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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

erfüllte Seele selbst als schönstes Opfertier heranführen, als eine fette und glänzende, sich des göttlichen Lichtes freuende und von den aus der Gerechtigkeit und den andern Tugenden aufsteigenden Düften angewehte, so daß sie stets das wohlriechendste und angenehmste Leben ernte; denn mit dem Öl und dem [669 M.] Weihrauch, die der Priester zusammen mit dem Mehl erfaßt, ist dies gemeint. [11] 75 Deshalb hat auch Moses ein besonderes Fest für die Garbe eingesetzt, nur nicht für jede, sondern für die aus dem heiligen Land. „Wenn ihr“, heißt es nämlich, „in das Land kommt, das ich euch gebe, und erntet seine Ernte, sollt ihr Garben als Erstlingsopfer eurer Ernte zu dem Priester bringen“ (3 Mos. 23, 10). 76 Das heißt aber: Wenn du kommst, mein Geist, in das Land der Tugend, das zu schenken allein Gott zukommt, in das weidereiche, mit gutem Ackerboden, das fruchttragende, und du dann die entsprechenden Güter gesät und sie, durch den Vollendenden vermehrt, geerntet hast, so sollst du sie nicht eher nach Hause bringen, das heißt: dir selbst nicht die Ursache des Ertrages beilegen und zuschreiben, als bis du sie als Erstlinge dargebracht hast dem Urheber des Reichtums und dem, der dich dazu veranlaßt hat, die den Reichtum einbringenden Werke zu verrichten. 77 Und es heißt „das Erstlingsopfer der Ernte eurer selbst“, und nicht des Landes, darbringen, auf daß wir uns selber[1] mähen und ernten, indem wir alle schönen, nährenden und vortrefflichen Triebe zum Opfer bringen.

[12] 78 Doch der Myste und zugleich Mystagoge der Träume[2] erkühnt sich zu sagen, daß seine Garbe sich aufrichtete und gerade stand (1 Mos. 37, 7). Nämlich tatsächlich so, wie die stolzen Pferde ihren Nacken hochheben, setzen sich alle, die Genossen des eitlen Wahns sind, hinweg über alles, über Staaten, Gesetze, väterliche Sitten, die jeweiligen Verhältnisse. 79 Dann gehen sie von der Führung des Volkes zu seiner Beherrschung über, werfen das Eigentum ihrer Mitmenschen nieder, das ihnen Gehörende aber richten sie auf und stellen es fest hin, und auch das, was frei und nicht knechtisch von Natur gesinnt ist, suchen sie unter ihre Gewalt zu bringen. 80 Deshalb fügt er hinzu: „Eure Garben aber drehten sich herum und


  1. Nach Wendland muß es natürlich ἑαυτούς heißen.
  2. Philo betrachtet die Träume als Mysterienoffenbarung und Joseph als Mysten, der in diese Mysterien eingeweiht ist und selbst Traumoffenbarungen hat, zugleich aber auch als Mystagogen, d. h. als Mysterienpriester, der andern das Mysterium durch die Deutung der Träume verständlich macht.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/76&oldid=- (Version vom 7.10.2018)