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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

den armen Magen, und der Tor scheut sich nicht, Körbe zu tragen und sich mit einer derartig großen dreifachen Last von Körben zu beschweren, das heißt nämlich mit den drei Teilen der Zeit.[1] 209 Die Lust nämlich, sagen die, die ihr anhangen,[2] besteht aus der Erinnerung an vergangene Freuden, aus dem Genuß der gegenwärtigen und aus der Hoffnung auf die zukünftigen, 210 so daß die drei Körbe den drei Teilen der Zeit entsprechen, das Backwerk aber in den Körben dem zu jedem der Teile Passenden: der Erinnerung an vergangene (Freuden), der Teilnahme an gegenwärtigen, der Erwartung zukünftiger, der das alles Tragende aber dem Lüstling, der nicht mit einer Art Unmäßigkeit, sondern mit fast allen Gattungen und Arten der Ausschweifung den Tisch angefüllt hat, der der Opferspende und des gastlichen Salzes entbehrt. 211 Von ihm hat allein der König Pharao wie bei einer Volksspeisung Genuß, der das Ausstreuen,[3] Zerstreuen und Verderben der Enthaltsamkeit betreibt. Er bedeutet nämlich „Zerstreuung“.[4] Seine Hoheit und Königswürde hat er aber nicht, weil er stolz sein könnte auf Güter der Besonnenheit, auf die er es sein dürfte, sondern, weil er sich, was er nicht dürfte, mit den Bestrebungen der Unverschämtheit brüstet, und dabei scheitert er an der Unersättlichkeit, Gefräßigkeit und Weichlichkeit. 212 Daher denn die Vögel, das heißt: die von außen her zufliegenden unberechenbaren Zufälle, über alles wie ein Feuer herfallen, es entzünden und mit ihrer alles fressenden Kraft verzehren werden (1 Mos. 40, 17), so daß auch nicht ein Restchen übrigbleibt zum Genuß für den Korbträger, der hoffte, seine Erfindungen und Einfälle bis in alle Ewigkeit unentwindbar in [687 M.] Sicherheit zu tragen. 213 Dank sei dem sieghaften Gott, der die bis zum Äußersten getriebenen Bestrebungen des dem Laster Frönenden erfolglos macht, dadurch daß er geflügelte Wesen unsichtbar schickt zu ihrer Vernichtung und ihrem Verderben. Wenn nun der Geist alles dessen beraubt worden ist, was er geschaffen hat, wird er, wie wenn man ihm den Hals abgeschnitten hätte, als ein Kopfloser und ein Toter erfunden werden, angenagelt wie die Gekreuzigten am Holze der


  1. Philo denkt dabei an den weiter unten stehenden Vers: „Drei Körbe sind drei Tage“ (1 Mos. 40, 18).
  2. Gemeint sind die Epikureer und ihre von Philo hier angeführte Lehre vgl. Usener, Epicurea fr. 435ff., 429. Cicero, Tusc. disput. V 33, 96.
  3. Für das sinnlose σπορὰν ist mit Hoeschel διασπορὰν zu lesen.
  4. Vgl. Über die Geburt Abels § 48 und die Anmerkung dazu.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/99&oldid=- (Version vom 7.1.2019)