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dahinfuhren, zum Kentern. 192 Das ist die große Überschwemmung, bei der „geöffnet wurden die Wasserströme des Himmels“, nämlich des Geistes, „aufgedeckt wurden die Quellen der Tiefe“, nämlich der Sinnlichkeit (1 Mos. 7, 11). Denn nur dann wird die Seele überflutet, wenn von oben gleichwie vom Himmel herab vom Geist Übeltaten niederbrechen, von unten gleichwie von der Erde her von der Sinnlichkeit Leidenschaften emporsprudeln.[1] 193 Deshalb verbietet auch Moses „die Scham des Vaters und der Mutter aufzudecken“ (3 Mos. 18, 7), da er wohl weiß, wie verwerflich das Übel ist, die Vergehen des Geistes und der Sinnlichkeit nicht zu unterdrücken und zu verbergen, sondern wie vollkommene Handlungen an die Öffentlichkeit zu bringen. [35] 194 Dies sind die Quellen der Vergehen; jetzt wollen wir nach der Quelle der Einsicht forschen. Zu dieser steigt Rebekka, die Geduld, hinab, füllt das ganze Gefäß der Seele und steigt herauf; dabei bezeichnet der Gesetzgeber ihren Abstieg vollkommen richtig als Aufstieg; denn zur wahren Höhe der Tugend erhebt sich diejenige, die sich entschließt, von der Höhe überheblicher Prahlsucht niederzusteigen. 195 Es heißt nämlich: „Sie stieg hinab zur Quelle, um den Wasserkrug zu füllen, und stieg empor“ (1 Mos. 24, 16). Diese (Quelle) ist die göttliche Weisheit, aus der die Einzelwissenschaften und alle die Schau liebenden Seelen getränkt werden, die von der Liebe zum Besten ergriffen sind. 196 Dieser Quelle gibt die Heilige Schrift die angemessensten Namen, wenn sie sie ‘Scheidung’ und ‘heilig’ nennt. Denn es heißt: „Sie kehrten um und kamen zur Quelle der Scheidung, die Kades heißt“ (1 Mos. 14, 7); Kades bedeutet heilig. Die Schrift verkündet also fast mit überlautem Schrei, daß die Weisheit Gottes heilig ist, da ihr nichts Irdisches nahet, und daß sie eine Scheidung des Alls bedeutet, durch die alle Gegensätze gesondert werden.[2] [36] 197 Nunmehr ist über die höchste und beste Quelle zu reden, die der Vater des Alls durch Prophetenmund offenbart hat. Denn er hat einmal gesagt: „Sie haben mich, die Quelle des Lebens, verlassen und sich selbst lecke Zisternen gegraben, die das Wasser nicht zu halten vermögen werden“ (Jer. 2, 13). 198 Gott ist also die älteste Quelle, und wohl mit Recht; denn er hat von sich


  1. Diese Auslegung von 1 Mos. 7, 11 ist näher ausgeführt Quaest. in Gen. II § 18.
  2. Vgl. die ausführliche Erörterung des Verses Über die Nachkommen Kains § 132ff. [und Der Erbe des Göttl. § 133f. und 207f. Μ. Α.]
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Flucht und das Finden. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 99. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloFugGermanAdler.djvu/050&oldid=- (Version vom 21.5.2018)