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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn

heil zum Vater zurück, während sie selbst dem Argwohn der Kundschafterei entronnen waren und reichen Vorrat an Nahrungsmitteln heimbrachten und Gutes auch für die Zukunft erwarten durften; denn wenn die Lebensmittel noch öfter ausgehen sollten, sagten sie sich, werden wir nicht mehr wie früher ängstlich, sondern freudig die Reise zu dem Landesverweser wie zu einem Angehörigen, nicht wie zu einem Fremden, unternehmen. 211|(36.) Während sie aber in solcher Stimmung sind und solches im Herzen bedenken, ergreift sie eine plötzliche und unerwartete Aufregung. Denn auf Befehl (Josephs) kam der Hausverwalter mit einer nicht geringen Schar von Dienern herangesprengt und gab ihnen (schon von ferne) durch Handbewegungen ein Zeichen, dass sie halten sollen. Ganz atemlos vom Laufen sprach er: 212|„Nun habt ihr die früher gegen euch erhobenen Beschuldigungen besiegelt; Gutes mit Bösem vergeltend habt ihr wieder denselben Weg des Verbrechens eingeschlagen; nachdem ihr das Geld für das Getreide entwendet habt, begeht ihr jetzt einen noch grösseren Frevel; denn böse Tat geht immer weiter, wenn sie unbestraft geblieben ist. 213|Den schönsten und kostbarsten Becher meines Herrn, aus dem er euch zutrank, habt ihr gestohlen, ihr so dankbaren, ihr so friedlichen Menschen, die ihr nicht einmal das Wort „Kundschafterei“ kennen wollt, die ihr doppeltes Geld zum Ersatz für das frühere gebracht habt, vermutlich als schlaue Lockspeise, um grössere Beute zu gewinnen. Aber nicht immer kommt die Schlechtigkeit gut fort, wenn sie sich auch noch so schlau verbirgt, einmal wird sie doch ertappt“. 214|Ueber solche Rede waren sie ganz starr, Schmerz und Furcht, die beiden schlimmsten Uebel, überfielen sie so plötzlich, dass sie nicht den Mund zu öffnen imstande waren; denn das Hereinbrechen unerwarteten Unglücks macht auch redegewandte Menschen sprachlos. 215|Um aber nicht den Schein zu erwecken, dass sie schwiegen, weil sie sich in ihrem Gewissen schuldig fühlten, rafften sie sich aus der Erstarrung auf und sagten: „Wie sollen wir uns verteidigen und bei wem? Du, der Ankläger, sollst auch unser Richter sein, und du müsstest auch, wenn andere uns beschuldigen, unser Anwalt sein nach allem, was

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Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 201. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/048&oldid=- (Version vom 6.9.2017)