Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn | |
|
voll reiner Glückseligkeit; sein Wesen ist ganz vollkommen, mehr noch, Gott ist selbst der Gipfel, der Endpunkt und die Grenze der Glückseligkeit, er braucht keinen andern zu ihrer Steigerung, gewährt vielmehr allen Einzelgeschöpfen Anteil an der Quelle des Schönen, an sich selbst; denn alles Schöne in der Welt wäre niemals so geworden, wenn es nicht dem wahrhaft schönen Urbilde, dem ungeschaffenen, seligen, unvergänglichen nachgebildet wäre. 87 (26.) Und deshalb nennt auch Moses an vielen Stellen seines Gesetzbuchs den „Sabbat“ — das Wort bedeutet „Ausruhen“ — „Gottes“[1], nicht der Menschen, womit er eine wichtige Lehre der Naturwissenschaft berührt; denn unter allen Wesen ist, wenn man die Wahrheit sagen soll, das [p. 155 M.] einzig ausruhende Gott. Unter „Ausruhen“ versteht er aber nicht Untätigkeit, da doch der Urgrund aller Dinge seinem Wesen nach immer tätig ist und niemals aufhört das Beste zu wirken[2], sondern die mühelose Tätigkeit ohne Beschwerde und in vollster Leichtigkeit. 88 Von der Sonne nämlich und dem Mond und dem ganzen Himmel und Weltenraum, die ja nicht ihre eigenen Herren sind, sondern fortwährend bewegt und getragen werden, dürfen wir sagen, dass sie geplagt werden. Ein sehr deutlicher Beweis dieser Mühewaltung sind die Jahreszeiten; denn die bedeutsamsten Himmelskörper ändern ihre Bewegungen, indem sie bald nach Norden, bald nach Süden, bald anderswohin ihre Umläufe vollführen, und die Luft, die bald erwärmt, bald abgekühlt und allen Wandlungen ausgesetzt ist, beweist durch ihre (wechselnden) Zustände, dass sie sich müde arbeitet, da die Hauptursache des Wechsels die Ermüdung ist. 89 Töricht wäre es über die Landtiere und die Tiere im Wasser viele Worte zu machen und ihre Wandlungen im allgemeinen und im einzelnen des längeren auseinanderzusetzen; denn diese sind natürlich noch viel mehr als die in der Luft lebenden der Schwäche unterworfen; haben sie doch am meisten Anteil an der geringsten, irdischen Substanz. 90 Da also die der Wandlung unterworfenen Dinge infolge von Ermüdung sich verändern, Gott aber unwandelbar und unveränderlich ist,
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 194. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/028&oldid=- (Version vom 3.12.2016)