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Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/35

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

Sinnenwelt, diesen als das vorzüglichste der erdgeborenen und [20 M.] vergänglichen (Geschöpfe), der so zu sagen ein kleiner Himmel ist[1], da er viele sternähnliche Wesen als Bilder in sich trägt[2] in Künsten und Wissenschaften und in den herrlichen Grundsätzen jeglicher Tugend. Denn da das Vergängliche und das Unvergängliche von Natur Gegensätze sind, so wies er von beiden Arten das Schönste dem Anfang und dem Ende zu, dem Anfang, wie gesagt, den Himmel, dem Ende den Menschen.

[28.] 83 Endlich wird noch folgendes als zwingender Grund angegeben. Der Mensch musste das letzte aller geschaffenen Dinge sein, damit er durch sein plötzliches Erscheinen als letzter den übrigen Lebewesen Schrecken einflösse; denn sobald sie ihn sahen, sollten sie ihn anstaunen und ihm Ehrfurcht bezeigen wie einem natürlichen Führer und Gebieter[3]. Deshalb wurden sie auch, als sie ihn erblickten, samt und sonders zahm; auch alle, die ihrer Natur nach sehr wild sind, wurden sofort beim ersten Anblick sehr unterwürfig und zeigten wohl gegen einander unbändige Kampfeswut, gegen den Menschen allein aber Fügsamkeit. 84 Aus diesem Grunde

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/35&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Einen „kleinen Himmel“ oder eine „kleine Welt“ nennt Philo öfter den Menschen nach aristotelischer, stoischer und pythagoreischer Ausdrucksweise im Gegensatz zum Makrokosmos, zur Welt, die umgekehrt von Philo bisweilen der „grosse Mensch“ genannt wird. Der Gegensatz von Makrokosmos und Mikrokosmos zieht sich auch durch die ganze Philosophie des Mittelalters.
  2. Philo vergleicht den menschlichen Geist mit dem Himmel: wie am Himmel die Gestirne, die nach Philo göttliche Naturen (θεῖαι φύσεις) sind, sich herumbewegen, so bewegt der Mensch in seiner Seele gleichsam sternähnliche oder göttliche Naturen d. h. göttliche Gedanken.
  3. Eine altjüdische Legende erzählte, dass, nachdem Adam geschaffen war, alle Tiere zu ihm kamen und sich vor ihm als ihrem Herrn bückten. Vgl. Pirke Rabbi Elieser cap. 11. In dem syrischen Buche „die Schatzhöhle“ (ed. Bezold S. 3) wird erzählt: In Jerusalem (sic) ward Adam zum König, Priester und Propheten gemacht, und dort gab ihm Gott die Herrschaft über alle Geschöpfe und sie kamen zu Adam und er gab ihnen Namen und sie beugten ihr Haupt vor ihm und beteten ihn an und dienten ihm. Ebenso im aethiopischen Adambuch S. 34. Vgl. Grünbaum, Neue Beiträge zur semit. Sagenkunde S. 56f.