und seiner Stofflichkeit nach in den Kreis des Ich hineingezogen werden. Selbst die ersten Anfänge der sinnlichen Erkenntnis stehen noch ganz in diesem Zeichen: sie glauben nach dem prägnanten und charakteristischen Platonischen Wort den Gegenstand geradezu mit Händen (ἀπρὶξ ταῖν χεροῖν) greifen zu können[1]. Aller Fortschritt des Begriffs und der reinen „Theorie“ aber besteht eben darin, diese erste sinnliche Unmittelbarkeit fortschreitend zu überwinden. Das Objekt, der Gegenstand der Erkenntnis, rückt mehr und mehr in die Ferne, so daß es für die kritische Besinnung des Wissens auf sich selbst zuletzt geradezu als der „unendlich-ferne Punkt“, als unendliche Aufgabe des Wissens erscheinen kann; aber zugleich nimmt es in dieser scheinbaren Entfernung erst seine wahrhafte ideale Bestimmtheit an. Im logischen Begriff, im Urteil und Schluß entwickelt sich jenes mittelbare Erfassen, das den eigentlichen Charakter der „Vernunft“ ausmacht. So scheint genetisch und sachlich in der Tat ein stetiger Übergang vom „Greifen“ zum „Begreifen“ zu führen. Das sinnlich-physische Greifen wird zum sinnlichen Deuten – aber in diesem letzteren liegt bereits der erste Ansatz zu den höheren Bedeutungsfunktionen, wie sie in der Sprache und im Denken hervortreten. Um die äußerste Spannweite dieses Gegensatzes auszumessen, könnte man sagen, daß dem sinnlichen Extrem des bloßen „Weisens“ das logische des „Beweisens“ gegenübersteht. Vom einfachen Aufweisen, durch welches ein schlechthin Einzelnes (ein τόδε τι im Aristotelischen Sinne) bezeichnet wird, führt der Weg zu immer weitergehender allgemeiner Bestimmung: die anfänglich bloß deiktische Funktion wird zur Funktion der „Apodeixis“. Die Sprache selbst scheint diesen Zusammenhang noch darin zu bewahren, daß sie die Ausdrücke für das Sprechen und Sagen mit denen für das Zeigen und Weisen verknüpft. In den indogermanischen Sprachen gehen die Verba des „Sagens“ in dieser Weise großenteils auf die des Zeigens zurück: „Dicere“ stammt von derselben Wurzel, die im griech. δείκνυμι (got. *teihan, ga-teihan, ahd. zeigôn) enthalten ist, wie griech. φημί φάσκω auf eine Wurzel φα (Sanskr. bhà) zurückgeht, die ursprünglich das Leuchten und Scheinen, wie das Erscheinen-Machen bezeichnet. (Vgl. φαέθω, φῶς, φαίνω lat. fari, fateri u. s. f.)[2].
Anders freilich scheint die Beurteilung der Gebärdensprache sich gestalten zu müssen, wenn man statt von der Betrachtung der hinweisenden
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/143&oldid=- (Version vom 20.8.2021)