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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

ist. 20 Wenn er nun aber auswandert, so soll er die Ansammlungen der Menge vermeiden und das Alleinsein lieben; denn auch in der Fremde gibt es ähnliche Schlingen wie zu Hause, in denen die Unvorsichtigen, die an dem Verkehr mit der Menge Gefallen haben, natürlich gefangen werden; denn was ohne Ordnung, ohne Anstand, sündig und schuldbeladen ist, das ist Pöbel, mit dem umzugehen für den, der sich eben erst der Tugend zugewandt hat, durchaus keinen Nutzen hat. 21 Denn wie bei einem Menschen, der von einer langen Krankheit zu genesen anfängt, der Körper leicht erliegt, weil er noch nicht genügend gekräftigt ist, so ist auch bei den Menschen, deren Seele eben erst gesundet, die geistige Spannkraft noch schwach und unsicher, sodass man befürchten muss, die Leidenschaft könnte wieder hervorbrechen, die durch das Zusammenleben mit schlechten Menschen erregt wird.

22 (4.) Nach dem Kampf der Reue wird ein dritter Preis gegeben für , und der Mann, der sich diese zu eigen gemacht hat, erhält eine doppelte Belohnung: die eine besteht in der Rettung bei allgemeinem Untergang, die andere darin, dass er zum Aufseher und Hüter der paarweise verbundenen Tiere aus jeder Gattung bestellt wurde, damit ein neues Geschlecht entstehen konnte an Stelle des untergehenden. 23 Der Schöpfer wollte nämlich, dass ein und derselbe Mann der letzte des verdammten und der erste des (neuen) unschuldigen Geschlechtes sei, und er gab damit denen, die behaupten, dass es in der Welt keine Vorsehung gebe, zwar nicht mit Worten, aber durch die Tat die Lehre, dass nach dem in der Allnatur von ihm eingerichteten Gesetz alle die Myriaden von Menschen, die in Ungerechtigkeit [p. 412 M.] wandeln, nicht soviel wert sind wie ein Mann, der einen gerechten Lebenswandel führt. Diesen Mann, unter dem die grosse Sintflut sich ereignete, nennen die Hellenen Deukalion, die Chaldäer aber Noah[1].


  1. Für Philo ist die grosse Flut das tertium comparationis zur Identifizierung von Noah und Deukalion. Bei Theophil. ad Autol. III 19 wird sie noch durch eine absonderliche Etymologie gestützt: die Griechen, meint er, nannten Noah „Deukalion“, weil Noah zu den Sündern sagte: δεῦτε καλεῖ ὑμᾶς ὁ θεὸς εἰς μετάνοιαν.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/010&oldid=- (Version vom 30.9.2017)