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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

mit den dicken Aehren verschlungen wurde. 103|Nach dieser Erscheinung verbringt er den Rest der Nacht schlaflos – denn die quälenden und peinigenden Sorgen hielten ihn wach – und lässt am frühen Morgen die Weisen holen und erzählt ihnen den Traum. 104|Als aber keiner mit annehmbaren Vermutungen der Wahrheit auf die Spur zu kommen vermag, tritt der Obermundschenk hervor und sagt: „O Herr, den Mann, den du suchst, haben wir Hoffnung zu finden. Damals als wir uns vergingen, ich und der Oberbäcker, befahlst du uns in das Gefängnis abzuführen; in diesem befand sich ein hebräischer Diener des Oberküchenmeisters[1], dem wir die Träume erzählten, die wir hatten; und er deutete sie so richtig und zutreffend, dass bei jedem von uns das eintraf, was er voraussagte, bei dem Oberbäcker die Strafe, die er erlitt, bei mir die Erlangung deiner Verzeihung und Gnade“. 105|(20.) Als der König dies vernahm, gab er Auftrag, schleunigst den Jüngling herbeizurufen. Man lässt ihn also scheren — denn Kopf- und Barthaare waren ihm während der Gefangenschaft lang gewachsen –, gibt ihm ein reines Gewand statt des schmutzigen, lässt ihn auch im übrigen sich säubern und führt ihn zum Könige. 106|Dieser erkennt schon an seinem Antlitz den freien und edelgeborenen Mann in ihm – denn gewisse Merkmale zeigen sich im Aeusseren solcher, allerdings nicht sichtbar für alle, sondern nur für die, deren geistiges Auge scharf blickt –, und er spricht: „Mein Gefühl sagt mir, dass meine Träume nicht mehr lange im Dunkel verhüllt bleiben werden; denn dieser Jüngling zeigt das Kennzeichen der Weisheit, er wird die Wahrheit enthüllen, wie das Licht das Dunkel vertreibt, wird er mit seiner Einsicht die Unwissenheit unserer Weisen zerstreuen“. 107|Dann erzählte er die Träume. Joseph aber hatte nicht die geringste Furcht vor der Würde des Sprechenden, er redete wie ein König zu seinem Untergebenen, nicht wie ein Untergebener zum Könige, freimütig mit Ehrerbietung, und sagte: „Was Gott an diesem Lande tun will, hat er dir vorausverkündet. Glaube nicht, dass die beiden Erscheinungen


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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/027&oldid=- (Version vom 4.9.2017)