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Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/51

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

weit weg von der Weisheit verbannt ist. 180 Glaubst du nicht, daß, da viele Dinge in der Welt gleichwie Münzen mit und ohne Prägezeichen sind, der unsichtbare Teiler alles in gleiche Teile zerlegt und das Bezeichnete und Vollgültige dem Freunde der Bildung, das Ungeprägte und Unbezeichnete dem Unwissenden zugewiesen hat? „Es ward“, heißt es ja, „das Unbezeichnete Labans und das Bezeichnete Jakobs Eigentum“ (1 Mos. 30, 42). 181 Denn die Seele – die wächserne Prägemasse,[1] wie einer der Alten sagt, – stößt und schüttelt, wenn sie hart und spröde ist, die ihr zugeführten Prägezeichen von sich ab und bleibt notwendigerweise ungeformt; ist sie aber fügsam und einigermaßen nachgiebig, nimmt sie die tiefen Eindrücke an, läßt die Siegelzeichen sich aufprägen und bewahrt die aufgeprägten Bilder vorzüglich in unvertilgbarer Gestalt. [38] 182 Bewundernswert ist auch die gleiche Teilung des Blutes der Opfertiere, die der Hohepriester[2] Moses, der Natur als Lehrmeisterin folgend, vorgenommen hat. Denn so heißt es: „Er nahm die Hälfte des Blutes und goß es in Gefäße, die andere Hälfte goß er an den Altar“ (2 Mos. 24, 6), um zu lehren, daß es von der Weisheit zwei heilige Arten gibt, eine göttliche und eine menschliche, und daß die göttliche ungemischt, nicht zusammengesetzt ist, 183 weshalb sie Gott gespendet wird, der rein und ungemischt, seiner Einzigkeit gemäß eine Einheit ist, während die menschliche, die gemischte und vermengte, über unser gemischtes, zusammengesetztes und vermengtes Geschlecht sich zerstreut, um Gesinnungsgleichheit und Gemeinsamkeit, also eine Verbindung aus (einzelnen) Teilen und (verschiedenen) Seelenstimmungen zu erzielen.[3] 184 Indessen ist ja auch der ungemischte und unvermengte Teil der Seele der lautere Geist, der von oben, vom Himmel herabgehaucht wurde und, falls er gesund und unversehrt geblieben ist, wieder vollständig

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/51&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Vgl. § 294.
  2. In dem von Philo angeführten Kapitel fungiert Moses als Hoherpriester; eine Änderung des Wortes in ἱεροφάντης oder dgl., wie Mangey will, ist nicht nötig.
  3. Gemäß dem hellenistischen Kosmopolitismus ist Harmonie der Menschen das Endziel der Weisheit: Über die Einzelges. III, 28, Cic. Off. I, 44. I. H.