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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

schuf aber die Welt, indem er unsterbliche und sterbliche Wesen bei der Schöpfung zusammenordnete und die einen zu führender Stellung, die anderen zu Untergebenen bestimmte. 2 Der geschichtliche Teil enthält die Lebensbeschreibungen tugendhafter und lasterhafter Männer, sowie die Strafen und Belohnungen, die ihnen in jedem Zeitalter zugemessen wurden. Von dem Gesetzgebungswerk hat ein Teil allgemeineren Inhalt, der andere enthält die Vorschriften der einzelnen Gesetze: (jenen bilden) zehn Hauptgebote, die nach der Ueberlieferung nicht durch einen (menschlichen) Dolmetscher offenbart wurden, sondern in Himmelshöhe geformt und mit vernünftiger Artikulierung[1], während die anderen, die Einzelgesetze, durch den Propheten verkündet wurden, [p. 409 M.] 3 Nachdem ich über alle diese Dinge, soweit es nötig ist, in den früheren Büchern ausführlich gesprochen habe, ausserdem auch über die Tugenden, die (der Gesetzgeber) für Krieg und Frieden empfiehlt, wende ich mich nunmehr folgerichtig zu den für die Guten ausgesetzten Belohnungen und für die Schlechten angedrohten Strafen. 4 Nachdem er nämlich durch Vorschriften und sanfte Ermahnungen und andrerseits durch Drohungen und strenge Warnungen die Menschen, die seiner Staatsordnung angehören, genügend belehrt, forderte er sie zu öffentlicher Betätigung seiner Lehren auf. Sie aber traten gleichsam in einen heiligen Wettkampf ein und taten ihren Willen kund, einen klaren Beweis der Wahrheit zu liefern. 5 Da nun wurden die einen als wahrhafte Tugendkämpfer befunden, die ihre Lehrmeister, die Gesetze, in der auf sie gesetzten guten Hoffnung nicht betrogen, andere aber erwiesen sich als unmännlich und feig infolge angeborener Geistesschwäche, sanken schon zu Boden, ehe noch eine stärkere Gewalt sich ihnen entgegenstellte, und fanden Schimpf und Spott bei den Zuschauern. 6 Daher empfingen jene die Kampfpreise und öffentlichen Belobigungen und die übrigen Auszeichnungen, wie sie Siegern zuteil werden, während die anderen nicht nur unbekränzt abziehen mussten, sondern auch eine schimpfliche Niederlage erlitten, die viel empfindlicher


  1. Vgl. Ueber den Dekalog § 32 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 384. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/006&oldid=- (Version vom 30.9.2017)