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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Gewalt (der Rede) die scheinbar glaublichen Spitzfindigkeiten der Sophisten zu widerlegen, da sie infolge der ständigen praktischen Beschäftigung im Sprechen nicht sehr geschult sind, suchten Zuflucht im Bunde mit dem einzig Weisen und flehten ihn um Beistand an. So wie es einer der Freunde des Moses[1] in den Hymnen betend aussprach: „Es mögen verstummen die trügerischen Lippen“ (Psalm 30, 19). 40 Wie sollen sie aber innehalten, wenn sie nicht von dem, dem allein selbst das Wort unterliegt, gezügelt werden? Die Zusammenkünfte, die die Sünde zum Zweck haben, muß man demnach fliehen, ohne sich umzusehen, dagegen das Bündnis mit den Freunden der Einsicht und [411 M.] der Erkenntnis befestigen. 41 Aus diesem Grunde bewundere ich auch die, welche sagen „alle sind wir die Söhne eines Menschen, wir sind friedliebend“ (1 Mos. 42, 11) wegen ihrer vollkommenen Übereinstimmung.[2] Denn wie solltet ihr nicht – möchte ich sagen –, ihr Vortrefflichen, den Krieg verabscheuen und den Frieden lieben, die ihr einen und denselben Vater anerkennt, nicht den sterblichen, sondern den unsterblichen, den Menschen Gottes,[3] der als die Vernunft des Ewigen notwendig auch selbst unvergänglich ist? 42 Denn diejenigen, welche viele Prinzipien für die Erschaffung des Geistes aufstellen und sich dem sog. polytheistischen Laster ausliefern, indem sie sich zur Ehrung verschiedener Götter hergeben, pflegen Wirren und Fehden unter Bürgern wie unter Fremden zu stiften und füllen so das ganze Leben von der Geburt bis an das Ende mit unversöhnlichen Kriegen aus. 43 Die aber einheitlicher Abstammung sich erfreuen, einen Vater, die rechte Vernunft[4], ehren und den harmonischen, wohlgestimmten Chor der Tugenden bewundern,[5] führen ein heiteres und ruhiges Leben, freilich kein müßiges und unedles, wie manche meinen,[6] sondern ein durchaus manneswürdiges


  1. So werden oft die Propheten und die Frommen überhaupt (z. B. die Therapeuten) von Philo genannt.
  2. Diese „Symphonie“ bildet den Gegensatz zu der § 15ff. besprochenen.
  3. Ph. identifiziert öfters den „Menschen Gottes“ (ἄνθρωπος θεοῦ) mit dem Logos. Vgl. De fuga et invent. § 71. Über die Lehre vom himmlischen Menschen, dem zweiten Gotte in der Gnosis s. Reitzenstein, Poimandres 114; J. Kroll, die Lehren des Hermes Trismegistos 63ff.
  4. Ὀρθὸς λόγος das stoische Natur- und Sittengesetz, im Griech. ein masculinum.
  5. Die Brüder Josephs als die Vertreter der vollkommenen Tugend auch Über die Nachstellungen § 9.
  6. Über die Aktivität des Weisen besonders im öffentlichen Leben wurde in der stoischen Schule viel gestritten. Die jüngere Stoa neigt zum Aktivismus: WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Heinemann, Pos. met. Schr. I 3. Aber Philo denkt in erster Reihe an Wortkämpfe, die natürlich auch die ältere Richtung billigt.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/014&oldid=- (Version vom 1.8.2018)