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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

Begriffsfaselei[1] prunken, sonst aber nichts haben, woran sie Heiligkeit und Frömmigkeit messen[2]. 43 (13.) Der Unterricht [p. 147 M.] in der Geheimlehre muss nun also beginnen. Der Mann kommt mit dem Weibe, der männliche Mensch mit dem weiblichen, zusammen und pflegt, indem er der Natur folgt, Verkehr zur Erzeugung von Kindern. Die Tugenden, die viele vollkommenen Dinge hervorbringen, dürfen nicht einem sterblichen Manne anheimfallen; wenn sie aber nicht von einem andern den Samen empfangen haben, werden sie von selbst niemals schwanger werden. 44 Wer anders ist es nun, der in ihnen das Gute sät, als der Vater aller Dinge, der ungeschaffene und alles erschaffende Gott? Gott also gibt den Samen, die eigenartige Frucht aber, die er mit dem Samen hervorbringt, ist ein Geschenk; denn Gott erzeugt nichts für sich, da er vollkommen bedürfnislos ist, sondern alles für den, der es zu empfangen nötig hat. 45 Für das Gesagte kann ich als vollwertigen Zeugen den hochheiligen Moses anführen; er lässt nämlich die Sarah dann schwanger werden, als Gott in ihrer Vereinsamung auf sie schaut[3], gebären aber lässt er sie nicht dem, der auf sie geschaut hat, sondern dem, der Weisheit zu erlangen eifrig bestrebt ist, dessen Name Abraham ist. 46 Noch deutlicher lehrt er es uns bei der Lea[4], indem er sagt, dass Gott ihren Mutterschoss öffnete (1 Mos. 29,31) — den Mutterschoss zu öffnen ist doch aber Sache des Mannes —; sie aber empfing und gebar, nicht der Gottheit — denn diese ist sich allein genug und vollkommen ausreichend —, sondern dem die mühevolle Sorge um das Gute auf sich nehmenden Jakob. Also empfängt die Tugend zwar von dem (göttlichen) Urheber den göttlichen Samen, sie gebiert aber einem ihrer Liebhaber, der


  1. Für ἐθῶν ist vielleicht ἐννοιῶν zu lesen (Vermutung von Wyttenbach).
  2. Philo macht, wie die griechischen Philosophen seit Plato, von den Formen des Mysterienkults Gebrauch, um seinen allegorischen Deutungen von Bibelstellen mehr Nachdruck und religiöses Gepräge zu verleihen. So nennt er sich selbst als Verkünder geheimnisvoller Lehren einen Hierophanten und seine Lehren Mysterien. Wie die Mysterien den Uneingeweihten, sollen deshalb diese Lehren den moralisch Unwürdigen verschlossen bleiben.
  3. 1 Mos. 21,1 ויהוה פקד את־שרה‎ übersetzt die LXX καὶ κύριος ἐπεσκέψατο τὴν Σάρραν.
  4. Vgl. All. Erkl. III § 180 f.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/017&oldid=- (Version vom 3.12.2016)