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Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/009

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Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein

vernichtend wirken. 19 Anderseits sind die Trabanten des Geistes das Gehör, das Gesicht, der Geruch, der Geschmack und die ganze Schar der sinnlichen Wahrnehmung, überdies Gesundheit und Ausdauer, Kraft und Stärke. Wenn der Geist in ihrer Mitte leben und weben kann, wie in aufgerichteten, stark gefestigten und wohlummauerten Gemächern, frohlockt er, da ihn nichts daran hindert, seinen freien Trieben nachzugehen; vielmehr hat er überallhin den Weg weit und breit offen. [408 M.] 20 Diesen Trabanten aber stehen, wie gesagt, jene anderen (Zustände) feindlich gegenüber: Verstümmelung der Sinnesorgane und Krankheit, wobei oft der Verstand beinahe in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese zufälligen Dinge sind zwar an und für sich äußerst schmerzlich und peinlich, im Vergleiche aber mit (den Übeln, welche von) der freien Willensbewegung (herrühren), sind sie viel leichter. [7] 21 Was man aber unter dem Chor der freiwilligen zu verstehen hat, das wollen wir der Reihe nach erwägen. Da unsere Seele aus drei Teilen besteht,[1] so sagt man, daß den einen Teil der Geist und die Vernunft, den zweiten der Mut und den dritten die Begierde zum Wohnsitz haben. Ein jeder Teil (kann) aber für sich allein leiden und alle gemeinsam untereinander. Denn der Geist erntet die Aussaat des Unverstandes, der Feigheit, der Zügellosigkeit und der Ungerechtigkeit; der Mut zeugt wütende, wahnsinnige Tollheiten und andere (Übel), die er im Schoße trägt; die Begierde aber sendet überallhin Liebestriebe aus, die immer leichtfertig sind in folge der Unbesonnenheit, und beliebigen Körpern und Dingen sich zuwenden. 22 Denn in diesem Falle (geschieht es), wie wenn auf einem Schiffe Matrosen, Schiffsreeder und Steuermänner im Wahnsinn dessen Untergang gemeinsam beschlossen haben; dann gehen nicht zuletzt auch die Verschwörer mit dem Schiffe selbst zugrunde. Denn das schwerste der Übel und beinahe das einzig unheilbare ist die Übereinstimmung[2] sämtlicher Teile der Seele zum Freveln, wenn sich wie bei einer Seuche kein einziger (Teil) gesund erhalten kann, um die Kranken zu heilen, vielmehr die Ärzte zusammen mit den Privatleuten leiden, welche die Seuche als ein gemeinsames Unheil bedrückt. 23 Dieser Krankheit (Sinnbild) ist die vom Gesetzgeber geschilderte große Sintflut. Da kommen von den Schleusen


  1. Die platonische in der Mittelstoa nachwirkende Dreiteilung der Seele in Vernunft (νοῦς), Mut (θυμός) und Begierde (ἐπιθυμία) Phaedr. 246A.; Staat IV, 438A.
  2. Damit lenkt Philo zu dem Hauptgedanken von der „Symphonie“ des Erdhaften zurück.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Verwirrung der Sprachen (De confusione linguarum) übersetzt von Edmund Stein. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloConfGermanStein.djvu/009&oldid=- (Version vom 1.8.2018)