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Philon: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel

denn ausser Schnitzbildern und Bildsäulen haben sie gar noch vernunftlose Tiere in die Götterverehrung eingeführt, Stiere, Widder und Ziegenböcke, und von jedem eine Wunderfabel hinzugedichtet. 77 Indessen, die Verehrung dieser Tiere hat vielleicht noch einen Sinn, denn sie sind doch die zahmsten und für das Leben (der Menschen) nützlichsten Tiere. Der Pflugstier reisst Furchen zur Zeit der Aussaat und ist dann wieder das geeignetste Tier zum Dreschen, wenn die Frucht gereinigt werden soll. Der Widder liefert die schönste Schutzhülle, das Gewand; denn unbekleidet ginge der Körper leicht zu Grunde, entweder durch übermässige Hitze oder durch Kälte, in dem einen Falle durch Sonnenbrand, in dem andern durch die empfindliche Abkühlung der Luft. 78 Nun aber gehen sie noch weiter und ehren auch ungezähmte Tiere und unter diesen die wildesten und unbändigsten, wie Löwen und Krokodile und von Kriechtieren die giftige Aspis, mit Tempeln und Hainen, mit Opfern, Festversammlungen, Festaufzügen und ähnlichen Dingen. Beide Gebiete nämlich, Erde und Wasser, die den Menschen von Gott zum Gebrauche gegeben sind, [p. 194 M.] durchsuchten sie nach den wildesten Tieren und fanden unter den Landtieren kein bösartigeres als den Löwen und unter den Wassertieren kein grausameres als das Krokodil; diesen also erweisen sie göttliche Ehren. 79 Und viele andere Tiere, wie Hunde, Katzen, Wölfe, von Geflügeltieren Ibis und Habicht, endlich Fische, entweder ganz oder Teile von ihnen, haben sie vergöttert. Was aber kann lächerlicher sein als dieses? 80 Natürlich müssen Fremde, die zum ersten Male nach Aegypten kommen, solange sie den in diesem Lande heimischen Wahn noch nicht in ihre eigene Seele gepflanzt haben, sich zu Tode lachen; die aber eine rechte Bildung genossen haben, sind entsetzt darüber, dass man so unwürdigen Dingen ernste Verehrung bezeigt, sie beklagen die Menschen, die das tun, und halten sie, wie es sich gehört, für noch elender als die Gegenstände, die sie verehren, in die sie gleichsam ihre Seele haben übergehen lassen, so dass sie gleich Tieren in Menschengestalt umherzugehen scheinen. 81 Deshalb verbannte Gott aus dem heiligen Gesetz jede derartige

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: Ueber den Dekalog (De decalogo) übersetzt von Leopold Treitel. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonDecalGermanTreitel.djvu/022&oldid=- (Version vom 9.12.2016)