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Scheitern bringt, während der des Steuerns Kundige auch das Schiff oft rettet, das vor dem Untergang ist, und daß Kranke bei unkundiger Pflege körperlich gefährdet sind, bei sachverständiger dagegen auch gefährliche Krankheiten überstehen? Doch wozu bedarf es langer Auseinandersetzungen? Stets wird, was nicht kunstgemäß geschieht, durch das Kunstgemäße überführt, und ein wahrheitsgemäßes Lob des letzteren bedeutet zugleich eine unwiderlegbare Anklage des ersteren.

[5] 28 Wenn du also den Begüterten seiner Schlechtigkeit überführen willst, so kehre dich vom Geldreichtum nicht ab.[1] Denn dann wird sich der andere als unfreier, sklavischer Obolenwäger und Zinsenspalter beweisen, der Elende, oder umgekehrt als einer, der verschwenderisch dahinlebt, als eifriger Prasser und Schlemmer, ein ehrgeiziger Anführer im Reigen von Hetären, Hurenwirten, Kupplern und der ganzen zügellosen Schar. 29 Du dagegen wirst armen Freunden Unterstützungen gewähren, dem Vaterlande Schenkungen erweisen, die Töchter mittellosen Eltern verheiraten helfen, indem du sie mit ausreichender Mitgift ausstattest, kurz, du wirst fast dein Eigentum zum Gemeingut machen und alle, die einer Wohltat würdig sind, zum Mitbesitz einladen. 30 Ebenso sollst du auch, um den Schlechten in seinem sinnlosen Ehrgeiz und seiner Prahlsucht an den Pranger zu stellen, dich von dem Beifall der Menge nicht abkehren, wenn du eine angesehene Stellung einnehmen kannst. Denn auf diese Weise wirst du dem Unseligen, der großspurig einherstolziert und sich hoffärtig brüstet, ein Bein stellen. Denn er wird sein Ansehen mißbrauchen, um andere, die besser sind, zu verunglimpfen und zu demütigen, um auf ihre Kosten den Schlechteren emporzuhelfen; du hingegen wirst alle Würdigen an deinem Ruhme teilnehmen lassen und den Guten Sicherheit verschaffen, die Schlechten aber durch Ermahnung bessern. 31 Und wenn du zu ungemischtem Wein und reichbesetzten Tischen gehst, so gehe getrost; denn du wirst den Unmäßigen vermittelst deiner Geschicklichkeit beschämen. Denn dieser wird sich auf den Bauch werfen[2] und so, noch bevor


  1. Der erste Teil (§ 28–32) der folgenden „Diatribe“ (vgl. Wendland, Philo u. d. Diatribe S. 47) ist nach den drei Kardinallastern disponiert Geldgier (§ 28/29), Ruhmsucht (§ 30), Genußsucht (§ 31/32).
  2. Der Vorgang wird erläutert durch Plutarch, Quaest. conv. 5, 6. Man muß sich vergegenwärtigen, daß nach antiker Sitte die Mahlzeit in liegender Stellung eingenommen wird.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/012&oldid=- (Version vom 21.5.2018)