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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn

Angriffe macht, erlahmt ihre Kraft, sie wird schwach und fällt ab wie ein Fechter, der von stärkerer Gewalt niedergeworfen wird. 30 Wem es aber gelungen ist, über alles Körperliche und alles Unkörperliche hinwegzuschauen und hinwegzuschreiten und seine feste Stütze allein in Gott zu finden mit starker Einsicht und unerschütterlichem, felsenfestem Vertrauen, der ist in Wahrheit glücklich und selig zu preisen.

31 Nächst dem Vertrauen ist die Freude als Preis ausgesetzt, und zwar für den, der sich durch seine natürliche Veranlagung mühelos die Tugend angeeignet hat und darin Sieger geblieben ist; er wurde nämlich, wie die Hellenen sagen würden, γέλως (das Lachen) genannt, in der Sprache der Chaldäer aber Isaak; das Lachen ist aber ein vom Körper gegebenes offenbares Zeichen der unsichtbaren Freude des Herzens. 32 Freude ist aber die beste und schönste der wohltuenden Empfindungen: die Seele ist ganz und gar von diesem Frohsinn erfüllt, sie freut sich ihres Gottes, des Vaters und Schöpfers aller Dinge, sie freut sich über die Handlungen, die ohne Schlechtigkeit geschehen, auch wenn sie nicht zur Befriedigung einer Lust dienen, nur weil sie aus schönem (sittlichem) Gefühl heraus geschehen und zum Fortbestand des Alls beitragen. 33 Denn sowie der Arzt bei grossen und gefährlichen Krankheiten bisweilen Stücke des Körpers wegschneidet mit Rücksicht auf die Gesundheit des übrigen Körpers, wie auch der Steuermann bei Eintritt eines Sturmes Ballast über Bord wirft, weil er die Rettung der auf dem Schiffe Anwesenden im Auge hat, kein Tadel aber den Arzt trifft wegen der Verstümmelung oder den Steuermann wegen des hinausgeworfenen Ballasts, im Gegenteil einem jeden von ihnen Lob zuteil wird, weil er mehr auf den Nutzen als auf das Vergnügen gesehen und die rechte Massregel ergriffen hat, — 34 ganz ebenso muss man auch die Allnatur stets bewundern, muss man zufrieden sein mit allem, was in der Welt ohne vorsätzliche Schuld geschieht, und muss dabei nicht in Betracht ziehen, ob etwas nicht zu unserm besonderen Vergnügen dient, sondern ob die Welt nach Art eines wohlgeordneten Staatswesens zu unserm Heile gelenkt und geleitet wird. 35 Glückselig ist daher auch dieser ebenso wie der erste, da er von Sorge und Kummer frei ist, da er ein ungetrübtes und furchtloses

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Philon: Ueber Belohnungen und Strafen (De praemiis et poenis) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 391. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonPraemGermanCohn.djvu/013&oldid=- (Version vom 2.10.2017)