abweichung, sondern in dem rein rhetorischen Bestreben, die „Symphonie“ der verschiedenen Übel herauszubekommen. Daß diese Übel zum Teil nur schwer zum Begriff der Erde in Beziehung gesetzt werden können, bleibt dabei außer Betracht.
  18. Die platonische in der Mittelstoa nachwirkende Dreiteilung der Seele in Vernunft (νοῦς), Mut (θυμός) und Begierde (ἐπιθυμία) Phaedr. 246A.; Staat IV, 438A.
  19. Damit lenkt Philo zu dem Hauptgedanken von der „Symphonie“ des Erdhaften zurück.
  20. Zur Allegorie Erde – Sinnlichkeit vgl. Alleg. Erkl. I § 1. Dementsprechend ist unter dem Öffnen der Schleusen des Himmels die § 21 geschilderte Verstandesstörung zu begreifen.
  21. „... an diesem Tage brachen hervor alle Quellen der großen Tiefe und die Schleusen des Himmels taten sich auf“ (1. Mos. 7, 11). Die alleg. Deutung dieses Bibelverses Quaest. in Gen. II § 18.
  22. Zur alleg. Deutung der Sintflut als der Auflösung des geistigen Lebens vgl. Quaest. in Gen. II § 15.
  23. Die LXX liest וכל (וכל איש־) יוצר מחשבות בלבו‎.
  24. Bei Philo hat ἄνθρωπος (wie im Midrasch איש‎) einen auszeichnenden Sinn, vgl. Über Abr. § 32ff. u. Anm. zu § 33. Zum Gemeinplatz ἄνθρωπος – νοῦς in der griechischen Philosophie s. Anm. zu Über die Nachstellungen § 10.
  25. Tiere als Sinnbilder der Affekte kennt auch die griechische Allegoristik. Vgl. Cornutus Theol. 33; s: auch Alleg. Erkl. II § 11, III § 113.
  26. Die Worte: da beschloß er – angestiftet hat, bilden eine Umschreibung von 1 Mos. 5, 7. Von einer wörtlichen Anführung des biblischen Textes wird hier abgesehen, um der heiklen Frage von der Reue Gottes aus dem Wege zu gehen. Vgl. dazu Über die Unveränderlichkeit Gottes § 275ff.
  27. Ich behalte das zweite πᾶς und lese mit den Hss. ἰδὼν γὰρ, ὅτι πᾶς τις, φησί, διανοεῖται, πᾶς λογισμός κτλ.
  28. In ἔνσπονδον σπονδῶν Bündnis – Opferspende liegt ein Wortspiel, das sich im Deutschen nicht wiedergeben läßt. Ähnlich ist das Wortspiel ἐν σπονδαῖς ἄσπονδα Über d. Einzelges. III § 96 (vgl. die Anm.).
  29. Philo deutet Über die Trunkenheit § 222 Sodoma στείρωσις ἤ τύφλωσις, daher hier ἐστειρωμένους καὶ τυφλούς. Bei στείρωσις ist an שדמה Wüste, (übertr. leer) zu denken. Τύφλωσις kann sich aber nur auf Gomorra beziehen, das von עור blind abgeleitet wird. Ph. hat also zwei Etymologien vermengt. Vgl. Wutz, Onomastica sacra I 636. – Unter κατὰ γλῶτταν versteht Philo eine andere Sprache oder Mundart. Vgl. § 156; De congr. erud. gratia § 177 (Wendland Rhein. Mus. Jahrg. 53 S. 19).
  30. Ph. zitiert hier frei. Nach der LXX soll es heißen: und die Männer der Stadt, die Sodomiten, umringten das Haus, von Jung bis Alt, das ganze Volk zusammen.
  31. Ph. setzt die Engel den Dämonen der stoischen Lehre gleich. Es sind nach seiner Auffassung göttliche Wesen, die zwischen Gott und Mensch vermitteln, Die Ideen – Engel erinnern hier an des Dämonion des Sokrates. Vgl. Bréhier 131, 4; Einl. zu Bd. I S. 16f.; De somn. I § 141ff.; Üb. d. Riesen § 6ff.
  32. Vgl. De somn, II § 303ff.
  33. Ägypten ist bei Philo ein Symbol der Sinnlichkeit; König von Ägypten ist der νοῦς φιλοσώματος, der am Sinnlichen haftende menschliche Geist; zur Auffassung des Wassers als Symbols der Affekte vgl. Über die Einzelges. II § 147 u. ö.
  34. Dazu, sowie zu den weiteren Ausführungen über die Bedeutung des Stehens vgl. Über die Nachkommen Kains § 22ff.
  35. Vgl. Über die Geburt Abels § 8; Über die Nachkommen Kains § 28; Über die Riesen § 49; Über die Unveränderlichkeit Gottes § 23; De somn. II § 227. – Zur Übersetzung von αὐτοῦ στῆθι vgl. Anm. zu Über die Riesen § 49.
  36. Der Glaube wird Über die Tugenden § 216 als die sicherste Tugend geschildert.
  37. Die LXX übersetzt 2 Mos. 7, 15, ונצבת לקראתו‎ durch στήσῃ ὑπαντῶν. Ph. preßt das Wort ὑπαντῶν, das nichts mehr als das hebr. לקראתו ihm gegenüber wiedergeben will.
  38. Die LXX übersetzt das hebr. (היאר‎) שפת‎, das Lippe und Strand bedeuten kann, mit χεῖλος, welches eigentlich Lippe heißt, aber auch für Strand verwendet werden kann. Vgl. Herodot 2, 94: παρὰ τὰ χείλεα τῶν τε ποταμῶν καὶ τῶν λιμένων. Ph. nimmt das Wort hier in seiner ursprünglichen Bedeutung.
  39. Die Lippe ein Zaun auch De somn. II § 262 (ἔρυμα καὶ φραγμός); Anklang an das Homerische ἕρκος ὀδόντων.
  40. Ungenau zitiert, denn es müßte heißen: am Strande des Meeres. Vgl. Do somn. II § 280. Wieder ist χεῖλος vorzugsweise als Lippe zu verstehen.
  41. Mit Helix ἕλιξ (eigentlich das Gewundene, mit Schrauben Versehene) bezeichnet man verschiedene Maschinen. Vgl. Stephanus Thesaurus 742A. Hier ist von einem Tretrad die Rede, das unserem Wasserrad ähnlich ist.
  42. So werden oft die Propheten und die Frommen überhaupt (z. B. die Therapeuten) von Philo genannt.
  43. Diese „Symphonie“ bildet den Gegensatz zu der § 15ff. besprochenen.
  44. Ph. identifiziert öfters den „Menschen Gottes“ (ἄνθρωπος θεοῦ) mit dem Logos. Vgl. De fuga et invent. § 71. Über die Lehre vom himmlischen Menschen, dem zweiten Gotte in der Gnosis s. Reitzenstein, Poimandres 114; J. Kroll, die Lehren des Hermes Trismegistos 63ff.
  45. Ὀρθὸς λόγος das stoische Natur- und Sittengesetz, im Griech. ein masculinum.
  46. Die Brüder Josephs als die Vertreter der vollkommenen Tugend auch Über die Nachstellungen § 9.
  47. Über die Aktivität des Weisen besonders im öffentlichen Leben wurde in der stoischen Schule viel gestritten. Die jüngere Stoa neigt zum Aktivismus: WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Heinemann, Pos. met. Schr. I 3. Aber Philo denkt in erster Reihe an Wortkämpfe, die natürlich auch die ältere Richtung billigt.
  48. Wörtlich: sie liegen und stehen feindlich gegenüber.
  49. Philo ist schwärmerischer Verehrer des Propheten Jeremias. Vgl. Über die Cherubim § 49.
  50. So muß man nach § 49 hier übersetzen.
  51. Philo zitiert nicht genau. Nach der LXX, die wiederum von dem MT abweicht, soll es heißen: O wehe mir, Mutter אם‎, wie hast du mich geboren ( מי, מי ילדתני ‎= was für einen), einen rechtenden und streitenden Mann איש ריב ומדון ‎auf (-ב‎) der ganzen Erde, weder war ich (ihnen) etwas schuldig, noch waren sie mir schuldig. Meine Kraft versagte (keine Negation!) unter denen, die mir fluchen כחי כלה במקללי‎.
  52. Wörtlich des kriegslosen Friedens; ἀπόλεμος und das folgende πόλεμος bilden ein Wortspiel: ἀπόλεμος πόλεμος. Zum folgenden vgl. Leisegang, Berl. phil. Wochenschrift 1927, 1178.
  53. Παραινῶν – σωφρονίζων Ausdrücke, die in der griechischen Wanderpredigt (Diatribe) oft wiederkehren.
  54. Die Gleichheit ist Mutter der Gerechtigkeit: Über die Einzelges. IV § 231.
  55. Den Glauben an die Zusammengehörigkeit aller Menschen (Cic. Off. I 153 u. ö.).
  56. Die göttliche Weisheit, die fast durchgehends dem göttlichen Logos von Philo gleichgestellt wird (vgl. Bréhier S. 116), wird auch Über die Nachstellungen § 115 als Mutter und Pflegerin der nach der wahren Tugend Strebenden bezeichnet.
  57. Die LXX liest לא חמוד אחד מהם נשאתי‎ (חמוד ‎statt חמור‎) = ein Begehrtes, Gewünschtes.
  58. Auf das vorherg. unter ihnen zu beziehen. Mangey scheint den syntaktischen Zusammenhang nicht erkannt zu haben.
  59. Wörtlich: das ganze Wesen ihrer Begierde.
  60. Statt οὖτε ist wohl nach dem Bibelverse οὐδέ zu lesen.
  61. Mit Mangey lese ich: τοῖς ἐξ αὐτῶν μοι καταρωμένοις.
  62. Ein sehr gekünstelter Ausdruck. Wörtlich: infolge der körperlichen Kräfte der hinzukommenden Eigenschaften. Die verschiedenen Konjekturen beheben nicht ganz die Schwierigkeit. Welche Eigenschaften hier gemeint sind, dazu vgl. Über die Pflanzung Noahs § 133.
  63. Mit Wendland ist wohl συμφωνήσουσι zu lesen.
  64. Aron wird bei Philo als der auf das Erhabene gerichtete Gedanke (μετέωρα καὶ ὑψηλὰ φρονῶν λογισμός) Über die Trunkenheit (§ 128) gedeutet. Er ist daher der älteste unter den Gedanken.
  65. So muß man nach Philo übersetzen. Der MT hat ולא נפקדund keiner wurde vermißt. Die LXX gibt διαπεφώνηκεν, das ausklingen, daher den Geist aushauchen, sterben bedeutet. Philo nimmt es wörtlich, ebenso Über die Trunkenheit § 116, dagegen De mut. nom. § 109 im Sinne von sterben.
  66. Der Schlechte ist ein lebendiger Leichnam, Vgl. Über die Nachkommen Kains § 39 u. ö.
  67. Nach der Konjektur von Wendland γελάσαντες.
  68. Zur Etymologie von Madiam als der vom Göttlichen Ausgeschlossenen vgl. Alleg. Erkl. III § 243 nebst Anm.; sie ist die Sinnlichkeit (ebd. § 244). Nach 4 Mos. 35, 1ff. ging der Feldzug gegen die Midianiter, die Anbeter des Belphegor (25, 3).
  69. Zu Belphegor vgl. die Hauptstelle De mut. nom. § 106, wo der Name als ἀνωτέρω στόμα δέρματος (ב + על + פה + עול‎) gedeutet wird. Vgl. Alleg. Erkl. III § 244; Über die Nachkommen Kains § 137.
  70. Eine Anspielung auf den Alleg. Erkl. II § 25ff. ausgeführten Gedanken, daß das Erwachen der Sinnlichkeit ein Schlafen des Geistes bedeute.
  71. Etymologie איש רואה אל‎ oder vielleicht richtiger ישור אל‎.
  72. Die LXX liest: ומאצילי בני ישראל לא נפקד איש‎. Zum Doppelsinn von διαφωνεῖν s. die Anm. zu § 55.
  73. Philo schreibt etwas allgemeiner τὸ ὄργανον, das (Musik)instrument – in Anknüpfung an eines seiner Lieblingsbilder, die heraklitisch-stoische Vorstellung von der Harmonie des Alls.
  74. Phineas wird Über die Nachkommen Kains § 182 στόματος φιμός, Bändigung der Begierde gedeutet. Zur Etym. vgl. Anm. zur Stelle. Sein kriegerischer Charakter wird aus seinem Auftreten erschlossen.
  75. Daß Phineas der Midianiterin den Schoß durchbohrte (4 Mos. 25, 7), wird Alleg. Erkl. III § 242 sinnbildlich als die Ausrottung der Laster im WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Keime gedeutet. Vgl. Leben Moses I §30f.; Über d. Einzelges. I § 56ff. Alleg. Erkl. III § 342; Über die Trunkenheit § 73.
  76. Cohn und Wendland haben gesehen, daß hier eine Lücke klafft. Man muß ungefähr ergänzen: der Friede kommt zuerst dem Eiferer für die wahre Tugend und Gegner der Sinnlichkeit, sodann...
  77. Zum sprichwörtlichen ὀφθαλμοὶ ὤτων ἀκριβέστεροι (die Augen sind klarer als die Ohren) vgl. Über die Geburt Abels § 34 und Anm. [Philo unterscheidet eine niedere Klasse von Frommen, die sich nach dem Auge richtet, von einer höheren, die sich nur nach Gott selbst richtet; die § 59 erwähnten, die nicht unmittelbar Gott, sondern dem Logos gehorchen, scheinen mit den ersteren identisch zu sein; sonst wären drei Stufen anzunehmen. Die § 57 erwähnten fand er meines Erachtens 2 Mos. 19, 4: „Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern getan habe ...; wenn ihr jetzt hören werdet, so werdet ihr usw.; denn mein ist die ganze Erde.“ Sie stellen also das Sehen voran: zur Methode der Deutung vgl. § 59 Anfang (daher die Absage an das Nichtgöttliche § 57 Ende). Es sind wohl dieselben, denen Moses nach Vers 7 die Logoi Gottes verlegte. Vgl. auch folgende Anm.] I. H.
  78. Bei Mangey und Wendland ist irrtümlich als Quelle LXX Deut. 5, 27 = 30 MT angegeben, wo das (im MT fehlende) Hören voransteht; Philo meint 2 Mos. 19, 8 (vgl. 24, 7).
  79. S. die Anm. zu § 57.
  80. Statt δι' ὃν ist wohl mit Wendland δι' ὃ zu lesen.
  81. Als solche Gesinnungsart wird bei Ph. Isaak geschildert, der durch die glückliche Anlage (εὐφυΐα) nur das Gute sucht. Diese „angeborene“ Weisheit wird Quaest. in Gen. III § 59 mit dem Sehen, die erlernte aber mit dem Hören verglichen. Darauf scheint § 57 anzuspielen.
  82. Wörtlich: „sehr physisch“, wobei man unter „physisch“ die philosophisch-allegorische Deutungsweise zu verstehen hat. Vgl. Anm. zu Über die Nachkommen Kains § 7 und 60.
  83. Das griech. ἐντολή bedeutet eigentlich nur „Aufgang“; wird aber hauptsächlich von Sonnenaufgang gebraucht. Ph. nimmt das Wort hier in seiner eigentlichen Bedeutung.
  84. Vgl. Alleg. Erkl. I § 43; Über d. Pflanzung Noahs § 32; besonders ebd. § 40. Κατ' ἀνατολάς kann (und soll wohl nach Philo) bedeuten in der Weise des Aufgangs; denn dieser besteht im Pflanzen der Tugenden.
  85. Ph. folgt in seiner Bezeichnung Gottes als Pflanzer Plato, der den Weltschöpfer auch φυτουργός, nennt. Vgl. Über die Pflanzung Noahs § 2 nebst Anm.
  86. Vgl. Alleg. Erkl. I § 46. Zur Etymologie von Eden vgl. De somn. II § 242.
  87. Vgl. oben § 39.
  88. צמחSpross wird im Griechischen ebenfalls durch ἐντολή wiedergegeben.
  89. Zur Bezeichnung des Logos als den himmlischen Menschen vgl. oben § 41 und Anm. Auch im folgenden haben wir die Attribute des Logos. Er ist das Ebenbild Gottes. (Über die Weltschöpfung § 25; Alleg. Erkl. I § 31; Über die Pflanzung Noahs § 18), der älteste Sohn (Der Erbe des Göttlichen § 205), der Erstgeborene (Über die Landwirtschaft § 51). Über die Rolle des Logos in der Weltschöpfung vgl. Alleg. Erkl. III § 95f.; J. Kroll S. 57ff.
  90. בלק verwüsten, leer machen.
  91. Damit kehrt Philo zu den Männern des Turmbaus zurück.
  92. Dann heißt es: sie zogen vom Aufgange ganz weg, entfernten sich von der Tugend.
  93. D. h. sie bewegten sich, indem sie den Zusammenhang mit dem Laster aufrecht erhielten. In § 68 wird die erste Erkl. zugrunde gelegt. Diese zwei Arten von Bewegung werden Quaest. in Gen. II § 40 genauer erörtert. Für die „geeinte“ Bewegung wird die Ausstrahlung des Sonnenlichtes als Beispiel angeführt.
  94. שנער‎ = שנוער‎ was abschüttelt, erschüttert.
  95. Nach einer stoischen (zuletzt von Reinhardt, Kosmos und Sympathie 34ff. behandelten) Einteilung können Einheiten gebildet werden aus Getrenntem (z. B. ein Heer), aus Zusammenhängendem (eine Kette) oder Einheitlichem (ein Tier). Die beiden ersten Gruppen, meint Philo, können bei Erschütterung zerfallen.
  96. Vgl. oben § 30 und Anm.
  97. Die LXX hat für לקראתוin 2 Mos. 14, 27 ὑπὸ τὸ ὕδωρ.
  98. Gemeint ist: „er stürzte in das Meer“; doch s. das Vorherg.
  99. Das bunte Gewand Josephs (1 Mos. 37, 3) ist bei Ph. ein Sinnbild der bunten und schillernden, daher weltlichen Ansichten. Vgl. Über die Nachstellungen § 28; deshalb liebt auch Joseph die Außengüter und den Luxus (De somn. II § 47).
  100. In νεώτατον liegt eine Anspielung an 1 Mos. 37, 2 ὢν νέος. Ebenso heißt es von Joseph Alleg. Erkl. III § 242 νέος τε γάρ ἐστι.
  101. Der König von Ägypten als Symbol des der Sinnlichkeit verfallenen Geistes wird Balak = Unvernunft (ob. § 65) gleichgestellt.
  102. Der gottschauende Israel ist ein Symbol der Vollkommenheit, da das Schauen eine höhere Erkenntnisstufe bildet als das Hören (s. ob. § 57). Dagegen ist Jakob als Zustand des in der Tugend fortschreitenden Asketen aufgefaßt. Er bezeichnet die Stufe des mühsamen Lernens und Hörens: Über die Trunkenheit § 82; Über die Wand. Abr. § 38; Der Erbe des Göttlichen § 78; Über Abraham § 12.
  103. Weiterführung der Untersuchung des „Erschütterns“.
  104. Laban ist bei Ph. der Anbeter der äußeren Scheingüter; vgl. Über die Wand. Abr. § 28.
  105. ἐρευνᾶν αἰτῆται muß es heißen, wenn anders die Lesart αἰτῆται aufrecht erhalten bleiben soll. 1 Mos. 31, 32 ist es nicht Laban, der eine Untersuchung verlangt, sondern Jakob, der es von Laban verlangt.
  106. Εἴδωλον heißt Götzenbild und Trugbild. Vgl. Über die Einzelg. I § 25ff.
  107. Vgl. oben Anm. zu § 59.
  108. Vgl. Über die Geburt Abels § 43; Über die Wand. Abr. § 94; Über die Tugenden § 207.
  109. Der von Ph. oft gemachte Unterschied zwischen παροικεῖν und κατοικεῖν beruht darauf, daß man unter παροικεῖν die Niederlassung eines Fremden ohne Bürgerrechte (πάροικος) verstand.
  110. Οἰκεῖος heißt eigentlich zum Hause gehörig, bezeichnet aber, zumal im stoischen Sprachgebrauch, auch die innere Zugehörigkeit.
  111. Der Zusammenhang ist sehr lose. An den Gedanken, daß wir uns von der Sünde, natürlich innerhalb des Erdenlebens, bald losmachen sollen, wird die Lehre geknüpft, daß das ganze Erdenleben nur ein Aufenthalt in fremdem Lande sei.
  112. Ἀποικία wird namentlich von Ansiedlern in Kolonien gebraucht.
  113. Die Söhne Hets sind die Zerstörer des seelischen Lebens; De somn. II § 89f.
  114. Nach 1 Mos. 23, 3 steht Abraham auf ἀπὸ τοῦ νεκροῦ αὐτοῦ; gemeint ist: von der Leiche der Sara.
  115. Abgeleitet von עפר‎. Daran, daß Abraham nach V. 10 „in mitten“ der Söhne Hets sitzt, stößt sich Philo nicht.
  116. Vgl. Über die Nachstellungen § 46; Über die Wand. Abr. § 29.
  117. Vgl. Über die Weltschöpfung § 16; Über die Nachkommen Kains § 91.
  118. Ph. spielt mit dem Worte ξένη, das gastlich und fremd bedeutet.
  119. Die Lehre, daß man durch Unterteilung eine Sache besser erkennt, findet sich bei Philo auch sonst, z. B. Über die Einzelges. I § 209f.
  120. Das griechische Wort πλίνθος bedeutet Ziegel und übertragen Sockel wegen seiner viereckigen, dem Ziegel ähnlichen Gestalt.
  121. 2 Mos. 1, 14.
  122. Stoische Einteilung der Affekte.
  123. Gegenbegriffe der griechischen vier Grundtugenden.
  124. Die Söhne des gottschauenden Israel.
  125. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 54; De somn. II § 77.
  126. Unter εὐπάθειαι versteht die Stoa, der Philo folgt, oft die erlaubten Freuden.
  127. Wörtlich: in das körperliche Netz Ägyptens.
  128. Vgl. Alleg. Erkl. III § 212; Über die Nachstellungen § 94f.; Über die Wand. Abr. § 15.
  129. Die LXX hat das Anstoß erregende ויראו את אלהי ישראל und sie er blickten den Gott Israels (2 Mos. 24, 10a) in: sie sahen dem Ort, an dem Gott Israels stand - absichtlich geändert. Vgl. Siegfried, Philo von Alexandria, S. 18. Zur Bedeutung des „göttlichen Ortes“ vgl. De somn. I § 62.
  130. So verstand die LXX die Worte כעצם השמים‎; eigentlich: wie der Himmel selbst. Zur Stelle vgl. De somn, II § 222.
  131. Vgl. Über die Pflanzung Noahs § 6.
  132. Nach dem Vorgang der Stoa definiert Philo die Philosophie als ein Wissen um die göttlichen und menschlichen Dinge.
  133. Vgl. Über die Einzelges. I § 14.
  134. Vgl. Über die Geburt Abels § 14; Über die Unveränderlichkeit Gottes § 53; Über die Wand. Abr. § 113; De somn. I § 237.
  135. Ergänze (κατὰ τὸν λόγον) ... τὸν ἕνεκα διδασκαλίας, εἰσαγόμενον.
  136. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 33f. u. ö.
  137. Wenn Philo das vom (obersten) Himmelskreis Gesagte auf das Weltall überträgt (vgl. § 99), so folgt er der Gleichsetzung von οὐρανός und κόσμος; vgl. Leben Moses II § 99 und Anm.
  138. Wörtlich: göttlicheren – weil es der (geistig vorgestellten) Gottheit näher steht.
  139. Eine Konjektur (vgl. Mangey) ist hier nicht am Platze, da κινητικός dem Worte θερμός entspricht. Vgl. Plut. De pr. frig. 954 F τὸ ψυχρὸν ἔοικε στάσιμον εἶναι, κινητικὸν δὲ τὸ θερμόν.
  140. Unter λόγος ist die § 101 erwähnte, schädliche Vernunfttätigkeit zu verstehen.
  141. Philo verwertet in nicht wiederzugebender Weise den etymologischen Sinn von ἄσφαλτος (Erdharz) = untrüglich. Es ist zum Heil des Menschen, wenn nicht sein „Lehm“, also das Schlechte, untrügliche Festigkeit gewinnt, sondern das (scheinbar) Untrügliche als „Lehm“, also als unverläßlich, erwiesen wird. I. H.
  142. Ich vermute τῶν ὅλων statt τῶν καλῶν.
  143. Daß hier ἐκνικᾶν zu lesen ist, zeigt § 104.
  144. Ph. denkt an das heraklitische πάντα ῥεῖ.
  145. Der Gerechte = Noah; Ph. deutet den Namen Noah unrichtig als gerecht. Vgl. Anm. zu Alleg. Erkl. III § 77 u. zu Über die Landwirtschaft§ 2.
  146. Noah gehört bei Ph. zu den Fortschreitenden, die die Vollkommenheit, die Bedingung für die Gottesschau noch nicht erreicht haben.
  147. Zur alleg. Deutung der Arche als Körper s. Über die Nachstellungen § 170; Über die Pflanzung Noahs § 43; Quaest. in Gen. II § 1ff.
  148. Wieder ist „Asphalt“ das Untrügliche.
  149. Statt χρησάμενος ist wohl χρησόμενος zu lesen. Denn er wird jetzt dauernd die Vernunft gebrauchen, was er vorher „noch nicht“ (μήπω) konnte. I. H.
  150. Wieder etymologisch.
  151. Physis nennt Ph. nach stoischem Muster die göttliche Vorsehung, die Gottheit.
  152. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 33,
  153. Die Umdeutung ist dadurch vorbereitet, daß der Grieche bei πόλις weniger an den geographischen Begriff der Stadt als an den politischen des Staates denkt und daß der Vergleich des Staates und seines Aufbaus mit der Seele seit Platon dem Griechen geläufig ist.
  154. Die Volksherrschaft (δημοκρατία) ist nach Philo die beste Staatsverfassung. Vgl. Über die Unveränderlichkeit Gottes § 176; Über die Landwirtschaft § 45; Über Abr. § 242; Über die Einzelges. 237; Über die Tugenden § 180.
  155. Nach Wendlands Konj. θεοῦ δὲ ὀπαδός; so bezeichnet Ph. öfters die Gerechtigkeit (Δίκη); vgl. § 118.
  156. Zu dem von Philo oft gebrauchten Bilde von der falschen Münze vgl. Anm. zu Über die Nachkommen Kains § 89; Über die Unveränderlichkeit Gottes § 105.
  157. Wörtlich: der ersteren (Verfassung) ...
  158. Das Bild von einem gutanliegenden Kleide ist bei Ph. häufig. Konjektur überflüssig.
  159. Zur Übersetzung vgl. Wendland, Rhein. Mus, 57, S. 24.
  160. Anspielung auf die namentlich aus Platos Gorgias bekannte Lehre vom Übermenschen.
  161. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 53.
  162. „Olympisch“ bei Ph. im Sinne von: himmlisch, göttlich. So spricht auch Ph. von olympischer Liebe = Liebe zu Gott Über die Unveränderlichkeit Gottes § 138; vgl. Über die Landwirtschaft § 119, Über die Pflanzung Noahs § 71 nebst Anmerkung.
  163. Die Annahme, die Welt sei unerschaffen, bezeichnet Ph. (Über die Weltschöpfung § 9) als Gottlosigkeit, weil sie die Vorsehung aufhebt. Mit allen hier angeführten Ansichten setzt sich Philo in seiner Schrift über die Vorsehung auseinander, zu welcher Wendland alles quellenkritisch Wichtige bemerkt hat.
  164. Sämtliche Laster fallen unter den gemeinsamen Begriff der Schlechtigkeit (κακία).
  165. Die LXX liest לפני‎, daher πρίν; der MT hat פןdamit nicht. Jedoch fügt auch Midrasch Tanchuma z. St. zu den Worten „damit wir nicht verstreut werden“ die Bemerkung hinzu, daß der Bösewicht das ihm drohende Unheil voraussehe.
  166. Das ist nach dem fgd. kein Vorwurf gegen die Sünder, sondern die Hervorhebung einer Schwierigkeit.
  167. Zum Gedanken vgl. Über die Nachkommen Kains § 59 u. Anm.
  168. Die Schlechtigkeit ist das sterbende Leben (vgl. oben § 79). Sie ist aber zugleich das unsterbliche Übel (Über die Nachstellungen § 178); deshalb wird vom Tode Kains in der Bibel nichts gesagt (ebd.). Kain ist ein Symbol der selbstgefälligen Ansicht (φιλαυτία), die dem menschlichen Geiste alles zuschreibt. Denn Kain bedeutet „Besitz“ (קנה ‎= besitzen), da der Selbstgefällige alles zu besitzen glaubt. Vgl. Über die Geburt Abels § 2 und Anm.
  169. Etymologie: חן‎, Suffix ךְ‎. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 36; Über Abraham § 17.
  170. „Und es geschah nach Tagen, daß Kain von den Früchten des Ackers Gott ein Opfer brachte“ (1 Mos. 4, 3). Daraus wird ihm der zweifache Vorwurf gemacht, daß er saumselig war, und daß er nicht die Erstlinge opferte. Siehe Über die Geburt Abels § 52f.
  171. 1 Mos. 4, 4.
  172. Eigentlich: zuregnen, durch den Regen zusenden. Zum Ausdruck vgl. Alleg. Erkl. I § 29.
  173. Wörtlich „im Buch der Richtersprüche“. Das ist schwerlich Schreibfehler (wie Wendland vermutet); vielmehr hat Philo von dem Inhalt des Buches, das er sonst nirgends anführt, kaum einen deutlichen Begriff.
  174. Von פנהsich abwenden und אלGott abgeleitet.
  175. Mit den Hss. φρονεῖν ohne Konj.
  176. Über die Etymologie gibt De somm. II § 35 Aufschluß, wo Gad als σύμβολον ἐπιθέσεως καὶ ἀντεπιθέσεως πειρατικῆς gedeutet wird. Ebenso übersetzt LXX גדוד‎ mit πειρατήριον. Unter πειράζειν versteht man sowohl versuchen als Seeräuberei treiben. Philo verwendet beide Bedeutungen: durch Angriff versuchen. Die deutsche Übers. will dem Rechnung tragen. Vgl. Wutz, Onom. I 270f.
  177. Die LXX hat wie der MT nur: er sprach (καὶ εἶπεν ויאמר‎).
  178. πάλιν ohne Konj.
  179. Umkehrung des bekannten Gedankens, daß der Geist bei den Gegenständen seiner Betrachtung weilt; in beiden Fällen wird das Vorhandensein der Gegenstände im Bewußtsein in materiellem Bilde aufgefaßt. Zur Deutung des Himmels vgl. All. Erkl. I 1ff. Man beachte die Freiheit, mit der Philo denselben Begriff in demselben Zusammenhang allegorisch verschieden deutet. Über die Nachkommen Kains § 53 ist der Himmel die menschliche Rede, oben § 114 die Gottheit, und endlich hier der menschliche Geist.
  180. Der griechische Ausdruck lautet: ὑπερωκεάνιος καὶ μετακόσμιος, an Größe den Ozean und die Welt übertreffend.
  181. Die Anthropomorphismen der Bibel haben nach Philo eine pädagogische Bedeutung.
  182. Gott durchwaltet mittelbar (durch seine Logoi) auch nach stoischer Vorstellung die ganze Welt.
  183. Nach Wendlands Konj. θεοῦ χάρισι γεγενημένα. Vgl. Über die Wandl. Abr. § 183. Wendland, Rhein. Mus. 57, S. 27.
  184. Diese Stelle wie § 166 ἄλυτα εἶναι βεβούληται klingt an Platos Timäus 41 A an: τὰ μεν̀ δι' ἐμοῦ͂ γενόμενα ἄλυτα, ἐμοῦγε θέλοντος.
  185. Ph. scheint hier von dem ὁ ὦν, dem höchsten Sein, im Gegensatz zu den göttlichen Kräften zu sprechen. Von jenem können wir nichts mehr aussagen, als daß es sei. Alles andere übersteigt unsere Erfassungskraft. Darauf dürfte sich das folgende περιττεύειν beziehen.
  186. Ergänzt nach Wendland: οὐ κατα<λαμβανόμενον, εἰ μὴ κατά> τὸ εἶναι μόνον.
  187. Etymologisch: θεός Gott von τιθέναι einsetzen. Über die Lehre von θεός vgl. Bréhier, Idées de Philon 146.
  188. Die bei Ph. häufig vorkommende pantheistische stoische Auffassung. Vgl. Anm. zu Über die Geburt Abels § 68.
  189. Die Lücke ergänzt Wendland nach Über die Wand. Abr. § 183: sodaß jener Gottesspruch ganz der Wahrheit entspricht, in dem es heißt usw.
  190. Ph. nimmt das „vor“ nicht örtlich. Vgl. Anm. zu Alleg. Erkl. III § 4 und Über die Geburt Abels § 67; Über die Wand. Abr. § 183.
  191. Dieselbe Erklärung gibt auch der Midrasch Tanchuma zur Stelle, wie überhaupt der Midrasch Anthropomorphismen gern aus dem Bestreben deutet, ein Vorbild zu schaffen.
  192. Vgl. die Anm. zu Über die Einzelges. IV § 61. Nach Cohn zur Ausg. dieser Stelle ist hier wohl ἀκοήν statt ἀκοῇ zu lesen.
  193. Zu dem bei Philo oft wiederkehrenden Gedanken, daß die Augen eine sicherere Erkenntnis gewähren als die Ohren vgl. Über die Geburt Abels § 34 nebst Anm. und des talmudische: אינה דומה שמיעה לראיה‎ (Hören gleicht nicht dem Sehen).
  194. Die LXX hat ἀκοή, was eigentlich Gehör bedeutet. Zur Übers. der LXX vgl. die Anm. zu Über die Einzelges. IV § 59.
  195. Statt der verdorbenen Worte ἅμα καινόν ist vielleicht ἀναγκαῖον (eine höchst notwendige Belehrung erteilt) zu lesen. I. H.
  196. Philo übersetzt also: Söhne vieler Menschen, d. h. solche, die nicht nur einen einzigen Vater anerkennen. Vgl. De mut. nom. § 205 und namentlich Über die Einzelges. I § 332ff. und Anm.
  197. Stoischer Satz. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 133 u. Anm.
  198. D. h. Sohn des Logos zu heißen.
  199. Die Vielnamigkeit ist ein Beweis für seine höhere Stellung. Vgl. Anm. zu Alleg. Erkl. I § 43.
  200. Zu Israel = Logos vgl. Alleg. Erkl. I § 14 u. Anm.; zu ἀρχή (Anfang) ebd. Reitzenstein (Das iranische Erlösungsmysterium S. 49, 2) weist auf die ähnliche Bedeutung des Mana in dem mandäischon Genza. hin. Wie der Logos bei Philo ist auch Mana zugleich Urmensch und Gottmensch, göttlicher Bote und göttliches Wort. Diese Übereinstimmung sei dadurch zu erklären, daß sowohl die philonische Lehre vom Logos wie auch die mandäische vom Mana unter dem Einwirken der gleichen iranischen Anschauungen entstanden sei. Für die Identität des Logos und des Mana spricht meines Erachtens der Name Mana selbst. Dieser wird von J. Halévy (Revue des Études Juives XXII, 303) vom biblischen Man, מן‎, der göttlichen Speise, abgeleitet. Ebenso wird von Philo das Manna dem göttlichen Logos gleichgesetzt (Über die Nachstellungen § 118); Logos-Manna ist der zweite nach Gott (Alleg. Erkl. II § 86), der Älteste und Allgemeinste (ebd. III § 175).
  201. Vgl. § 41. Im Gegensatz zu jener Stelle liegt hier das Hauptgewicht darauf, daß jeder nur Sohn eines, nicht mehrerer Väter (§ 145) ist.
  202. Vgl. De somn. II § 284.
  203. Ebenso deutet Midrasch Tanchuma (z. St.) שפה אחת eine Sprache als משפחה אחתeine Familie.
  204. Eine „Symphonie“ gibt es nicht nur bei Guten, sondern auch bei Schlechten; s. o. § 15ff.
  205. Nach Wendlands Konj. καὶ επὶ τῆς πυρετοῦ καταβολῆς τὸ παραπλήσιον.
  206. κατασκῄπτειν nach Wendland.
  207. Eigentlich: die Rechtsbestimmungen, die im Verhältnis zu Gleichbürtigen (also Menschen) gelten: Gegensatz sind Pflichten gegen die Götter.
  208. Nach Mangeys Konj. ἃς τι τῶν ὄτων.
  209. Auch nach dem Talmud (Kidduschin 40a) wird schon die Absicht des Götzendienstes von Gott geahndet. Götzendienst (עבודה זרה‎) ist aber im Talmud ein sehr weiter Begriff, der verschiedene Arten der Gottlosigkeit umfaßt. Der Midrasch (Tanchuma zu 1 Mos. 11, 3; Sanhedrin 109a) macht allerdings denen, die den Turm zu Babel bauten, auch Götzendienst zum Vorwurf. Indes wird von Philo die Behauptung von der Strafbarkeit der bloßen Absicht verallgemeinert, S. unten § 159f.
  210. Himmel und Erde verhalten sich nach der das Altertum fast ausschließlich beherrschenden geozentrischen Auffassung (vgl. oben Anm. zu § 5) wie der Mittelpunkt eines Kreises zu seinem Umfange.
  211. Der Äther ist heilig als Wohnsitz der „unsichtbaren und sichtbaren Götter“ (Gestirne).
  212. Arist. De caelo I, 3 p. 7 im Namen des Anaxagoras.
  213. Infolge der Hitze der Sonne hätten sie ihre Absicht, in den Ätherraum hinaufzusteigen, nicht durchführen können.
  214. Philo knüpft an § 156 Anf. wieder an.
  215. Der MT hat hier nur die Stadt nicht und den Turm, worauf der Midrasch (M. Rabba z. St.) besonders Gewicht legt.
  216. בלעם‎ = בל עם ‎. Vgl. Über die Cherubim § 32-36.
  217. Das Wesen der wahren Prophetie besteht nach Plato (Phädr. 244 D) in der göttlichen Begeisterung (θεία μανία); S. Über die Einzelges. I § 65 und Anm. Zum Unterschied zwischen Prophetie und schwindelhafter Mantik vgl. Über die Einzelges. IV § 48ff. Die Nüchternheit Urheberin des Guten Über die Nüchternheit § 3.
  218. „und er flieht“ (καὶ καταφύγῃ) scheint erklärender Zusatz der LXX zu sein.
  219. Vgl. De fuga et inventione § 77; Über die Einzelges. III § 86ff. und Anm.
  220. Philo deutet also diese ganze Stelle allegorisch um, wonach es sich hier um einen Anschlag gegen das seelische Leben handeln sollte. Die Seele soll dadurch vernichtet werden, daß der Schlechtigkeit zum Siege verholfen wird.
  221. Auch nach dem Midrasch (Gen. r. 22) schreibt Kain die Schuld am Brudermord der Gottheit zu, da sie den bösen Trieb in die menschliche Seele gepflanzt hat.
  222. Vgl. Über Abr. § 143 und Anm.; De fuga. et invent. § 80.
  223. Damit kehrt Philo zur Auslegung des biblischen Abschnittes zurück.
  224. Χηρεύειν bedeutet namentlich verwitwet sein. Ist der Logos nicht Gatte der Seele, so hindert sie nichts am Sündigen; vgl. Über die Einzelges. II § 31.
  225. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 81f.
  226. κατ' ἐναντίον nach Cohns Konj.
  227. Unvernünftig ist Kain infolge seiner Selbstgefälligkeit.
  228. Eigentlich müßte es heißen: größer ist meine Schuld, als daß sie erlassen werde. Philo nimmt aber ἀφιέναι im Sinne von loslassen (ἐᾶν), um den Worten Kains einen allegorischen Sinn abzugewinnen. In ähnlicher Weise wird in Über die Nachstellungen § 141 ἀφιέναι als verlassen (ἀπολείπειν) verstanden. Vgl. Anm. zu dieser Stelle.
  229. Vgl. De mut. nom. § 29f.
  230. Eig. preisgeben; doch s. vorige Anm. Freigeben ist als Gegensatz zu festhalten, zusammenhalten gedacht.
  231. Die Logoi.
  232. Frei zitiert. Die Stelle heißt: ein jedes Gefäß, daß nicht mit einem Deckel (LXX δεσμῷ) zugebunden ist, ist unrein. Vgl. Über die Nachstellungen § 103. - Gemeint ist: das Ungebundensein ist nicht immer ein Vorzug.
  233. Vgl. Über die Weltschöpfung § 72; De fuga et invent. § 86f.
  234. Homer, Ilias II 204. 205 (übers. von J. H. Voß). Posidonius (vgl. StVFr. II 1063) nannte τὸν Δία τὸν πάντα διοικοῦντα (διοικεῖν Philo).
  235. Zum folgenden vgl. Jakob Horovitz, Untersuchungen über Platos und Philos Lehre von der Weltschöpfung S. 71 und 114.
  236. Ungenau zitiert.
  237. Vgl. Über die Riesen § 6ff.
  238. ἑκατέρων mit Mangey.
  239. Über ähnliche Vorstellungen bei Posidonius vgl. Heinemann, Poseidonis’ metaphysische Schriften I 127ff.; II 308ff. Zum folgenden vgl. insbesondere die sicher aus Posidonius stammende Stelle bei Cic. Div. I 118 neque enim decorum (= Philos πρέπον) est nec dis dignum. Übrigens hat sich auch nach dem Midrasch zu der von Philo erwähnten Stelle 1 Mos. 1, 26 Gott mit seiner „Dienerschaft“ (פמליא ‎= familia) beraten. I. H.
  240. Zu welchem Zwecke Gott die § 168f. erwähnten Aufgaben anderen überließ. Die Ausführung ist von Plato Tim. 41 Aff. abhängig.
  241. Nur der Mensch hat einen freien Willen: De provid. I § 70.
  242. Das ist schon altstoische Lehre: Heinemann ebd. II 429.
  243. Jakob, der Asket.
  244. Vgl. Alleg. Erkl. III § 177; De fuga. et invent. § 67.
  245. Nach der Parallelstelle De fuga. § 67f. scheint unter dem „Übel“ das sittliche Übel verstanden zu sein, aus dem ihn der Engel durch Strafen errettet.
  246. Eig. sich ihnen anpassen.
  247. In den folgenden Ausführungen kommt man mit „Verwirrung“ nicht aus. Das Wort wird in der ursprünglichen Bedeutung aufgefaßt, daher: Zusammengießung, und zwar eine solche, bei der eine chemische Verbindung entsteht.
  248. Die folgende Unterscheidung der Vorbindungsarten (σύγχυσις, μῖξις, κρᾶσις) ist stoisch. Siehe Diels Doxographi graeci S. 463f.; StVFr. II 470ff.
  249. Eig. sich ausdehnen lassen; in τείνω liegt der Begriff der Spannung, auf dem nach stoischer Lehre die Wirkung beruht.
  250. ἡ τετραφάρμακος (μῖξις), eine aus vier Medikamenten (τὸ φάρμακον) bestehende Mischung, wurde als Pflaster verwendet, um das Aufspringen von Geschwülsten zu beschleunigen.
  251. Als solche gelten die Sinnesorgane nach Philos Lehre, daß nicht diese, sondern die Seele durch ihre Vermittlung die Eindrücke empfängt.
  252. Hier scheint Philo eine andere, dem Wortsinn näher liegende allegorische Deutung vorzuschweben, nach welcher die Aufhebung der Sprachgemeinschaft nur die Sonderung der Funktionen der Sinne bedeutet.
  253. Das griechische Wort steht besonders vom Ausstreuen des Samens.
  254. Vgl. o. § 61.
  255. Die Stoa bezeichnete die Welt als Großstaat. Vgl. Über die Weltschöpfung § 19; Über die Einzelges. I § 13 u. ö.
  256. Der MT hat: בקצה השמים‎: am Ende des Himmels.
  257. Zu Babel = σύγχυσις (B. als Ort der Laster) vgl. De somn. II § 286.
  258. ἀδόκιμοι heißen ungültige Münzen; als solche gelten sie Philo in unserem Zusammenhange wohl, weil sie kein deutliches Gepräge haben. Dann muß im folgenden πεφορημέναις ein ähnlicher Sinn stecken; es liegt nahe, πεφυρημέναις vorzuschlagen. I. H.
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