Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn | |
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empfangen würde. 215 Das Verlangen aber nach Erkenntnis des Seienden, das ihn erfüllte, wurde noch gesteigert durch göttliche Offenbarungen, die ihm zuteil wurden: von ihnen geleitet ging er mit unverdrossenem Eifer an die Erforschung des Einen und liess nicht eher ab, als bis er klarere Anschauungen gewonnen hatte, nicht von seinem Wesen — denn das ist unmöglich —, sondern von seinem Dasein und seinem fürsorglichen Walten. 216 Daher heisst es auch von ihm zuerst (in der h. Schrift), dass er an Gott glaubte (1 Mos. 15,6), weil er ja zuerst den festen und unerschütterlichen Glauben hatte, dass es eine oberste Ursache gibt und dass sie über die Welt und alles in ihr fürsorglich waltet. Nachdem er aber den Glauben, die sicherste der Tugenden, gewonnen hatte, erwarb er auch alle anderen mit, so dass er bei denen, die ihn in ihre Mitte aufnahmen, für einen König gehalten wurde (1 Mos. 23,6), nicht nach seinen äusseren Mitteln — denn er war ein einfacher Privatmann —, sondern nach seiner Seelengrösse, weil er einen königlichen Sinn besass. 217 Und in der Tat ehrten sie ihn immer wie Untergebene einen Herrscher in Bewunderung vor der alles überragenden Grösse seines Wesens, dessen Vollkommenheit über menschliche Begriffe hinausging. Denn auch im Verkehr war er ihnen nicht gleich, sondern meistens ernster, weil göttlicher Geist ihn erfüllte; wenn er nämlich von diesem ergriffen wurde, veränderte sich bei ihm alles zum Besseren, der Blick, die Farbe, die Grösse, die Haltung, die Bewegungen, die Stimme, weil der Geist Gottes, der ihm von oben eingehaucht wurde und in seine Seele einzog, seinem Körper besondere Schönheit verlieh, [p. 443 M.] seinen Reden Ueberzeugungskraft und den Hörern Verständnis. 218 Kann man nun nicht von diesem von allen Verwandten und Freunden verlassenen Auswanderer sagen, dass er hochadlig war, er, der nach der Verwandtschaft mit Gott strebte, der mit aller Kraft bemüht war sein Schüler zu werden, der in die vorzügliche Reihe der Propheten aufgenommen wurde, der an kein Geschöpf so glaubte wie an den ungeschaffenen Vater aller Dinge, der, wie gesagt, bei denen, die ihn aufgenommen hatten, als König galt, der nicht mit Waffen und Heeresmacht, wie sonst gewöhnlich, die Herrschaft erlangte, sondern
Philon: Ueber die Tugenden (De virtutibus) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1910, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonVirtGermanCohn.djvu/062&oldid=- (Version vom 1.8.2018)