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die Furcht vor dem Herrscher mit besserndem Zwang zurecht gewiesen, wenn schon nicht als Kind durch das Wohlwollen des Vaters. Demjenigen schließlich, der die bisher angeführten Ziele nicht erreichen kann, weil sie für ihn zu weit liegen, sind in größerer Nähe andere Laufmale notwendiger Kräfte gesetzt: der gnädigen Kraft, derjenigen, die vorschreibt, was geschehen soll und derjenigen, die vorschreibt, was nicht geschehen soll. 99 Denn wer von vornherein erfaßt hat, [561 M.] daß die Gottheit wegen der Milde ihres Wesens nicht unerbittlich, sondern wohlgesinnt ist, der wird, mag er auch vorher gefehlt haben, hernach in der Hoffnung auf Straferlaß seinen Sinn ändern, und wer begriffen hat, daß Gott ein Gesetzgeber ist, wird allen seinen Vorschriften gehorchen und so die Glückseligkeit erlangen. Der letzte schließlich wird eine letzte Zuflucht finden, die Abwendung von Übeln, wenn schon nicht Teilnahme an vorzüglichen Gütern. [19] 100 Dies sind die sechs Städte, die die Schrift Verbanntenstädte nennt (4 Mos. 35, 12), von denen auch fünf abgebildet und im Heiligtum dargestellt sind: Gebot und Verbot durch die Gesetzestafeln in der Lade, die gnädige Kraft durch den Deckel der Lade – die Schrift nennt ihn „Sühngerät“[1] –, die schöpferische und die königliche durch die beiden daraufgesetzten geflügelten Cherubim; 101 die über diesen stehende göttliche Vernunft dagegen fügte sich nicht in eine sichtbare Gestalt, da sie keinem der sinnlich wahrnehmbaren Dinge gleicht, vielmehr ja ihrerseits ein Abbild Gottes darstellt und ein für allemal das älteste unter den geistigen Dingen ist, das in nächster Nähe des Einzigen, das wahrhaft ist, ohne einen trennenden Zwischenraum seine Stelle hat. Denn es heißt: „Ich will mit dir reden oben von dem Sühngerät aus, inmitten der beiden Cherubim“ (2 Mos. 25, 21). Demnach ist die Vernunft Lenkerin der Kräfte, im Wagen fährt der Redende, der der Lenkerin die zur richtigen Lenkung des Alls erforderlichen Anweisungen gibt.[2] 102 Wer also von unfreiwilliger, geschweige denn von freiwilliger Veränderung frei ist, dessen Erbteil ist Gott selbst,[3] und er wird in ihm allein wohnen; diejenigen dagegen, die ohne ihre Absicht ungewollte Fehltritte


  1. Das Wortspiel ἵλεως: ἱλαστήριον läßt sich deutsch kaum wiedergeben. Μ. A.
  2. Vgl. die ähnlichen Stellen Der Erbe d. Göttl. § 99. 228. 301; Über die Träume I § 157; sämtlich natürlich nach dem Vorbild der bekannten platonischen Bilder.
  3. Vgl. 5 Mos. 10, 9.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/029&oldid=- (Version vom 21.5.2018)