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Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/65

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

Harmonie und Einheit zu erlangen, nachdem die geistigen Sehnen, die ihr festes, mit ihnen verwachsenes Band bildeten, zerschnitten sind.[1] [50] 243 Eine sehr richtige Ansicht verkündet die Schrift, indem sie lehrt, daß die Gerechtigkeit und jede Tugend die Seele, dagegen die Ungerechtigkeit und jede Untugend den Körper lieben und daß die Freunde des einen durchaus Feinde des andern sind, wie es auch hier der Fall ist. Denn die Feinde der Seele stellt sie unter dem Bilde von Vögeln dar, die danach gelüsten, sich mit den Körpern zu verflechten und zusammenzuwachsen und sich an den Fleischstücken zu sättigen; und in der Absicht, deren Ansturm und Angriffe abzuwehren, heißt es, habe der Weise sich zu ihnen gesetzt (1 Mos. 15, 11),[2] als ob er ein Vorsitzender oder Ratsvorsteher wäre. 244 Denn da die einheimischen Kriegsscharen sich infolge eines inneren Aufruhrs entzweit hatten und auch die auswärtigen miteinander uneinig waren, so berief dieser alle zu einer beratenden Versammlung und prüfte ihre Streitpunkte, um womöglich durch Überredung sowohl den auswärtigen Kampf zu beendigen, als auch die innere Unruhe zu beschwichtigen. Denn nützlich erschien es, jene, die wie eine Wolke hereinbrachen und unversöhnlich blieben, zu verjagen, unter den andern dagegen die alte Freundschaft wiederherzustellen. 245 Als unverträgliche, unversöhnliche Feinde der Seele werden verzeichnet: Unverstand und Zuchtlosigkeit, Feigheit und Ungerechtigkeit[3] und viele andere unvernünftige Gelüste, die aus „übermäßigem Begehrungstrieb“[4] hervorzugehen pflegen, die unbändig und halsstarrig sind und den geraden Lauf des Denkens hemmen, oft [p. 508 M.] aber auch seine ganze Haltung erschüttern und umstürzen. 246 Die Mißhelligkeiten derjenigen

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/65&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Die letzten Worte sind ziemlich dunkel und scheinen auch im Widerspruch zu sein mit § 311f. Vielleicht lassen sie sich erklären mit dem Gedanken der Weisheit Salomos I, 3–5: Die lasterhaften, gottverleugnenden Gedanken verjagen den heiligen Geist (πνεῦμα) der Weisheit. [Das πνεῦμα ist für die Stoa zugleich Träger der höchsten, geistig sittlichen, wie der physiologischen und Kohäsionskräfte. Daher kann die κακία als Gegnerin des Pneumatischen im höheren Sinne zugleich den Zusammenhalt der Einheiten (πνευματικὸς τόνος bei Philo) bedrohen. I. H.]
  2. Statt וַיַּשֵּׁב אֹתָם‎ „und er jagte sie weg“ liest die Sept. וָיֵּשֶׁב אִתָּם‎ „er setzte sich zu ihnen“ und Philo ergänzt sinngemäß: um sie fortzujagen.
  3. Das Gegenteil der vier Kardinaltugenden: Einsicht, Selbstbeherrschung, Tapferkeit und Gerechtigkeit.
  4. Die Definition des Triebes (ὁρμή) gibt Philo All. Erkl. I § 30.