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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

auf das Judentum und seine Bekenner den Besseren seiner Zeit durch eine Schrift wie die vorliegende darzulegen. Freilich ist die Schilderung des Gottesmannes in der damals üblichen Manier abgefasst, einer Manier, die U. v. Wilamowitz-Moellendorff treffend kennzeichnet, wenn er sagt[1]: „Sie (die Biographie) ist nicht vom Individuum ausgegangen, der Beschreibung des Lebens, das ein bestimmter realer Mensch gelebt hat, sondern von dem Bios, der Art zu leben; der einzelne war dafür nur ein Exempel“. Aehnlich dem Bilde des stoischen Weisen wird hier das eines jüdischen, wie Philo es sich denkt, gezeichnet. Aber mit Unrecht hat man die Lebensbeschreibungen Abrahams und Josephs mit der des Moses zusammengestellt. Diese Schriften sind nicht bloss, wie oben ausgeführt, in der Grundanlage, sondern auch in ihrer Tendenz von der vorliegenden verschieden. Sind sie ja vornehmlich für Wissende, für Juden, geschrieben und haben demgemäss mehr die Absicht, zu erbauen, zu deuten und objektiv zu belehren. So handelt es sich für den Verfasser weniger darum, das wirkliche Leben der Patriarchen und des Joseph, als vielmehr ihre Bedeutung als Verkörperungen religiös-ethischer Begriffe zu zeigen, während Moses, für Hellenen geschildert, im Gegensatz zu der oben angegebenen Tendenz in der ganzen Schrift als eine idealisierte, aber echte Gestalt von Fleisch und Blut dargestellt wird.

Das Leben Mosis verdankt also, wie es scheint, seine Entstehung einer ähnlichen – wenn nicht derselben – Veranlassung, wie die Schriften „gegen Flaccus“ und die „Gesandtschaft an Gaius“, nur dass diese mehr die Ermutigung und Aufrichtung der vom Unglück gebeugten Glaubensgenossen zum Zweck haben, während unsere Schrift wie die leider nur in Bruchstücken vorhandene „Verteidigung der Juden“ gleich der von Josephus später nach Apions Tode verfassten Schrift sich an Hellenen wendet. Nichts aber liegt unserm Philosophen ferner, als, wie es ihm von dem obenerwähnten Gelehrten vorgeworfen wird, sein „hellenisiertes, also denaturiertes Judentum gegen die Griechen auszuspielen“ und „mit Berechnung zwei verschiedene Masken aufzusetzen“[2]: vielmehr ist es ihm um die Verbindung echt jüdischer Frömmigkeit mit hellenischer Bildung und Wissenschaft heiliger Ernst. Wer Philo der „Halbschlächtigkeit“ für fähig hält, der kennt ihn schlecht. Der philosophische Visionär war wohl manchmal das Opfer einer Selbsttäuschung, aber Unaufrichtigkeit war sicher seinem ganzen Wesen fremd. „Wie das Wort der Natur (das Naturgesetz) wahrhaft ist und alles offenbart, so soll auch das Wort des Weisen ganz ohne Falsch sein


  1. Kultur d. Gegenwart I, VIII, S. 114.
  2. a. a. O. S. 156.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/005&oldid=- (Version vom 1.8.2018)