Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/033

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

er sogleich befleckt werden (4 Mos. 6, 9); denn die Verschuldungen, die ungewollt plötzlich von außen her über die Seele hereinbrechen, beflecken sie sogleich, aber nicht für sehr lange Zeit, da sie ja unbeabsichtigt sind. Der Hohepriester dagegen steht über diesen Verschuldungen ebenso wie über den freiwilligen und darf sie verachten. 116 Das alles habe ich nicht ohne Absicht ausgeführt, sondern um zu lehren, daß der natürlichste Termin für die Rückkehr der Flüchtlinge der Tod des Hohenpriesters ist (4 Mos. 35, 25). 117 Denn solange dieser heilige Logos lebt und in der Seele anwesend ist, ist es unmöglich, daß eine unabsichtliche Veränderung in sie eindringt; denn er hat an keinem Vergehen teil und nimmt keines in sich auf. Wenn er aber stirbt, zwar nicht selbst zugrunde geht, aber sich von unserer Seele trennt, so ist sogleich den unabsichtlichen Verfehlungen[1] die Rückkehr gestattet. Denn wenn sie, solange er in uns weilte und heil war, ausgeschlossen wurden, werden sie jedenfalls wieder hereingelassen, sobald sich jener ganz entfernt. 118 Denn der unbefleckte Hohepriester, das Gewissen, hat von der Natur die Eigenschaft zum Privileg erhalten, daß er nie etwas in sich aufnimmt, was die Gesinnung zu Fall bringen kann;[2] deshalb soll man beten, daß in der Seele der Hohepriester und zugleich König lebe – das richtende Gewissen –, der den ganzen Richtstuhl unsrer Seele einnimmt und von niemandem, der vor sein Gericht gezogen wird, argwöhnisch angesehen wird.

[22] 119 Nachdem wir das Erforderliche über die Flüchtlinge gesagt haben, wollen wir das im Text Folgende daran anschließen. Es heißt nämlich weiter: „Es fand sie ein Engel des Herrn“ (1 Mos. 16, 7), welcher der Seele, die infolge ihrer Scham Gefahr läuft, sich zu verirren, die Heimkehr anbefiehlt und fast [564 M.] ihr Begleiter wird bei der Rückkehr zur unbeirrbaren Gesinnung. 120 Es empfiehlt sich nun, auch die über das Finden und Suchen vom Gesetzgeber angestellten philosophischen Betrachtungen nicht unbesprochen zu lassen. Er läßt nämlich manche weder suchen noch finden, andere in beidem richtig handeln, wieder andere nur in einem von beidem zum Ziel gelangen; von den letzteren sucht der eine Teil, ohne zu finden, der


  1. Wendlands Herstellung ἑκουσίων für ἀκουσίων wird durch den Zusammenhang widerlegt.
  2. Die Stelle ist verderbt, der Sinn ungefähr klar.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/033&oldid=- (Version vom 21.5.2018)