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Geld verzehrt. Aller Reichtum und Ruhm, den Gott unserem Vater genommen hat, wird uns und unseren Kindern gehören“ (1 Mos. 31, 14–16). 16 Denn sie, die nach Stand und Gesinnung frei sind,[1] sehen keinen von den Toren als reich oder berühmt, sondern sie alle in gewissem Sinn als unberühmt und arm an, mag ihr Los auch das von unermeßlich reichen Königen noch übertreffen. Sie sagen nämlich, sie würden nicht den Reichtum und den Ruhm erhalten, der ihrem Vater gehört, sondern den, der ihm genommen wurde. 17 Der Schlechte ermangelt aber des wahren Reichtums und des wahren Ruhmes; denn diese Güter werden nur durch Einsicht, Besonnenheit und die (mit diesen) verwandten Eigenschaften erworben, an denen die tugendliebenden Seelen wie an einem Erbe teilhaben. 18 Nicht also die Besitztümer des Schlechten bilden den großen Reichtum und den Ruhm der Weisen, sondern die Güter, deren er ermangelt.[2] Er ermangelt aber der Tugenden, welche jenen als Besitz zugefallen sind, damit dem das an anderer Stelle Gesagte entspreche: „Den Abscheu Ägyptens wollen wir Gott dem Herrn opfern (2 Mos. 8, 26): denn die Tugenden und tugendgemäßen Handlungen, die der wollüstige Leib, Ägypten, verabscheut, sind vollkommene und untadelige Opfergaben.[3] 19 In derselben Weise nun wie hier, einer Naturtatsache gemäß, was bei den Ägyptern profan ist, den Scharfsichtigen[4] als heilig gilt und ganz zum Opfer verwandt wird, soll (nach der anderen Bibelstelle) der Freund der ethischen Vortrefflichkeit Erbe derjenigen Güter sein, die jedem Unvernünftigen genommen und vorenthalten sind; unter diesen [549 M.] ist zu verstehen eine wahre Meinung, die von Erkenntnis nicht verschieden ist,[5] und ein Reichtum, mit


  1. Mangeys und Wendlands Konjekturen zu dieser Stelle sind unnötig; die überlieferten Worte lassen sich im Sinne der stoischen Anschauung von äußerem und innerem Adel verstehen; vgl. Wendland, Philo und die kynisch-stoische Diatribe S. 51f. und Pohlenz bei Bousset, Jüdisch-christlicher Schulbetrieb S. IV.
  2. Nach einem stoischen Paradoxon; vgl. Wendland a. a. O. 50, 4 und Über die Nachkommenschaft Kains § 159 mit Anm.
  3. Vgl. Über die Geburt Abels § 51.
  4. Die Israeliten, die Philo „Schauliebende“, „Schauende“ usw. nennt, da ihm Israel auf Grund der Bedeutung des Namens ein Symbol der Schau (Gottes) ist.
  5. Mittels eines gewagten Wortspieles (δόξα bedeutet sowohl „Ruhm“ als „Meinung“: vgl. Heinemann, Philons Bildung 465) zieht Philo den ebenfalls stoischen Satz heran, daß allein den Weisen die ἐπιστήμη, den Schlechten nur die δόξα zukommt; vgl. Arnim SVF II 90.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/009&oldid=- (Version vom 21.5.2018)