Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn | |
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so verzehrt auch die Tugend die Irrtümer und erfüllt die Seele mit hellem Schein. 308 Aber freilich, solange noch die ungesonderten, verworrenen[1] Behauptungen, die er Amorräer nennt, durch ihre Scheingründe die Oberhand haben, können wir den hellen schattenlosen Glanz nicht sehen; gleichsam wie ein Ofen, der kein reines Feuer hat, sondern, wie er ausdrücklich sagt (1 Mos. 15, 17), in Rauch gehüllt ist, sind wir von den Funken der Wissenschaft wohl angefacht, aber noch nicht imstande, im reinen Feuer die Prüfung zu bestehen und zu erstarken. 309 Viel Dank gebührt jedoch demjenigen, der die Funken in uns sprühte, damit nicht der Geist nach Art toter Körper von den Affekten abgekühlt, sondern warm bleibend und angefacht von den Zündmitteln der Tugend solange angefeuert würde, bis er, wie Nadab und Abihu (3 Mos. 10, 2), für den Übergang in heiliges Feuer empfänglich wird.[2] 310 Rauch aber entsteht vor dem Feuer [p. 518 M.] und zwingt die Herannahenden, Tränen zu vergießen. Beides pflegt einzutreffen. Herantretend an die strahlende Tugend, hoffen wir auf Vollkommenheit, und wenn wir sie nicht erlangen können, so leben wir in Betrübnis, nicht ohne Tränen. Denn starke, glühende Sehnsucht drängt zur Jagd nach dem Ersehnten und verursacht Traurigkeit bis zu dessen Erlangung. 311 Hier vergleicht er aber die Seele des Wißbegierigen und auf Vollkommenheit Hoffenden mit einem Ofen, da beide kochende Nahrung enthaltende Gefäße sind, dieser mit vergänglichen Speisen, jener mit unvergänglichen Tugenden. Die Feuerfackeln aber, die leuchtenden, sind die Entscheidungen Gottes, des Fackelträgers, die klaren und durchsichtigen, deren Bestimmung es ist, mitten durch die Entzweigeschnittenen, ich meine die Gegensätze, aus denen das Weltall besteht, hindurchzudringen. 312 Denn es heißt (1 Mos. 15, 17): „Feuerfackeln, die mitten durch die Entzweigeschnittenen hindurchgingen“, damit du erkennest, daß die göttlichen Kräfte mitten durch Gegenstände und Körper gehen, aber keinen zerstören – denn die Entzweigeschnittenen bleiben unversehrt –; daß sie aber auch sehr schön die Naturen der einzelnen voneinander trennen und sondern.
[62] 313 Als Erbe der Erkenntnis der genannten Dinge wird also mit Recht der Weise dargestellt; „denn an diesem Tage“, sagt die Schrift,
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/80&oldid=- (Version vom 4.8.2020)