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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

[p. 87 M.] das Material herbeischaffen mussten; alle Verrichtungen der Werkmeister wie der Gehilfen waren sie gezwungen zu leisten, so dass in kurzer Zeit der Körper ihnen den Dienst versagte, da vorher schon ihre Seele kleinmütig geworden war. 39 So starben sie haufenweise wie an einer pestartigen Seuche, unbestattet warf man sie über die Grenzen und erlaubte nicht einmal Staub über die Leichname zu streuen und selbst nicht Verwandte oder Freunde, die so jammervoll umgekommen waren, zu beweinen. Ja sogar die unbezwinglichen Empfindungen der Seele, fast das einzige von allem, was die Natur von ihrer Herrschaft frei gelassen hatte, bedrohten die Frevler mit Vergewaltigung, indem sie durch die unerträgliche Schwere eines noch stärkeren Zwanges sie niederzuhalten suchten. 40 (8.) Der Unmut und der Zorn über diese Lage verliess Moses nicht, da er weder die Misshandelnden abzuwehren noch den Misshandelten zu helfen imstande war. Aber soviel in seinen Kräften stand, suchte er durch sein Wort zu helfen, indem er den Aufsehern zuredete, massvoll zu sein und das Uebermass der Forderungen zu mildern und herabzusetzen, und den Arbeitenden, das gegenwärtige Geschick edlen Mutes zu tragen, mannhafter Gesinnung zu sein und nicht seelisch zugleich und körperlich zu erschlaffen, sondern Gutes nach dem Schlimmen zu erwarten; 41 alles in der Welt wandle sich ja in sein Gegenteil um, bewölkter Himmel in Himmelsbläue, der Stürme Gewalt in windstille Luft, das Tosen des Meeres in Ruhe und Stille, und Menschenschicksale noch in desto höherem Grade, je wandelbarer sie seien. 42 Durch solchen sänftigenden Zuspruch hoffte er wie ein guter Arzt die Uebel, ob sie auch sehr schwer waren, ihnen zu erleichtern; aber hatten diese einmal nachgelassen, so setzten sie ihnen eines nach dem andern wieder von neuem zu und brachten nach dem Aufatmen immer ein ganz neues Uebel, das noch schlimmer war als die früheren. 43 Es waren nämlich unter den Aufsehern manche ganz unbändig und voller Wut, in ihrer Wildheit von Giftgezücht und Raubtieren gar nicht verschieden, Tiere in Menschengestalt, denen des Leibes Gestalt als Waffe diente, um unter der Maske der Freundlichkeit ihr trügerisches Jagdwerk zu

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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/017&oldid=- (Version vom 1.8.2018)