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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

zu vernichtendes Bollwerk. 9 Gleich nach der Geburt nun zeigte der Knabe ein edleres Aussehen als Kinder gewöhnlicher Leute, weshalb auch die Eltern die Befehle des Herrschers, solange es ihnen möglich war, unbeachtet liessen; drei volle Monate nämlich soll er, unbemerkt von der Menge, als Säugling aufgezogen worden sein. 10 Als aber, wie es in Monarchien zu geschehen pflegt, manche in dem Bestreben, dem Könige immer neuen Ohrenschmaus zuzutragen, auch die geheimen Winkel durchstöberten, da gerieten die Eltern in Furcht, sie könnten durch ihre Bemühungen um die Rettung des Einen alle mit ihm zusammen ins Verderben geraten. Sie setzten daher unter heissen Tränen den Knaben am Ufer des Flusses aus und entfernten sich seufzend; sie beklagten die eigene Zwangslage und nannten sich Mörder und Kindesmörder, beklagten aber auch den Knaben ob seines unnatürlichen Todes. 11 Dann machten sie, wie es in so unerhörter Lage erklärlich ist, sich Selbstvorwürfe, als hätten sie sein Unglück nur verschlimmert. „Weshalb, so sprachen sie, haben wir ihn nicht gleich bei der Geburt ausgesetzt? Wer noch nicht menschlicher Ernährung teilhaftig geworden, den hält man überhaupt nicht für einen Menschen. Wir aber, wir Ueberklugen, haben ihn sogar drei volle Monate aufgezogen und uns selbst reichere Trübsal, ihm aber grössere Qualen geschaffen, auf dass er, für Freude und Schmerz in hohem Grade empfänglich, mit um so schmerzlicherer Empfindung für sein Unglück ende“. 12 (4.) So schieden sie, ob der Ungewissheit über die Zukunft von tiefem Jammer erfasst; aber die Schwester des ausgesetzten Kindes, noch eine Jungfrau, wartete mit schwesterlichem Gefühl in geringer Entfernung den Ausgang der Sache ab. Dies alles scheint mir gemäss dem Willen Gottes in seiner Fürsorge für den Knaben geschehen zu sein. Der König des Landes hatte eine einzige Tochter, die er sehr liebte. 13 Diese, so erzählt man, obwohl seit langer Zeit verheiratet, war kinderlos[1], aber natürlich von dem Wunsche nach Kindern und


  1. Die Unfruchtbarkeit der Königstochter erwähnen auch Artapan (Freudenthal S. 232 Z. 31) – sie heisst bei ihm Merris – und Josephus (Alt. II § 232), bei dem sie Thermuthis heisst. Der Midrasch Schemot Rabba c. [225] 1 zu 2 Mos. 2,10 nennt sie Bathia. Dass sie die einzige Tochter Pharaos war, ist Zusatz Philos.
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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/010&oldid=- (Version vom 1.8.2018)