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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

Gemeinde ausschloß. Das lautet: „Von einer Dirne (der Sohn) darf in die Gemeinde des Herrn nicht eintreten (5 Mos. 23, 3),“ weil sie wie die Bogenschützen, die um viele Zielscheiben herumschweifen, ohne sich nach einem bestimmten Ziele zu richten, zahllose Prinzipien und Ursachen – alle fälschlich so bezeichnet – der Weltschöpfung annehmen, von dem einen Schöpfer und Vater des Alls aber nichts wissen. 145 Die sich aber auf die Erkenntnis stützen, werden nach Gebühr Söhne des einzigen Gottes genannt, so wie es Moses in der Form zugesteht, indem er spricht: „Söhne seid ihr des Herrn, eueren Gottes“ (5 Mos. 14, 1) und „den Gott, der dich geboren“ (5 Mos. 32, 18) und „ist nicht er dein Vater?“ (ebd. 6). Es ergibt sich nun für Menschen, die von solcher seelischen Beschaffenheit sind, daß sie nur das (sittlich) Schöne für ein Gut halten,[1] das seitens der kriegserfahrenen Männer als Bollwerk gegen das höchste Ziel der Lust errichtet wird, um es zu erschüttern und zu zerstören. [427 M.] 146 Wenn aber jemand noch nicht würdig ist, Sohn Gottes zu heißen, so bestrebe er sich, sich zuzuordnen dem Logos,[2] seinem Erstgeborenen, dem Ältesten unter den Engeln, da er Erzengel und vielnamig ist.[3] Er heißt nämlich: Anfang, Namen und Wort Gottes, der ebenbildliche Mensch und der Schauende, Israel.[4] 147 Das hat mich kurz zuvor dazu bewogen, die Tugenden derer zu rühmen, die sagen: „Wir sind alle Söhne eines Mannes“ (1 Mos. 42, 11).[5]


  1. Stoischer Satz. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 133 u. Anm.
  2. D. h. Sohn des Logos zu heißen.
  3. Die Vielnamigkeit ist ein Beweis für seine höhere Stellung. Vgl. Anm. zu Alleg. Erkl. I § 43.
  4. Zu Israel = Logos vgl. Alleg. Erkl. I § 14 u. Anm.; zu ἀρχή (Anfang) ebd. Reitzenstein (Das iranische Erlösungsmysterium S. 49, 2) weist auf die ähnliche Bedeutung des Mana in dem mandäischon Genza. hin. Wie der Logos bei Philo ist auch Mana zugleich Urmensch und Gottmensch, göttlicher Bote und göttliches Wort. Diese Übereinstimmung sei dadurch zu erklären, daß sowohl die philonische Lehre vom Logos wie auch die mandäische vom Mana unter dem Einwirken der gleichen iranischen Anschauungen entstanden sei. Für die Identität des Logos und des Mana spricht meines Erachtens der Name Mana selbst. Dieser wird von J. Halévy (Revue des Études Juives XXII, 303) vom biblischen Man, מן‎, der göttlichen Speise, abgeleitet. Ebenso wird von Philo das Manna dem göttlichen Logos gleichgesetzt (Über die Nachstellungen § 118); Logos-Manna ist der zweite nach Gott (Alleg. Erkl. II § 86), der Älteste und Allgemeinste (ebd. III § 175).
  5. Vgl. § 41. Im Gegensatz zu jener Stelle liegt hier das Hauptgewicht darauf, daß jeder nur Sohn eines, nicht mehrerer Väter (§ 145) ist.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/040&oldid=- (Version vom 1.8.2018)