Ehe die Schiffer die nächtliche Fahrt antraten, wurden sie in Koblenz aufs beste bewirtet.
Herrlich ging der Mond auf über dem Rhein, und mit dem ganzen Sternenhimmel spiegelte er sich in den goldenen Wellen des Stromes. Kein Hindernis stellte sich der Fahrt in den Weg, und wie ein Pfeil schoß das Schiff in der Flut dahin.
Der Erzbischof stand freundlich auf seinem Schiffe. Vor seinen Blicken tauchte bereits das uralte Remagen und die St. Martinskirche auf.
Plötzlich erhielt der Erzbischof einen Stoß, daß er zur Erde fiel. Der Lauf des Schiffes war plötzlich gehemmt: es schien auf eine Sandbank oder gar auf ein Felsenriff geraten zu sein.
Eine Verletzung hatte der Erzbischof durch seinen Fall nicht erhalten.
Als er sich vom Boden des Schiffes erhoben hatte, bemerkte er, wie auf dem Fahrzeuge alle durcheinander liefen. Man untersuchte, ob das Schiff eine Kenter erhalten hätte. Dies war aber nicht der Fall. Nun fing man an, das Bett des Rheinstromes an dieser Stelle zu untersuchen, und es fand sich, daß das Schiff hoch über dem Rheingrunde frei auf dem Wasser schwebte. Jetzt wurde wieder gerudert, aber das Schiff bewegte sich noch immer nicht von der Stelle und folgte durchaus nicht den strömenden Wellen, welche es von allen Seiten brausend umgaben. Da kniete der Erzbischof nieder und betete, daß Gott selbst ihm seinen Willen an dieser Stelle kund thun solle.
Während dieses Gebetes hatten die Ruder geruht, da die Schiffer an dem Gebete teilnamen. Allein kaum hatte der Erzbischof laut sein Amen gesprochen, da drehte sich der Schnabel des Schiffes dem Berge zu, auf welchem die Martinskirche stand. In demselben Augenblicke fingen die Glocken des Kirchleins oben auf dem Berge von selbst an zu läuten.
In dem Geiste des Erzbischofs war bereits die Vermutung entstanden, daß er die Reliquien eines der Heiligen hier zurücklassen solle. Während des Geläutes der Glocken griff er in den kostbaren Schrein, der die Überreste des heiligen Apollinaris enthielt. In demselben Augenblicke verstummten die Glocken, woraus der Erzbischof ersah, daß er die Gebeine dieses Heiligen hier zurücklassen solle.
Das Schiff legte ohne weitere Lenkung am Ufer an. Der Erzbischof
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/188&oldid=- (Version vom 1.8.2018)