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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn

nicht die eigene Sache Schaden erleide durch die Feigheit der in den Krieg ziehenden Leute und die Sache der Feinde das Uebergewicht erhalte, die auf leichte Weise die Mutlosen bezwingen würden, wies Moses in der Erkenntnis, dass ein träger Haufe von keinem Nutzen, sondern nur ein Hindernis für das Gelingen sei, die Mutlosen und vor Furcht Verzagenden zurück, wie ja auch den körperlich Leidenden kein Feldherr einen Zwang auferlegen wird zu kämpfen, da Krankheit genügend entschuldigt. 26 Eine Art Krankheit ist nämlich auch die Feigheit, ja eine schwerere als die Krankheiten des Körpers, weil sie die Kräfte der Seele schwächt; denn bei jenen dauert der Höhepunkt nur eine kurze Zeit, die Feigheit aber ist ein mitverwachsenes Uebel, das ganz ebenso wie die eng verbundenen Teile (des Körpers) einem anhängt von frühester Jugend bis zum äussersten Greisenalter, wenn Gott es nicht heilt; bei Gott ist ja alles möglich. 27 Aber selbst die Mutigsten ruft er nicht sämtlich (zum Kriegsdienst), mögen sie auch noch so kräftig sein in jeder Hinsicht, an Leib und Seele, und entschlossen in den ersten Reihen zu kämpfen und Gefahren zu bestehen: er lobt sie zwar wegen ihrer Bereitwilligkeit, weil sie eine für die Gemeinschaft besorgte, von Eifer erfüllte, unerschrockene Gesinnung zeigen, er forscht aber, ob sie nicht durch gewisse zwingende Ursachen gebunden sind, die sie mit Gewalt festhalten. 28 Er verordnet nämlich: „wenn jemand jüngst ein Haus gebaut hat und noch [380 M.] nicht eingezogen ist, oder wenn jemand einen neu angelegten Weinberg bepflanzt und selbst die Schösslinge in die Erde gesenkt, aber noch nicht Gelegenheit gehabt hat den Ertrag zu ernten, oder wenn jemand mit einer Jungfrau verlobt ist und sie noch nicht geheiratet hat, so soll er von allem Kriegsdienste frei sein“. Eine menschenfreundliche und zugleich strategische Massregel hat er mit dieser Befreiung ausfindig gemacht, aus zwei Gründen: 29 erstens damit nicht, da doch im Kriege die Verhältnisse unsicher sind, andere mühelos das Besitztum derer erlangen, die sich darum bemüht haben. Denn es schien bedenklich, dass einer nicht imstande sein sollte den Genuss von seinem Eigentum zu haben, dass einer ein Haus bauen und ein anderer es bewohnen sollte, dass einer pflanzen und ein anderer, der nichts damit zu tun hatte, die

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Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/014&oldid=- (Version vom 31.10.2017)