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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

und seelisch noch mehr als körperlich durch die guten Hoffnungen kräftigen werde; alsdann liess er durch die mit der Aufsicht über das Getreide betrauten Beamten an die, die kaufen wollten, Getreide verkaufen, während er selbst immerfort die Zukunft im Auge hatte und das Kommende sorgfältiger beachtete als das Gegenwärtige.

163 (28.) Unter diesen Umständen schickt auch sein Vater, da auch dort Mangel an den notwendigen Lebensbedürfnissen eintrat, ohne Kenntnis von dem Glücke des Sohnes zehn seiner Söhne zum Getreidekauf aus, während er den jüngsten zu Hause behielt, der ein leiblicher Bruder des Vizekönigs war. 164|In Aegypten angekommen, wenden sie sich an den Bruder wie an einen Fremden und werfen sich in ehrfürchtiger Scheu vor seiner Würde nach alter Sitte vor ihm nieder, wodurch also seine Träume sofort ihre Bestätigung erhielten. 165|Er aber erkannte die Brüder, die ihn verkauft hatten, als er sie erblickte, alle sogleich, während er selbst von keinem erkannt wurde, weil Gott aus bestimmten und zunächst verschwiegenen Gründen die Wahrheit noch nicht offenbaren wollte und deshalb entweder das Antlitz des Landesverwesers so veränderte, dass es würdevoller aussah, oder den Geist der Brüder, als sie ihn sahen, so verwirrte, dass sie ihn nicht erkennen konnten. 166|Aber nicht wie man es von einem jungen Mann erwartet hätte, der zu solcher Macht gelangt ist, der den ersten Rang nach dem Könige einnimmt, p. 65 M. und zu dem der Osten und der Westen aufblicken, trug er ihnen in jugendlichem Uebermut und stolz auf seine grosse Macht das erlittene Unrecht nach, wiewohl er Gelegenheit hatte sich zu rächen; vielmehr konnte er nur mit Mühe sein brüderliches Gefühl beherrschen und in seinem Herzen verbergen; mit schwerem Entschluss gab er sich als ein Fremder aus, und indem er in Blick und Stimme und in seinem ganzen Benehmen die Rolle des Zürnenden spielte, sagte er: „Ihr da, nicht friedlich gesinnt seid ihr; einer von den Feinden des Königs hat euch als Kundschafter ausgesandt, dem ihr schlimme Dienste zu leisten versprochen habt, da ihr dachtet es unbemerkt tun zu können; es bleibt aber nichts verborgen von dem, was heimtückischer Weise

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/039&oldid=- (Version vom 5.9.2017)