Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn | |
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Gefühl stammende brüderliche Liebe an den Tag. 219|Denn insgesamt warfen sie sich ihm zu Füssen, als ob sie alle des Diebstahls schuldig wären, was man doch von ihnen nicht sagen konnte, und zerflossen in Tränen, flehten, boten sich selbst an, versprachen freiwillige Knechtschaft, nannten ihn ihren Herrn und sich selbst Verworfene und für Geld gekaufte Sklaven, sie liessen keinen verächtlichen Sklavennamen aus, mit dem sie sich nicht benannten. 220|Er aber stellt sie noch mehr auf die Probe und sagt in strengstem Tone zu ihnen: „Niemals möchte ich das Unrecht begehen, so viele als Gefangene abführen zu lassen, weil einer gefehlt hat; denn wie darf man die an der Strafe teilnehmen lassen, die an dem Verbrechen nicht beteiligt sind? Jener allein soll bestraft werden, da er allein die Tat begangen hat. 221|Ich erfahre nun, dass ihr vor der Stadt sogar den Tod über den Schuldigen verhängt habt. Ich aber behandle alles nach Billigkeit, ich mildere daher die Strafe und bestimme Knechtschaft an Stelle der Todesstrafe“. 222|(38.) Sie waren natürlich über die Drohung sehr betrübt und von der Anklage ganz niedergedrückt. Da trat der vierte der Brüder vor – er war keck und zuversichtlich, ohne unbescheiden zu sein, und freimütig, ohne unverschämt zu sein — und sprach: „Ich flehe dich an, o Herr, nicht deinem Zorn nachzugeben und deshalb, weil du die erste Stelle nach dem Könige einnimmst, gleich zu verurteilen, ehe du unsere Verteidigung angehört hast. 223|Als du bei unserm ersten Aufenthalt uns nach dem Bruder und dem Vater fragtest, p. 73 M. erwiderten wir: der Vater ist ein alter Mann, nicht sowohl durch die Zeit gealtert als durch die zahlreichen Schicksalsschläge, die er wie ein Ringkämpfer immerfort zu bestehen hatte, so dass er in lauter Mühseligkeiten und unerträglichen Kümmernissen sein Leben verbracht hat; der Bruder aber ist noch sehr jung und wird vom Vater unendlich geliebt, da er ein Spätgeborener ist und von zwei leiblichen Brüdern allein übrig blieb, denn der ältere wurde durch einen gewaltsamen Tod dahingerafft. 224|Als du aber befahlst, den Bruder hierher zu bringen, und drohtest, wenn er nicht käme, auch uns ferner nicht zu gestatten, vor dein Angesicht zu kommen,
Philon: Ueber Joseph (De Josepho) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1909, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonJosGermanCohn.djvu/050&oldid=- (Version vom 6.9.2017)