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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

83 Da somit erwiesen ist, dass kein Sterblicher fest und sicher Herr über etwas ist, und dass die sogenannten Herren es nur in der Einbildung, nicht in Wahrheit sind, da es aber, wie es Untergebene und Sklaven gibt, ebenso einen Führer und Herrn in dem Weltganzen geben muss, so ist der wirkliche Herrscher und Führer einzig und allein Gott, und ihm ziemt es zu sagen, dass alles sein Besitztum ist. 84 (25.) Um zu zeigen, wie herrlich und der göttlichen Würde angemessen die heilige Schrift sich darüber äussert, wollen wir das Wort „alles ist mein“ betrachten. Unter „alles“ versteht Gott „Geschenke und Gaben und Früchte, auf die ihr achthaben und die ihr mir darbringen sollt an meinen Festen“ (4 Mos. 28,2)[1]. Ganz deutlich erklärt er damit, dass ein Teil der Dinge nur mässigen Dankes gewürdigt wird, was „Gabe“ genannt wird, ein anderer grösseren Dankes, was zutreffend „Geschenk“ genannt wird, einige aber derart sind, dass sie nicht nur Tugenden als Früchte hervorbringen, sondern auch ganz und gar schon essbare Frucht[2] sind, mit der allein die Seele des gern Schauenden[3] sich nährt. 85 Wer nun diese Lehre empfangen hat und sie zu beachten und im Herzen zu bewahren vermag, der wird Gott ein fehlerloses und herrliches Opfer bringen, das Gottvertrauen, und zwar an Festen, die nicht den Sterblichen gehören; denn sich selbst hat Gott die Feste zugeeignet und damit den Anhängern der Weisheit eine sehr wichtige Lehre gegeben. 86 Diese Lehre lautet: Gott allein feiert in Wahrheit Feste[4], denn er allein darf sich freuen, er allein darf froh und heiter sein, er allein hat Frieden ohne jeden Kampf; er ist ohne Trauer und ohne Furcht und vollkommen frei von Uebeln, keinem nachgebend, ohne Schmerzen, ohne Müdigkeit,


  1. Philo zitiert hier ungenau; die LXX übersetzt τὰ δῶρά μου, δόματά μου, καρπώματά μου εἰς ὀσμὴν εὐωδίας διατηρήσετε προσφέρειν ἐμοὶ ἐν ταῖς ἑορταῖς μου. Philo lässt das dreimalige μου und εἰς ὀσμὴν εὐωδίας aus und ändert διατηρήσατε προσφέρειν in ἃ διατηροῦντες προσοίσετε.
  2. Philo fasst καρπώματα in seiner eigentlichen Bedeutung (Früchte), während es an der zitierten Bibelstelle „Opfer“ bedeutet. Vgl. auch Alleg. Erklär. III § 196.
  3. Gemeint ist der die reinen Ideen zu schauen Verlangende, d. h. der nach höchster Weisheit Strebende.
  4. Derselbe Gedanke auch Ueber die Einzelgesetze II § 53.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/027&oldid=- (Version vom 3.12.2016)