Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn | |
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denn ein sinnliches Wesen ist das geschaffene, für die Sinnlichkeit [p. 157 M.] aber ist die rein geistige Natur unfasslich. 98 (29.) Da also (Gottes Auge) unsichtbar in den Ort unserer Seele eindringt, so wollen wir diesen Ort möglichst gut ausrüsten, da mit er eine würdige Wohnstätte Gottes werde; sonst wird er unvermerkt in ein anderes Haus übersiedeln, das ihm besser hergerichtet zu sein scheint. 99 Wenn wir im Begriff Könige aufzunehmen unsere Wohnungen glänzender herrichten und nichts an Ausschmückung ausser acht lassen, sondern alles voll und reichlich verwenden und darauf bedacht sind, dass der Aufenthalt möglichst angenehm und in angemessen würdiger Weise sich für sie gestalte, wie müssen wir erst das Haus einrichten für Gott, den König der Könige und den Allherrscher, der aus Gnade und Liebe zu den Menschen dem Geschaffenen Beachtung schenkt und von den Enden des Himmels zu den Grenzen der Erde herabkommt, um unserem Geschlecht Wohltaten zu erweisen? 100 Etwa aus Steinen oder einer Holzmasse? fern sei dieser Gedanke, den nur auszusprechen schon Sünde ist. Denn selbst wenn die ganze Erde sich verwandelte und plötzlich zu Gold oder noch Kostbarerem als Gold würde und in der Kunst geschickter Meister zur Verwendung käme, die Säulenhallen, Torgebäude, Säle, Tempelvorhöfe und Tempel bauen, könnte sie kein Schemel für seine Füsse sein; als würdige Behausung ist nur die Seele geeignet. 101 (30.) Wenn wir also die unsichtbare Seele die irdische Behausung des unsichtbaren Gottes nennen, werden wir uns recht und nach Gebühr ausdrücken. Damit aber das Haus fest und prächtig sei, sollten als Grundsteine gute Anlage und Unterricht gelegt und Tugenden mit edlen Handlungen darüber gebaut werden, und als Zierrat diene die Aneignung der allgemeinen Vorbereitungswissenschaften. 102 Denn aus einer guten Anlage erwachsen Gewandtheit, Beharrlichkeit, Gedächtnis, aus dem Unterricht leichtes Auffassen und Aufmerksamkeit, wie Wurzeln aus einem Baume, der edle Früchte hervorbringen wird, Eigenschaften, ohne die der Geist unmöglich seine Vollendung erlangen kann. 103 Aus den Tugenden und den ihnen entsprechenden Handlungen wird die Stärke und Festigkeit des sicheren Baues gewonnen; denn wer etwa die Seele von dem
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/031&oldid=- (Version vom 3.12.2016)