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Ebene vor, aus der durch den Akt der Benennung fort und fort bestimmte Einzelgestalten herausgehoben und gegen ihre Umgebung abgesondert werden, so betrifft dieser Prozeß der Bestimmung zunächst immer nur einen einzelnen, eng begrenzten Teil dieser Ebene. Nichtsdestoweniger kann auf diesem Wege, indem sich alle diese Einzelkreise aneinanderlegen, allmählich das Ganze der Ebene fortschreitend ergriffen und mit einem immer dichter werdenden Netzwerk von Benennungen gleichsam übersponnen werden. So fein jedoch die einzelnen Maschen dieses Netzes auch sein mögen, so ist es doch in sich selbst einstweilen nur locker gefügt. Denn noch hat jedes Wort nur seinen eigenen, relativ beschränkten Aktionsradius, jenseits dessen seine Kraft erlischt. Es fehlt an der Möglichkeit, eine Mehrheit und Verschiedenheit von Bedeutungskreisen selbst wieder zu einem neuen, durch eine einheitliche Form bezeichneten sprachlichen Ganzen zusammenzufassen. Die Kraft der Gestaltung und Absonderung, die in jedem einzelnen Wort beschlossen ist, setzt ein, aber sie gelangt frühzeitig an ihr Ende, und nun muß in einem neuen und selbständigen Ansatz ein neuer Umkreis der Anschauung erschlossen werden. Durch die Summierung all dieser verschiedenen Einzelimpulse, deren jeder sich für sich allein und unabhängig auswirkt, kommt es allenfalls zu kollektiven, nicht aber zu wahrhaft generischen Einheiten. Die Totalität des sprachlichen Ausdrucks bildet hier, sofern sie erreicht wird, selbst nur ein Aggregat, nicht aber ein in sich gegliedertes System; die Kraft der Gliederung hat sich in der einzelnen Benennung erschöpft und reicht zur Bildung übergreifender Einheiten nicht aus.

Ein weiterer Schritt auf dem Wege zur generischen Allgemeinheit ist dagegen getan, wenn die Sprache, statt sich damit zu begnügen, für bestimmte Anschauungskreise bestimmte Benennungen zu schaffen, nun dazu übergeht, diese letzteren selbst derart zu verknüpfen, daß die sachliche Zusammengehörigkeit von Inhalten sich auch in der Sprachform klar ausprägt. Dieses Bestreben, Laut und Bedeutung dadurch in ein strengeres Verhältnis zueinander zu setzen, daß bestimmten begrifflichen Bedeutungsreihen bestimmte Lautreihen als ihre Entsprechung zugeordnet werden, kennzeichnet den Fortgang von der rein qualifizierenden zur klassifizierenden sprachlichen Begriffsbildung. Sie ist in der einfachsten Form dort gegeben, wo Gruppen verschiedener Worte dadurch als eine Einheit gekennzeichnet sind, daß sie durch ein gemeinsames Suffix oder Präfix eine übereinstimmende sprachliche Markierung erhalten. Die besondere Bedeutung, die jedem Wort als solchem zukommt, wird jetzt dadurch ergänzt, daß zu ihm ein allgemeines Determinationselement

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Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen, erster Teil. Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1923, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Philosophie_der_symbolischen_Formen_erster_Teil.djvu/277&oldid=- (Version vom 5.3.2023)